Süddeutsche Zeitung

Paris Saint-Germain:Mbappé strahlt bei Messis Krönung

Lesezeit: 4 min

Lionel Messi entkorkt bei seinem Debüt für PSG keine Champagnerflaschen, wird aber gefeiert. Ausgerechnet der wechselwillige Kylian Mbappé spielt groß auf - was in Madrid sauer aufstößt.

Von Javier Cáceres, Berlin

Die Stadt Reims liegt 150 Kilometer vor den Toren von Paris, und sie ist, oh feine Ironie der Weltenläufe, ein besonderer Ort in der Geschichte Frankreichs. In der dortigen Kathedrale wurde so manch ein König gekrönt, letztmalig vor knapp 200 Jahren, als der Bourbone Karl X. auf Ludwig XVIII. folgte. Natürlich wurde auch damals jene Heroldsformel benutzt, die in ihrer Übersetzung längst in den globalen Sprachgebrauch übergegangen ist: "Le roi est mort, vive le roi!" Der König ist tot, es lebe der König!

Oh feine Ironie? Oh ja. Denn am späten Sonntagabend begab es sich, dass der wohl größte aktive Monarch des Fußballs, der sechsmalige Weltfußballer Lionel Messi, just im Stadion Auguste-Delaune, der Heimstätte des Klubs Stade Reims, Darsteller in einer weltweit beachteten Krönungsmesse war.

Knapp drei Wochen nach seinem Abschied aus Barcelona, den er beweint hatte wie man eine Flucht ins Exil eben beweint, debütierte Messi am vierten Spieltag der französischen Liga für seinen neuen Klub Paris Saint-Germain. Er trug zum ersten Mal in seinem Leben in einem Ligaspiel ein anderes Trikot als das des FC Barcelona, dem er seit Beginn des Jahrhunderts angehört hatte. Ach ja, übrigens: PSG siegte in Reims, wie zu erwarten war.

Das 2:0 der Pariser beinhaltete aber ironische Wendungen. Zum Beispiel: dass an diesem Abend natürlich nicht Messi, 34, in einen neuen Stand erhoben wurde, sondern Frankreichs oft belächelte Liga. Sie erfährt durch ihn und mit ihm und in ihm einen ungeahnten Bedeutungszuwachs. Allerdings bot das Spiel zumindest ansatzweise auch Anlass, die alte Heroldsformel ("Es lebe der König!") auf den französischen Nationalspieler Kylian Mbappé zu münzen, der ja wirklich ein potenzieller neuer König des Weltspitzenfußballs ist. Denn die beiden Tore zum Sieg von PSG in der Region Champagne steuerte nicht Messi, sondern Mbappé bei (16. und 63. Minute), als der neue Kollege aus Argentinien noch auf der Ersatzbank angeregt mit seinem Landsmann Leandro Paredes und dem Spanier Ander Herrera plauderte.

Die Nachricht des Tages blieb trotzdem Messi: "Ich freue mich über diesen ersten Auftritt, denn auch für Messi ist es wichtig, mit einem Sieg in einem neuen Trikot zu starten", erklärte PSG-Trainer Mauricio Pochettino. Der Argentinier fügte hinzu: "Messi hat eine Laufbahn, eine Karriere, eine Energie und eine Persönlichkeit, die ansteckend sind. Sein Optimismus, seine Energie, seine Anpassungsfähigkeit, seine Art, in dieser Woche mit anderen zusammen zu sein - das beeinflusst das gesamte Team."

Die Statistiker notierten, dass Messi in der Champagne noch keine Schaumweinflaschen entkorkte. Er schoss nach seiner Einwechslung in der 66. Minute kein Tor, bereitete auch keines vor, doch er berührte den Ball immerhin 26 Mal, brachte 20 von 21 Pässen zu einem seiner neuen Spielkameraden, legte ein gelungenes Dribbling hin und wurde dreimal gefoult. Das klingt reichlich nüchtern, wenn man das Gewese betrachtet, das um ihn gemacht wurde: Alle Zuschauer in Reims erhoben sich von ihren Sitzen, als Messi den Rasen betrat, und der ließ - wie Pochettino ebenfalls sagen sollte - seine neue Mannschaft schon "mit den ersten Ballberührungen ruhiger werden".

