Süddeutsche Zeitung

Manchester United in der Champions League:Gleich ein Endspiel zum Einstand

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Michael Carrick ist der nächste Ex-United-Profi, der Manchester auf Kurs bringen soll. Doch schon vor seinem ersten Spiel als Cheftrainer in der Champions League gibt es Vorbehalte gegen den langjährigen Assistenten.

Von Sven Haist, London

Bei der Besetzung des Trainerpostens wird Manchester United auf ehemalige Spieler aus dem eigenen Betrieb wohl auf absehbare Zeit immer zurückgreifen können. Die Liste an Profis, die aus der Schule des 2013 zurückgetretenen, 27 Jahre amtierenden Erfolgstrainers Alex Ferguson stammen und sich mittlerweile selbst als Teamchefs versuchen, lässt sich kaum überblicken. Fast alle vereint jedoch der essenzielle Makel, dass ihre bisherigen Engagements nur von überschaubarem Erfolg geprägt waren.

Zu den bekanntesten Vertretern gehören die früheren Weltklassespieler Gary Neville und Roy Keane, die momentan die Chefkritiker ihres einstigen Klubs geben. Ihr früherer Mitspieler Ryan Giggs, demnächst wegen häuslicher Gewalt vor Gericht, durfte sich 2014 sogar kurzzeitig bei United beweisen. Genauso wie der am Sonntag freigestellte Ole Gunnar Solskjaer, dessen Siegtor im Champions-League-Finale 1999 unvergessen ist. In den vergangenen drei Jahren versuchte sich der Norweger in den Fußstapfen seines Mentors Ferguson - und musste feststellen, dass sie zu groß sind. Als Nachfolger für Solskjaer hat United vorerst den nächsten Ferguson-Zögling nominiert: Michael Carrick, 40, langjähriger Mittelfeldstratege des Klubs (464 Spiele).

Manche sagen, Carrick würde United auf dem Platz mehr helfen als an der Linie

Noch bevor Carrick allerdings sein erstes Spiel als Cheftrainer mit United bestritten hat, gibt es schon Vorbehalte gegen seine vorübergehende Beförderung. Wie seine zwei Adjutanten Kieran McKenna und Mike Phelan (ebenfalls früherer United-Spieler) gehörte auch Carrick zum Stab des gescheiterten Solskjaer, der für die jüngsten vier Niederlagen in fünf Ligaspielen seltsamerweise allein büßen musste. Sofern ihm seine Kollegen nicht ihr Wissen vorenthalten haben (wovon dem Vernehmen nach nicht auszugehen ist), fragt sich, was sich jetzt mit Carrick in leitender Position am Auftreten des Teams ändern soll.

Dabei müsste sich dringend etwas ändern: An diesem Dienstag spielt Manchester beim FC Villarreal ums Weiterkommen in der Champions League. Bei einer Niederlage von ManU und einem gleichzeitigen Sieg von Atalanta Bergamo gegen die Young Boys Bern stünde United vor dem Aus nach der Vorrunde. Bereits in der Vorsaison scheiterte man in der Gruppenphase an Paris Saint-Germain und RB Leipzig. Auf der Insel heißt es, dass Carrick mit seiner Umsicht und Ballfertigkeit, die er nach seinem Rückzug 2018 teils im Training unter Beweis stellt, auf dem Platz mehr weiterhelfen würde. Nach wie vor krankt United an einem fehlenden Rückgrat im Mittelfeld - und einem visionären Fußballkopf im Management.

Zinédine Zidane lässt sich wohl nicht zu einem Engagement während der Saison überreden

Um die Expertise des zwölfköpfigen Vorstands zu erweitern (darunter die sechs Anteilseigner der US-amerikanischen Glazer-Familie), entschloss sich Manchester nach langwieriger Suche im Frühjahr, die neu geschaffene Position des Fußballchefs intern mit dem aufgerückten John Murdough zu besetzen und ihm Darren Fletcher (wiederum ein Ex-United-Profi) als Technischen Direktor zur Seite zu stellen. Doch an der offenkundigen Ausrichtung, nur von jetzt auf gleich zu denken, hat sich wenig verändert. Einmal mehr scheint nun, kurioserweise, der seit 2013 tätige Geschäftsführer Ed Woodward die Trainersuche zu verantworten, obwohl er mit seinen bisherigen Entscheidungen jeweils danebenlag und zum Jahresende zurücktritt.

Nachdem sich der im Verein favorisierte Zinédine Zidane nicht zu einem Engagement während der Saison überreden zu lassen scheint und der in Paris angestellte Mauricio Pochettino, wenn überhaupt, frühestens zur neuen Saison verfügbar wäre, versucht United mit aller Gewalt, den begehrten Nordiren Brendan Rodgers sofort aus dessen Vertrag beim kriselnden Leicester City (zuletzt 0:3 gegen Chelsea) herauszukaufen. Bis eine Einigung erzielt ist, darf erst mal Michael Carrick ran.

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