Süddeutsche Zeitung

Dortmunds nächste Niederlage:Die Lage wird kritisch

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Trotz des dritten sieglosen Spiels in Serie findet Dortmunds Trainer Edin Terzic wohlwollende Worte für seine Elf. Gladbach-Coach Marco Rose könnte indes noch interessanter für den BVB werden.

Von Ulrich Hartmann, Mönchengladbach

Ausgerechnet der ruhende Ball macht Borussia Dortmund im sonst so schnellen Fußball momentan Angst. Das ist die skurrile Erkenntnis eines spektakulären Spiels, das der BVB am Freitagabend zum Auftakt der Bundesliga-Rückrunde 2:4 (2:2) bei Borussia Mönchengladbach verlor. Nach einem turbulenten Hin und Her regten sich die Dortmunder Marco Reus und Mats Hummels vor allem über jene drei Gegentore auf, die durch sogenannte Standardsituationen zustande gekommen waren: das 0:1 und das 2:2 nach einem Freistoß sowie das 2:4 nach einem Eckball.

Gegentore nach ruhenden Bällen gaben in dieser Saison schon wiederholt den Ausschlag zur Niederlage. "Das stinkt uns gewaltig", sagte Reus. "Gegentore nach Standards sind ein ganz großer Punkt bei uns", sagte Hummels. Ein wunder Punkt, wohlgemerkt. Zwei Treffer von Erling Haaland waren diesmal zu wenig.

Mit nur einem Zähler aus den jüngsten drei Spielen sind die Dortmunder aus den Champions-League-Plätzen der Tabelle herausgerutscht. Der Klub, der die Teilnahme an der lukrativen Meisterklasse dringend zur Finanzierung seines teuren Kaders benötigt, befindet sich gerade in einer tabellarischen Talfahrt und droht den Anschluss an die Spitzengruppe zu verlieren. Die Situation wird dadurch auch für den neuen Cheftrainer Edin Terzic unangenehm, denn im Falle weiterer Misserfolge könnte der Klub womöglich noch ein zweites Mal binnen einer Saison einen Trainerwechsel vornehmen wollen.

Unter dem Mitte Dezember entlassenen Lucien Favre hatte Dortmund in elf Spielen 19 und also im Schnitt 1,7 Punkte pro Partie geholt. Unter Terzic sind es bislang in sieben Spielen zehn und also nur 1,4 Punkte pro Partie. Das ist, leicht erkennbar, keine Verbesserung und auch von der spielerischen Konstanz her nicht das, was man sich vom Trainerwechsel erhofft hatte.

Terzic wollte sich unmittelbar nach dem Spiel auf keine Schwarzmalerei einlassen. Er lobte explizit die spielerische Leistung seiner Mannschaft in der ersten Halbzeit und beklagte sowohl in den Fernsehinterviews als auch in der Pressekonferenz nahezu wortgleich "das Missverhältnis zwischen unserem Aufwand und der Art, wie die Gladbacher zu ihren Toren gekommen sind". Der nunmehr kritischen Lage sei er sich zwar bewusst, "es sind aber noch viele Spiele, in denen wir noch viele Punkte holen können", fügte er wohlwollend hinzu und klang damit beinahe wie der Trainer einer abstiegsbedrohten Mannschaft.

"Wir stehen da gerade einfach auf der Sonnenseite", sagt Gladbach-Trainer Rose

Wie schnell sich ein Blatt wenden kann, sieht Terzic gerade bei den Gladbachern. Bis Ende 2020 stotterte bei den Rheinland-Borussen noch der Motor, viele Spiele gingen unnötig unentschieden aus, viele Führungen wurden spät noch hergegeben, addierte 16 Punkte hatte man nach Führungen sozusagen verschenkt.

Doch seit dem Jahreswechsel gelingt den Gladbachern fast alles. 13 Punkte aus fünf Spielen haben sie zurück in die Nähe der ersehnten Champions-League-Plätze gebracht. Die Frage nach den Gründen für den plötzlichen Erfolg tat der Trainer Marco Rose allerdings ein bisschen ab. "Wir haben da nichts groß trainiert", sagte er über die wiedergewonnene Kunst, Führungen seriös zu Ende zu verteidigen, "wir stehen da gerade einfach auf der Sonnenseite."

Auf der Sonnenseite gelingt einem ziemlich viel. Nicht nur, dass die Gladbacher eine Serie von zwölf nacheinander verlorenen Pflichtspielen gegen Dortmund seit April 2015 beenden konnten; nicht nur, dass der Innenverteidiger Nico Elvedi zwei Tore beisteuerte und der eigentliche Torjäger Lars Stindl auf der eigenen Torlinie einen Gegentreffer durch Emre Can verhinderte - das 3:2 kurz nach der Pause schoss mit Ramy Bensebaini ein weiterer Abwehrspieler und das 4:2 zehn Minuten vor Schluss erzielte mit Marcus Thuram ausgerechnet jenes Gladbacher Sorgenkind, das nach einer Spuckattacke im Spiel gegen Hoffenheim kurz vor Weihnachten für einen Monate gesperrt worden war und gegen Dortmund erst in der 64. Minute eingewechselt wurde. Eine Viertelstunde später traf der Franzose zur Vorentscheidung.

"Das war ein Signal", sagte Rose über die demonstrativen Einwechslungen von Thuram und Breel Embolo, fünf Tage nach dessen nächtlichem Ausflug nach Essen. "Wir stehen zu unseren Jungs", so erklärte Rose sein "Signal" und verband mit Thurams Treffer die Hoffnung, "dass Marcus ab sofort wieder sportliche Schlagzeilen schreibt - denn er hatte keine leichte Zeit". Auch die Embolo-Affäre ist Rose bereit abzuhaken. "Mir muss er nichts mehr erklären", sagte der Trainer über die mutmaßlichen Verfehlungen seines Schweizer Stürmers.

So gehen sie in Gladbach also nur zu gern wieder zur sportlichen Tagesordnung über, aber auch hier scheint man sich mit der Trainerfrage durchaus zu beschäftigen, denn es halten sich hartnäckige Gerüchte, dass Dortmund Interesse am Gladbacher Trainer Rose hat. Rose entkräftet diese Gerüchte kein bisschen. Er enthält sich auf stete Nachfragen jeglichen Kommentars. Hinzu kommt die neueste Spekulation, dass Gladbachs seit drei Wochen in einer privaten Auszeit befindlicher Sportdirektor Max Eberl ein informelles Gespräch mit Erik ten Hag, dem Trainer von Ajax Amsterdam, geführt haben soll.

Die derzeitigen Schwächen von Borussia Dortmund und seinem Trainer Edin Terzic und die derzeitigen Stärken von Borussia Mönchengladbach und seinem Trainer Marco Rose könnten also zeitnah zu einem unmittelbaren Zusammenhang führen: nämlich dass Rose einem Angebot des BVB womöglich nicht widerstehen kann. Und die Gladbacher täten dann das, was sie immer tun: Sie suchen sich auch jemanden Neues. Darin sind sie schon recht versiert.

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