Mbappés Auftritt schmeckt nicht allen in Madrid

Dass Messi ausgerechnet für seinen Freund Neymar Junior eingewechselt wurde, der in seiner brasilianischen Heimat als eine Art Wiedergänger von Pelé - genannt "O Rei", der König - gilt, könnte als guter Beweis dienen, dass die Verantwortlichen bei PSG erstens einen speziellen Sinn für Humor haben und zweitens einen Fingerzeig auf die Entwicklung auf dem Transfermarkt bieten wollten. Denn: Die Auswechslung des Brasilianers verhinderte, dass ein Foto entstehen konnte, das um die Welt gegangen wäre: Messi, Neymar und Mbappé - die neuen Heiligen Drei Könige von PSG - im gleichen Jersey auf dem selben Spielfeld.

Mbappé wird bekanntermaßen schon seit geraumer Zeit von Real Madrid umschwärmt, der spanische Rekordmeister hat ein Angebot von anfangs 160 Millionen Euro auf insgesamt 180 Millionen aufgestockt. Die Herolde der "Königlichen" beteuern, dass Real dem Emir von Katar, dem Besitzer von PSG, ein Ultimatum gesetzt habe: Die Offerte für Mbappé sollte am Montag um Punkt 18 Uhr verfallen. Und im Fußball kann, wie die vergangenen Tage und Wochen bewiesen, eine Menge passieren. Aber dass es sich die katarischen Eigner nehmen lassen, drei der aufregendsten Tenöre des Sports gemeinsam im Shirt von PSG auftreten zu lassen, mutet fast unvorstellbar an.

Mbappé wiederum spielte, als wäre er weiterhin voll auf Paris fokussiert. Und nicht nur das: Er zelebrierte seine beiden Treffer mit einem kaum zu übertreffenden Enthusiasmus - und das stieß in Madrid sauer auf. Das war gut daran zu erkennen, dass ein gewisser Josep Pedrerol, der schon vor langer Zeit zum Journalistendarsteller mutiert ist, weil er gern die Bauchrednerpuppe von Real-Präsident Florentino Pérez mimt, in seinem TV-Studio in Madrid schäumte: "Mbappé!", monologisierte er in der Nacht zum Montag, "wie kommst du nur drauf, heute das Spiel deines Lebens zu machen? 18 Stunden vor der Antwort deines Noch-Klubs an Real Madrid? Wie kommst du nur darauf, die perfekte Nacht hinzulegen? 'Perfekte Nacht' - das ist es doch, was du in deinen sozialen Netzwerken veröffentlicht hast!? Warum hast du dein Tor so lustvoll gefeiert? Weißt du denn nicht, dass viele madridistas genau verfolgen, was du machst? Dass sie wissen, welch ungeheuerliche Anstrengungen du unternommen hast, als du ein ums andere Mal die Möglichkeit ausgeschlagen hast, deinen Vertrag (bei PSG) zu verlängern; dass du alles getan hast, um bei Real zu spielen? Und dann gehst du hin - und machst am Vorabend der Antwort von PSG dein großes Spiel? Obwohl du weißt, dass dein Klub 250 oder 300 Millionen Euro für dich verlangen wird?", fragte Pedrerol.

Der Radiosender RMC meldete am Montagabend bereits, dass Madrid die Verhandlungen mit PSG abgebrochen habe.

In Paris scheinen sie in der Causa jedenfalls entspannt zu sein. Es sei bekannt, "dass die Fußballindustrie immer voller Gerüchte ist", sagte PSG-Trainer Pochettino. Tatsache sei: "Mbappé ist unser Spieler." Präsident Nasser Al-Khelaifi und Manager Leonardo seien ja sehr deutlich gewesen: "Er ist bei uns. Und ich bin mit ihm sehr zufrieden, er ist einer der besten Spieler der Welt."

Der Beste aber, das sagte Pochettino bereits vor der Partie, bleibe Messi. Auch im Kollegenkreis wird diese Haltung offenkundig. Als die Messe in Reims zu Ende gesungen war, wurde Messi - nicht Neymar und auch nicht Mbappé - von Stade-Torwart Predrag Rajkovic, 25, verfolgt. Der Keeper aus Serbien überreichte Messi seinen eigenen Sohn für ein Erinnerungsfoto - an einen Abend, der in Frankreich wohl eine neue Regentschaft begründete.

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