Süddeutsche Zeitung

Corona im DFB-Team:Vorbote des Winters

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Anhand der Infektionssituation bei der Nationalmannschaft lässt sich die pandemische Lage in Deutschland gut erkennen. Erneut zeigt sich, wie viele Nachteile es hat, nicht geimpft zu sein.

Kommentar von Martin Schneider

Das Bild vom Fußball als Spiegelbild der Gesellschaft ist ein oft bemühtes, nicht immer trifft es zu. Rein einkommenstechnisch ist der Profifußball zum Beispiel garantiert keine Reflexion der breiten Masse, von Geschlechtergerechtigkeit ganz zu schweigen. Aber dem Coronavirus ist es ja bekanntlich egal, wer wie viel verdient. Es verhält sich überall gleich, wo Menschen zusammenkommen, und deswegen kann man anhand des DFB-Teams gerade sehr gut beschreiben, in welcher pandemischen Lage das Land sich befindet.

Es gibt einen positiven Coronatest beim Spieler Niklas Süle, er ist doppelt geimpft, aber man weiß ja mittlerweile, dass man sich trotz Impfung infizieren kann. Vier Spieler müssen als enge Kontaktpersonen in Quarantäne. Einer, Joshua Kimmich, ist nicht geimpft, bei Serge Gnabry, Jamal Musiala und Karim Adeyemi gibt der DFB den Impfstatus verständlicherweise nicht bekannt - allerdings muss man geimpft oder genesen asymptomatisch generell nicht in Isolation, nicht in Bayern (wo drei der vier Spieler wohnen) und nicht in Niedersachsen (wo das Länderspiel stattfindet).

Der DFB weist dennoch darauf hin, dass Schlussfolgerungen auf den Impfstatus nicht zulässig seien, im Einzelfall könne das Gesundheitsamt auch anders entscheiden - das kann man in der Verordnung so rauslesen. Bei vier weiteren Spielern der Münchner Reisegruppe sahen die Behörden allerdings keinen Grund für eine Quarantäne.

Am Fall Süle können die aktuell geltenden Regeln nachvollzogen werden

Kimmichs inzwischen berühmte Aussage, ihm fehlten Langzeitstudien zum Impfstoff, hat zu einer Aufklärungswelle geführt: Viele Experten sagten, dass Impfnebenwirkungen nur kurzfristig auftreten und die Datenlage bei den Corona-Vakzinen außerordentlich gut sei. Der aktuelle Fall führt dazu, dass man die aktuell geltenden Regeln anschaulich erklärt bekommt. Als geimpfte Kontaktperson muss man nicht in Quarantäne, weil das Virus bei einer Übertragung auf Antikörper treffen würde, die eine Vermehrung verhindern. Eine Kontaktperson ohne Impfschutz hat diese Antikörper nicht, deswegen kann sich das Virus freier verbreiten. Das sind keine absoluten Aussagen - auch als Geimpfter kann man im schlimmsten Fall zum Intensivpatienten werden -, aber die Wahrscheinlichkeit ist eben viel geringer.

Und so ist die Situation in der Nationalmannschaft ein Vorbote auf den Corona-Winter, dessen Zeichen man schon jetzt an allen Ecken und Enden sieht. Bei den aktuellen Inzidenzen hat man je nach Region eine sehr, sehr hohe Chance, entweder direkt oder indirekt mit dem Virus in Kontakt zu kommen - als junger Profisportler oder auch als Mitglied einer gefährdeten Gruppe. Als ungeimpfte Kontaktperson ersten Grades bedeutet das konkret in Bayern mindestens sieben Tage Quarantäne. Bei einer Infektion mit dem Virus riskiert man einen Krankheitsverlauf ohne Impfschutz und eine 14-tägige Quarantäne.

Bei der Quarantäne-Frage lohnt sich übrigens wieder ein spezieller Blick von der Gesellschaft weg auf den Profifußball. Denn dort wird ja üblicherweise im medizinischen Bereich viel getan, um Ausfallzeiten zu minimieren. Eine Nicht-Impfung maximiert allerdings die Zeit, in denen Spieler nicht zur Verfügung stehen. Joshua Kimmichs siebentägige Isolation während der Länderspiele gegen Liechtenstein und Armenien wird natürlich zu verkraften sein. Sobald er aber bei einem neuen Fall wieder als Kontaktperson eingestuft wird, geht das ganze wieder von vorne los. Der FC Bayern wird das nicht so toll finden. Kimmich selbst garantiert auch nicht.

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