Süddeutsche Zeitung

Surf-Legende Kelly Slater:Er surft die ewige Welle

Lesezeit: 3 min

Kelly Slater wird 50 und ist immer noch ein Pionier seines Sports. Auf Hawaii zeigt der Amerikaner, dass niemand besser surft als er - doch ausgerechnet seine Impfskepsis könnte den Erfolgen bald ein Ende bereiten.

Von Christian Helten

Wie realistisch hören sich folgende Prophezeiungen für das Sportjahr 2022 an? Zinédine Zidane, Jahrgang 1972, läuft für Frankreich bei der Fußballweltmeisterschaft als Kapitän auf. Giovane Elber, Jahrgang 1972, wird Torschützenkönig der Bundesliga.

Alles Quatsch natürlich, die Herren werden dieses Jahr beide 50, da kann man auf Spitzensportniveau nicht mehr mithalten, höchstens als Trainer oder TV-Kommentator.

Anders verhält es sich bei Kelly Slater. Der feiert am 11. Februar ebenfalls seinen 50. Geburtstag. Er führt allerdings gerade die Weltrangliste der besten Wettkampfsurfer an, seit er am vergangenen Wochenende auf Hawaii den "Pipeline Pro", den prestigeträchtigsten Surfcontest, gewonnen hat.

Damit schrieb er Sportgeschichte, und er wusste es - nach der Schlusssirene kamen ihm noch im Wasser die Tränen wegen des soeben Erreichten.

Slaters Karriere ist außergewöhnlich, nicht nur im Surfen, auch in anderen Disziplinen findet man keine derartige Dominanz über so einen langen Zeitraum. Slater hat die Pipeline, so heißt der Wettbewerb auf der Welle an der Nordküste von Oahu, zuvor schon sieben Mal gewonnen. Den ersten Sieg holte er 1992, vor 30 Jahren. Seinen Finalgegner am vergangenen Samstag, den 24-jährigen Hawaiianer Seth Moniz, kennt er, seit der ein Baby ist - Slater trat schon gegen den Vater an.

1992 wurde Slater auch zum ersten Mal Weltmeister, mit 20, so jung wie kein Surfer zuvor und keiner nach ihm. Zehn Titel sollten noch folgen. Und niemand kann ausschließen, dass Slater 2022, mit 50 Jahren, den zwölften Titel holt.

Seine Karriere ist auch deshalb so beeindruckend, weil sich das Surfen in den vergangenen 30 Jahren enorm weiterentwickelt hat. Es ist populärer geworden. Nicht nur an den Stränden Australiens und in den USA, sondern auch in Europa und vor allem Lateinamerika findet man Talente so zahlreich wie Sandkörner an den Stränden, an denen sie trainieren.

Und ja, sie trainieren wirklich: Die Jahre, in denen Surfprofis auch mit Partys und Alkohol eine erfolgreiche Karriere bestreiten konnten, sind längst vorbei. Heute sind das Top-Athleten, mit Fitnesscoaches, Mentaltraining, Videoanalysen und Ernährungsplänen. Dass sich ein 49-Jähriger da irgendwie durchmogeln kann - ausgeschlossen. Wer in einer Welle wie der Pipeline gewinnen will, muss topfit sein. Er muss mit der Kraft seiner Arme in Wellen von drei bis fünf Metern paddeln, die sich auf einem flachen Riff brechen. Er muss in Sekundenbruchteilen aufstehen und die richtige Linie auf dieser Welle finden - und er muss den brutalen Waschgang überstehen, wenn das mal schiefgeht.

In den internationalen Surfmedien wird angesichts des bevorstehenden Geburtstags schon seit Wochen gerätselt, wie lange Slater noch dabei bleibt. Eigentlich geschieht das schon seit etwa zehn Jahren. Eine Weile sah es auch so aus, als habe "The Greatest of all Time", wie er auch genannt wird, die Lust ein wenig verloren. Er widmete sich anderen Dingen: 2014 verließ er seinen Hauptsponsor und gründete eine eigene nachhaltige Bekleidungsfirma. Und er investierte, zunächst im Geheimen, viel Zeit und Geld in die Technologie für einen Wellenpool in Kalifornien. Inzwischen werden dort auch Wettbewerbe der "World Surf League" ausgetragen.

Großen sportlichen Erfolg hatte er in dieser Lebensphase nicht. Er experimentierte lieber mit seinen Projekten jenseits der Welle. Und alle fragten sich: Wie konnte einer, dessen Siegeswille legendär ist, plötzlich gedanklich so vom Brett steigen? Unvergessen ist die Rivalität mit dem inzwischen verstorbenen Andy Irons, die Slater in den Nullerjahren motivierte. Bei seiner Siegesrede am Wochenende sagte Slater: "Ohne Andy Irons wäre ich heute nicht da, wo ich bin."

Slater schwört auf Algen und Superfood-Beeren - und fällt mit fragwürdigen Kommentaren auf

Daneben beruht sein Erfolg auf Erfahrung, auch sein Lebensstil spielt wohl eine Rolle. Slater schläft viel und trinkt keinen Alkohol, er ist bekannt dafür, sich extrem eingehend mit Themen wie Stoffwechsel und Ernährung zu beschäftigen. Er studiert jede Inhaltsangabe, schwört auf Superfood-Beeren und Algen auf dem Speiseplan, er denkt sogar darüber nach, welche Obstsorten er kombinieren sollte und welche nicht.

Ausgerechnet sein enormer Fokus auf einen natürlichen Lebensstil könnte ihn aber jetzt ausbremsen. Slater ist erklärter Gegner einer Impfpflicht. Seinen Impfstatus hat er öffentlich nicht bekannt gegeben, aber seine Kommentare in sozialen Netzwerken lassen darauf schließen, dass er ungeimpft ist. Er ist in letzter Zeit auch durch fragwürdige Kommentare über die "Left Wing Media" und angeblich an der Impfung verstorbene Bekannte aufgefallen.

In wenigen Wochen stehen wichtige Wettbewerbe in Australien an, und der Fall Novak Djokovic hat gezeigt, dass mit Ausnahmen für ungeimpfte Spitzensportler bei der Einreise nicht zu rechnen ist. Mehrere australische Minister haben dies mit Blick auf Slater noch mal bekräftigt. Slater muss sich also womöglich entscheiden, ob er wegen seiner Impfskepsis die australischen Contests sausen lässt - und damit auch die Chance auf seinen zwölften Weltmeistertitel.

Vielleicht ist ihm der aber auch egal. Der Pipeline-Sieg war der schönste seiner Karriere, sagte er im Interview danach, immer noch sichtlich gerührt. Er wisse gerade gar nicht, ob er vielleicht schon beim nächsten Contest einfach nicht mehr auftauchen werde.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5524401
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.