Süddeutsche Zeitung

Helmut Digel im Interview:"Europa darf nicht alleine die Maßstäbe vorgeben"

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Leichtathletik in der Wüste? Seit der WM-Vergabe nach Katar wächst die Kritik am Weltverband. Der deutsche Funktionär Helmut Digel spricht im SZ-Interview über Korruptionsvorwürfe und die Machtverteilung im Sport.

Von Johannes Knuth und Joachim Mölter

Die Empörung war groß, als der Leichtathletik-Weltverband (IAAF) vor rund zwei Wochen die WM 2019 an Doha im Emirat Katar vergab - und die Bewerbungen der leichtathletikbegeisterten Städte Eugene/USA sowie Barcelona/Spanien abschmetterte. Der Vorwurf der Korruption schwirrte durch die Medien, der spanische Verbandschef José María Odriozola, der bei der Wahl ebenfalls abgestimmt hatte, wurde mit den Worten zitiert: "Es hat sich die mit Abstand schlechteste Kandidatur durchgesetzt. Alles, was die haben, ist Geld."

IAAF-Funktionär Helmut Digel, einziges deutsches Mitglied im Council des Weltverbands, bestreitet im SZ-Interview nicht, dass sich Doha vor allem wegen üppiger finanzieller Versprechen durchsetzte. Allerdings hätten die Katarer sämtliche Regeln während des Bewerbungsprozesses eingehalten. Die Frage müsse deshalb sein, "ob die Regeln die richtigen sind", sagt Digel. Die Bewerber dürfen sich laut IAAF-Statuten gegenseitig überbieten, das hätten die katarischen Bewerber ausgenutzt.

15 Minuten vor der geheimen Wahl offerierte Doha dem Weltverband ein 30 Millionen schweres Sponsorenpaket. "Das hatte eine enorme Wirkung, so kurz vor der Abstimmung", glaubt Digel. "Bei einem solchen Spiel sind die Staaten privilegiert, die ihre Wirtschaft zentral steuern", das ginge zu Lasten der Bewerber aus den Leichtathletik-Kernmärkten in Mitteleuropa. "Vor diesem Hintergrund", sagt Digel, "halte ich das Verfahren für falsch."

Die Bedingungen für Gastarbeiter in Katar, das Klima, die Unterstützung der Muslimbrüderschaft durch das Emirat - diese Bedenken spielten laut Digel bei der Beratung im Council dagegen kaum eine Rolle. Natürlich müsse Katar die Bedingungen für Gastarbeiter den westlichen Standards anpassen, "aber die eigentlichen Ausbeuter sind die Arbeitgeber", sagt Digel. Temperaturen bis zu 40 Grad für die Athleten seien ebenfalls nicht ideal, auch nicht im Oktober, wenn die WM in Doha stattfinden soll. Allerdings müsse eine globale Sportart wie die Leichtathletik ab und zu auch fernab der Leichtathletik-Hochkulturen stattfinden, glaubt Digel: "Es kann nicht sein, dass Europa alleine die Maßstäbe vorgibt."

Der 70 Jahre alte Sportsoziologe aus Tübingen ist noch bis 2015 im Council der IAAF vertreten, einer Art Regierung der Weltleichtathletik, dann zieht er sich zurück. Zum gleichen Zeitpunkt wird auch die 15 Jahre währende Amtszeit von IAAF-Präsident Lamine Diack enden. Digel bewertet Diacks Ära durchaus kritisch. Die Programmstruktur der Sportart, insbesondere die neun Tage währende WM, sei noch immer ein sperriges Konstrukt, der Zuspruch des Publikums schwinde, in dieser Hinsicht seien die Jahre unter Diack eine verlorene Zeit gewesen. Aus Sicht von Digel ist der Brite Sebastian Coe derzeit der aussichtsreichste Nachfolge-Kandidat.

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Quelle:
SZ vom 3.12.2014
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