Süddeutsche Zeitung

Fußball und Politik:Löws neues grünes Spielfeld

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Von Josef Kelnberger

Die Partei der Grünen ist nach wie vor ein sehr buntes Volk, es wird auch am 12. Februar bei der Bundesversammlung wieder Aufsehen erregen. Im Namen der niedersächsischen Grünen zum Beispiel, Heimat von Jürgen Trittin, reist an: Olivia Jones, Dragqueen. Bislang hätten entweder Männer oder Frauen den Bundespräsidenten gewählt, lautet ihre Botschaft, nun wähle eben "auch mal was dazwischen".

Sucht man nach dem größtmöglichen Gegensatz zu Niedersachsen und zum linken Wortführer Trittin, landet man in der Regel in Baden-Württemberg, Heimat von Winfried Kretschmann. Auf der Liste der Südwest-Grünen findet sich ebenfalls ein erstaunlicher Promi: Joachim Löw, Fußball-Bundestrainer. Aber was ist eigentlich dessen politische Botschaft? Mehr Espresso, mehr guten Wein, mehr Hautpflege für alle?

Wegbegleiter können sich nicht erinnern, dass Löw je zu politischen Fragen Stellung bezogen hätte, auch nach den Kabinenbesuchen der CDU-Kanzlerin Merkel tat er das nicht. Ausdrücklich wurde er zu Beginn seiner Laufbahn von seinem Berater ermahnt, "den grünen Rasen" nicht zu verlassen. Und nun die grüne Partei als Spielfeld. Kretschmann selbst hat ihn geworben für die Bundesversammlung, bei der Bambi-Verleihung im November. Löw wurde in der Kategorie "Integration" ausgezeichnet, die Laudatio hielt sein baden-württembergischer Landsmann. "Er hat Menschen mit Wurzeln aus aller Welt zu einer Mannschaft zusammengeschweißt", lobte Kretschmann. Löw sagte, auf seiner Mannschaft stehe das Etikett "Deutschland", aber drin stecke "Multikulti".

Löws Ruf erreicht immer neue Höhen

Nun mag man bezweifeln, dass Joachim Löw bewusst eine Multikulti-Mannschaft zum Weltmeister geformt hat, 2004 an der Seite von Jürgen Klinsmann, seit 2006 in voll verantwortlicher Position. Spieler wie Özil, Khedira und Boateng würde er bestimmt auch aufstellen, hießen sie Müller, Meier und Huber. Aber letztlich zählt im Sport, wie in der Politik, das Ergebnis. So gesehen, eignet sich Löw glänzend als Repräsentant der 30-Prozent-Grünen in Baden-Württemberg.

Im Laufe der Jahre hat sich der Schwarzwälder zu einem Gesamtkunstwerk entwickelt, das zum Image der Südwest-Grünen zu passen scheint: gutbürgerliches Milieu, das gerne arbeitet, aber sich gerne auch was gönnt - ein "moderner Mann", den Frauen, die sich nicht für Fußball interessieren, zumindest aus der Fernsehwerbung kennen. Trotz gelegentlicher Aussetzer, seinem Griff in die Hose bei der EM 2016 zum Beispiel, erreicht sein Ruf immer neue Höhen. Wird er bei der übernächsten Bundesversammlung gleich selbst für den Job kandidieren?

Der Badener Löw kann seinen Dialekt ebenso wenig verleugnen wie der Schwabe Kretschmann, den Löw bestimmt gern zum Bundespräsidenten gewählt hätte. Aber immerhin reist er gerne, anders als Kretschmann. Und eine Wohnung in Berlin hat Joachim Löw, getrennt seit vergangenem Sommer, auch schon.

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Quelle:
SZ vom 11.01.2017
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