Süddeutsche Zeitung

Fußball:Infantino zerstört das Rest-Image der Fifa

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Der neue Fifa-Präsident geht noch radikaler gegen Kritiker vor als sein Vorgänger Sepp Blatter. Damit ignoriert er die heikle Lage des Verbandes - die Geduld der US-Justiz könnte bald zu Ende sein.

Kommentar von Thomas Kistner

S epp Blatter light. So ist der Schweizer Gianni Infantino oft genannt worden, seit er vor gut einem Jahr das Präsidentenamt im Fußball-Weltverband Fifa übernommen hat. Inzwischen stellt sich die Frage, ob dem 47-Jährigen diese Bezeichnung noch gerecht wird. Der Funktionär, der wie Blatter aus den Walliser Alpen stammt, reißt die Regie über den Weltfußball so rasch und ruppig an sich, dass die Affären des Vorgängers verblassen.

Beim Fifa-Kongress in Bahrain entledigt sich Infantino gerade aller interner Kritiker und Gegner. Während Blatter in seinen 18 Jahren als Präsident aber meist mit feiner Klinge focht, führt Infantino beidhändig das Schwert. So überrascht zwar nicht, dass er nun die beiden Vorsitzenden des unbequemen Fifa-Ethikkomitees hinauswarf - wohl aber die Machtdemonstration, die diesen Coup begleitete: Infantino präsentierte seinem Fifa-Rat einfach neue Namen, die den Zürcher Chefermittler Cornel Borbely und den Münchner Richter Hans-Joachim Eckert ersetzen sollen. Ende der Debatte. Auch der Portugiese Miguel Poiares Maduro, der Chef des Fifa- Governance-Komitees, muss gehen.

Die "Vergehen" der Geschassten? Maduro, einst Generalanwalt am Europäischen Gerichtshof, hatte es gewagt, den russischen Vize-Premier und Fußballchef Witalij Mutko wegen Interessenskonflikten aus dem Fifa-Vorstand zu verbannen. Eckert und Borbely wiederum waren es, die Blatter und Michel Platini, den langjährigen Förderer Infantinos im Europa-Verband Uefa, wegen eines dubiosen Millionendeals aus dem Fußball entfernten. Gemessen an ihrem Auftrag, die Fifa in eine transparentere Zukunft zu führen, haben die drei Juristen also ganze Arbeit geleistet. Und genau deshalb müssen sie jetzt weg.

Infantino ignoriert die kritische Lage

Damit ramponiert Infantino nicht nur das Rest-Image der Fifa, sondern er ignoriert auch die kritische Lage, in der sich der Weltverband befindet. Dutzende Strafverfahren laufen rund um die Fifa. Die US-Justiz ermittelt auf der Basis des Anti-Mafia-Gesetzes "Rico", immer mehr Funktionäre kommen in Haft. Bei den Ermittlungen genießt die Fifa den Status eines Opfers - weil sich die korrupten Sachwalter des Fußballs formal betrachtet ja an Fifa-Geld bereicherten. Aber die US-Justiz kann dies jederzeit in einen "Täter"-Status ändern. Und sie hat klar dargelegt, wann es so weit wäre: Falls die Fifa-Spitze nicht glaubwürdig vermittelt, dass sie Reformen, Transparenz und gute Geschäftsführung pflegt.

Nun zeigt der Handstreich von Bahrain: Die Fifa schert sich weder um Transparenz noch um integre Abläufe. Infantino ist der Sonnenkönig - und keineswegs nur eine Art Aufsichtsratschef, was er nach dem reformierten Regelwerk eigentlich sein sollte. Seit 2016 ist die Macht bei der Fifa formal in das hauptamtliche Generalsekretariat verschoben. Tatsächlich berief Infantino einfach eine ihm genehme Figur in diese Schlüsselposition: die UN-Entwicklungshelferin Fatma Samoura. Die fachfremde Senegalesin konnte, wie erwartet, als Fifa-Chefin nie ein Profil entwickeln. So herrscht Infantino de facto allein.

Ein aktuelles Beispiel dafür: der Fall Ahmad Ahmad. Der Mann aus Madagaskar zählt zu Infantinos engsten Vertrauten. Kürzlich wurde er zu Afrikas Fußballchef gekürt, obwohl E-Mails vorliegen, die ihn mit Schmiergeld in Verbindung bringen. Die Sache hätten die Ethiker alsbald angepackt, und sie wollten auch prüfen, ob Infantino selbst - regelwidrig - an Ahmads Kür mitgewirkt hat. Derlei Ärger hat der Fifa-Patron jetzt vom Hals. Hunderte Fifa-Verfahren liegen brach, die neue Chefermittlerin aus Kolumbien muss sich erst einmal ins Schweizer Recht einarbeiten.

Schon geklärt ist hingegen, welcher Part Sepp Blatter in der endlosen Skandalchronik des Weltfußballs gebührt: Er war Infantino light.

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Quelle:
SZ vom 11.05.2017
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