Gladbach siegt in München:Schockstart gegen die Jugendliebe
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Die Premiere der dritten Amtszeit von Jupp Heynckes in München geht gründlich daneben: Seine alte Jugendliebe Borussia Mönchengladbach wagt es, 1:0 zu gewinnen. Die Heimniederlage ist nicht unverdient, zu ideenlos agieren die Bayern - und dann patzt auch noch Manuel Neuer.
Andreas Burkert, Fröttmaning
Vielleicht wird das doch keine kinderleichte Saison für den FC Bayern, das mag sich Präsident Uli Hoeneß schon Freitagabend gedacht haben, als er live im lärmenden Westfalenstadion dem ziemlich überzeugenden 3:1 der Dortmunder gegen den HSV zusah. Seit Sonntagabend wissen nun sämtliche Münchner, dass sie trotz der listigerweise von allen Seiten zugeschanzten Favoritenrolle nicht zwangsläufig die 49. Bundesliga-Saison als Meister beenden müssen.
Die Premiere der dritten Amtszeit von Trainer Jupp Heynckes ging jedenfalls gründlich daneben, denn seine alte Jugendliebe Borussia Mönchengladbach wagte es, 1:0 (0:0) zu gewinnen. Und die Heimpleite war nicht mal ganz unverdient, zu ideenlos und mit allzu dosiertem Tempo versuchten die Bayern das Gladbacher Bollwerk zu überwinden. "Es war alles gut anzuschauen, aber nicht zwingend genug", sagte Heynckes später, während VfL-Trainer Lucien Favre genüsslich bilanzierte: "Die Spieler wussten, dass das eine schwere Kiste wird. Teilweise haben wir uns weit hinten reindrücken lassen. Aber wir haben am Ende das Glück provoziert."
Heynckes hatte der Pokal-Elf von Braunschweig vertraut, also mit Luiz Gustavo im Mittelfeld statt Anatoli Timoschtschuk; einzig Arjen Robben rückte nach seiner Fußverletzung wieder ein, weshalb Thomas Müller diesmal die linke Außenbahn besetzte anstelle von Ribéry-Stellvertreter David Alaba; Franck Ribéry wurde zunächst geschont.
Die Partie begann als zähes Schachspiel mit dezent offensiven Bayern, die vor allem über Müllers Seite Vorstöße wagten - und recht tief stehenden Gladbachern. Neun, manchmal sogar zehn Männer hielt der Außenseiter hinter dem Ball und verengte die Räume vor dem Strafraum nicht ungeschickt. Tief in der gegnerischen Hälfte schoben sich die Münchner den Ball zu, ohne dass sich Lücken auftaten. Ein Kopfball von Mario Gomez (7.) und ein Distanzschuss von Toni Kroos (26.) bereiteten dem jungen Torwart ter Stegen kaum Probleme, und über die erste Aktion Robbens konnte er milde lächeln: Der Ball landete fast im Oberrang (33.).
Die Gladbacher näherten sich also recht ungefährdet einem 0:0 zur Pause, wenngleich ihnen der Spielstand natürlich etwas schmeichelte. In Ballbesitz blieben sie lange zielstrebig wie Murmeltiere im Winter; einzig ein paar Tempodribblings von Marco Reus legten nahe, dass der Gast Kenntnis hatte vom Standort des Bayern-Tors. Ansonsten verloren Roman Neustädter und Havard Nordtveit, die beiden etwas steif wirkenden Zentrumsspieler, zu schnell und häufig den Ball.
Aber das schien die Borussia überhaupt nicht nervös zu machen. Und es hinderte sie auch nicht daran, sich die vorerst beste Torchance zu erspielen: Juan Arango, der sein enormes Ballgefühl im linken Fuß bis dahin verborgen hielt, tänzelte sich nach vorn durch, suchte sich selbstverständlich Reus als Partner für einen Doppelpass auf engstem Raum aus - der Abschluss des Venezolaners, ein Schlenzer per Außenrist, ermöglichte Manuel Neuer die erste Großtat vor seinen neuen Freunden aus dem Südblock.
Voll des Lobes wird Heynckes demnach nicht gewesen sein bei seiner Pausenansprache. Immerhin, seine Leute kehrten schwungvoller zurück, Müller war sowieso lebendig wie eh und je. Er ließ gleich wieder den überforderten Jantschke stehen und bediente erneut Gomez, auf dessen Kopfball ter Stegen mit einem vorzüglichen Reflex antwortete (49.). Nach einer Ecke kam Gomez erneut zum Kopfball - diesmal stand der Pfosten der Münchner Führung im Weg (55.).
Dieses Spiel würde in der Luft entschieden werden, das war nun offensichtlich - hier wirkte die Borussia anfällig. Aber auch die Bayern offenbarten bei hohen Bällen ihre alte Verwundbarkeit: Nach einem Freistoß lief Igor de Camargo in den Brennpunkt und köpfte tatsächlich ins Netz, doch Referee Rafati verweigerte zu Recht die Anerkennung - der belgische Stürmer hatte Bastian Schweinsteiger zu rabiat aus dem Weg geräumt (60.). Aber das 0:1 war nur aufgeschoben: Zwei Minuten später flog der Ball, abgesetzt von Innenverteidiger Roel Brouwers, wieder hoch und weit in Richtung Neuer, der herauseilte und doch zu spät begriff, dass sich der eigentlich zuständige Boateng auf ihn verließ - ein folgenschweres Missverständnis: De Camargo spritzte dazwischen und köpfte den Ball von der Strafraumgrenze aus ins verwaiste Bayern-Tor - 0:1. Neuer sollte später die Schuld auf sich laden ("Da sehe ich blöd aus"), auch Heynckes befand, "dass Boateng da näher zum Ball stand - da hätte Manuel nicht rauskommen müssen".
Boateng hatte sich später leicht am Sprunggelenk verletzt, die Bänderzerrung schien aber eher harmlos zu sein. Geschockt waren die Bayern, weil sie mal wieder unnötig in Rückstand geraten waren. Ribéry kam ins Spiel, aber die von Dante befehligte VfL-Deckung verschob sich weiter wirkungsvoll. Schweinsteiger tauchte als Faktor kaum auf, auch Arjen Robben beschwor mit seinem bewährten Zug nach innen samt einem kernigen Distanzschuss nur einmal etwas Gefahr herauf. Dann gab sich Schweinsteiger doch noch zu erkennen, seinen Fernschuss parierte ter Stegen prächtig - und beim erfolgreichen Nachsetzen von Müller stand Gomez im passiven Abseits (76.).
Das hätte er auch sein lassen können", meinte Thomas Müller über den Linienrichter, zumal sich dieser zuvor bei einer verheißungsvollen Überzahlsituation geirrt hatte. Doch letztlich zählte, was Vorstand Karl-Heinz Rummenigge bedient zusammenfasste. "Zu wenig" habe die Mannschaft geboten, sagte er. "Jetzt ist das, was wir vermeiden wollten, eingetreten: Wir laufen schon wieder hinterher."