Süddeutsche Zeitung

Streit um WM-Ticket:"Wir fühlen uns von den Chilenen schikaniert"

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Trotz scharfer Kritik aus Ecuador bleibt Chile stur und will juristisch einen WM-Platz in Katar erkämpfen - notfalls per Expressverfahren vor dem Sportgerichtshof Cas.

Von Javier Cáceres, Berlin

Kaum dass der Fußballweltverband Fifa den Startplatz Ecuadors bei der Weltmeisterschaft in Katar bestätigt hatte, ergoss sich am Wochenende ein Eimer Häme über die Chilenen. Vor allem in Ecuador. Dort kam der Versuch der Chilenen, Ecuadors WM-Platz auf dem Rechtsweg zu erstreiten, nicht so gut an.

"Chile ist bereit für die WM!", feixte das Boulevardblatt Extra, und zählte auf: "Mit Sony im Tor, Panasonic, Samsung und JVC in der Abwehr, TCL, Philips, LG und Sanyo im Mittelfeld, RCA und Hisense hinter den Spitzen, und mit Hitachi im Sturm." Die Chilenen schauen sich die WM nur im Fernsehen an, sollte das heißen. Wie sehr die Causa der Chilenen das Land beschäftigte, war aber auch den Polizeimeldungen zu entnehmen. "Wie die Chilenen! Draußen!", war am Samstag eine Fotoreportage über Sexarbeiterinnen in Quito überschrieben, deren Bordell ohne nähere Angaben von Gründen behördlich geschlossen worden war.

Chile will wohl den Rechtsweg ausschöpfen

Chiles Verband ANFP hatte Ecuador bezichtigt, in acht WM-Qualifikationsspielen einen Kolumbianer eingesetzt zu haben. Der Rechtsverteidiger Byron Castillo war wohl in Kolumbien geboren und in Ecuador aufgewachsen, 2021 aber erklärte ihn ein Gericht zum Ecuadorianer. Das geschah nicht ehrenhalber wie einst im Falle des Wikileaks-Gründers Julian Assange, der sich vor einigen Jahren in London in die Botschaft Ecuadors retten konnte, sondern durch die nachträgliche Anerkennung von offenkundig gefälschten Dokumenten. Natürlich könne man gegen eine solch anrüchige Praxis Protest einreichen, befand das argentinische Sportblatt Olé; es sehe halt blöd aus, wenn das Team zuvor in der WM-Qualifikation sportlich derart unterirdische Leistungen geboten hatte. Woran auch in der chilenischen Zeitung La Tercera ausgiebig erinnert wurde: "Wir hatten es nie verdient, zur WM in Katar zu fahren. Schon gar nicht so."

Ungeachtet dessen wollen die Chilenen wohl den Rechtsweg ausschöpfen. "Mein persönliches Empfinden ist, dass wir nach der ersten Halbzeit mit 1:0 zurückliegen - und die ganze zweite Hälfte noch vor uns haben", sagte Chiles Verbandschef Pablo Milad. Aber: Eine Berufung vor der Fifa gilt als aussichtslos, die zweite Kammer hat eine Neigung, erstinstanzliche Entscheidungen zu bestätigen. Bliebe also die Möglichkeit, im Wege eines verkürzten Verfahrens direkt vor den Internationalen Sportgerichtshof Cas zu ziehen. Ein schnelles rechtskräftiges Urteil wäre schon deshalb wichtig, weil die WM Mitte November beginnt.

Nur braucht Chiles Verband für ein Expressverfahren vor dem Cas die Einwilligung des ecuadorianischen Verbandes FEF. Damit ist nicht zu rechnen. "Wir fühlen uns von den Chilenen schikaniert und mit Füßen getreten", erklärte Ecuadors Verbandschef Francisco Egas. Auch sein Stellvertreter Carlos Mazur macht den Chilenen keine Hoffnung. "Wenn es nach mir persönlich geht, werden wir da sicher nicht zustimmen", sagte er.

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