Süddeutsche Zeitung

ÖFB-Trainer Ralf Rangnick:Zwickt's mi ins Wangerl

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Bis vor kurzem glaubten nicht einmal die Verantwortlichen beim ÖFB, dass Ralf Rangnick sich für Österreichs Nationalelf interessieren könnte - nun wird er der neue Teamchef. Was hat Rangnick vor?

Von Felix Haselsteiner

Ein wenig wirkten die Herren im Tagungssaal eines Wiener Hotels am Freitagmittag, als wären sie von sich selbst überrascht. Gerhard Milletich, der Präsident des Österreichischen Fußball Verbandes, sprach den Namen des neuen ÖFB-Teamchefs gleich mal vor lauter Nervosität so schnell aus, dass der in diesem feierlichen Moment als "Ralframnik" vorgestellt wurde. Und Sportdirektor Peter Schöttel, sichtlich angefasst von der Bedeutung der Pressekonferenz, konnte gar nicht oft genug betonen, dass es vor einigen Wochen, in Wahrheit wohl auch noch vor ein paar Tagen "unmöglich" gewesen sei, sich überhaupt vorzustellen, dass Ralf Rangnick ab Juni die wichtigste Trainerposition im österreichischen Fußball einnimmt.

Österreich zwickt sich, seit der Kurier bereits vorab von Rangnicks Entscheidung pro Austria berichtete, ein bisserl ins eigene Wangerl über die Verpflichtung eines so bedeutenden Trainers. Dass jemand, der gerade noch am Donnerstagabend im Old Trafford durch ein Tor von Cristiano Ronaldo 1:1 gegen Chelsea gespielt hat, demnächst am ORF-Mikrofon Fragen beantworten wird, das hielten die wenigsten für möglich - offenbar nicht mal diejenigen, die Rangnick verpflichteten.

Schöttel jedenfalls berichtete, er habe ihn zwar von Anfang an im Hinterkopf gehabt, aber erst mal nicht angerufen, sondern sich mit den üblichen Verdächtigen beschäftigt: Peter Stöger und Vladimir Petkovic, auch Andreas Herzog war selbstverständlich im Rennen. Dann aber besorgte sich Schöttel doch von Christoph Freund, Sportdirektor bei RB Salzburg und daher gut vertraut mit Rangnick, dessen Telefonnummer. Obwohl er nicht überzeugt war, dass Rangnick die Aufgabe Österreich interessieren könnte: "Da habe ich mich mal so richtig getäuscht", sagte Schöttel nun.

In Österreich startet Rangnick ein Projekt, das dem von Manchester United gar nicht unähnlich ist

Denn Rangnick habe definitiv "Lust", auf mindestens zwei Jahre als Nationaltrainer. Qualifiziert sich Österreich für die EM 2024, verlängert sich der Vertrag automatisch. Das Turnier in Deutschland ist einer der Faktoren, die das Projekt für Rangnick reizvoll machen. Man habe ihn nicht "mit Geld" überzeugt, sondern "mit Atmosphäre", sagte Schöttel. Ins Gewicht fällt auch, dass der ÖFB Rangnick gestattet, von Juni an im Nebenberuf auch bei Manchester United tätig zu bleiben. Gemeinsam mit dem neuen Chefcoach Erik ten Hag will er als sportlicher Berater den Wiederaufbau von United konzeptionell forcieren. Und bis 22. Mai bleibt er erst mal Interimscoach der Engländer, erst danach wird er sich mit den (Un-)Tiefen des Austro-Fußballs beschäftigen. Das alles sei eine "kreative Lösung", hieß es.

In Österreich startet Rangnick ein Projekt, das dem in Manchester gar nicht unähnlich ist: Ein Kader mit hoher individueller Qualität steht zur Verfügung, nur funktioniert das Ganze nicht immer als Ensemble; im Hintergrund glaubt jeder alles besser zu wissen - und es fehlt eine strukturelle Langfrist-Planung. Die soll Rangnick nun liefern - mit talentierten Österreichern, von denen er zahlreiche aus seiner Zeit bei Red Bull kennt. Von 2012 an begründet er in Salzburg das RB-Erfolgsmodell der Neuzeit. Vor allem in Fachkreisen genießt Rangnick deshalb in Österreich bis heute einen sehr guten Ruf.

Seine erste Aufgabe vor den Nations-League-Partien im Juni gegen Kroatien, Dänemark und Frankreich dürfte allerdings Erwartungsmanagement sein. Am Freitag, als der Vorgestellte selbst noch gar nicht da war, wurde schon mal von "Aufbruchstimmung" geredet. Die suchte man im österreichischen Fußball zuletzt vergeblich.

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