Süddeutsche Zeitung

Fußball:Fifa prüft Dopingverdacht gegen russische Fußballer

Lesezeit: 2 min

Von Thomas Kistner, München/Moskau

Hinter Russlands Kulissen ist nicht nur die Bestürzung über den frühen Confed-Cup-K.o. groß. Am Sonntag bestätigte der Weltverband Alarmierendes: Die Fifa überprüft Dopingvorwürfe gegen russische "Fußballer, die im sogenannten McLaren-Report erhoben werden". Zu Spielern, teilte die Fifa der SZ mit, könne sie sich im laufenden Prozess nicht konkret äußern. Kurz zuvor hatte die englische Mail on Sunday berichtet, dass sämtliche 23 Spieler des russischen Kaders bei der WM 2014 sowie elf weitere Kicker auf der Verdächtigenliste der Welt-Anti-Doping-Agentur stünden.

Auch die Wada untersucht ein nach Aktenlage staatlich orchestriertes Doping in Russland, ermittelt hat es der kanadische Sportrechtsexperte Richard McLaren. Auf Nachfrage, ob WM-Spieler oder der ganze WM-Kader 2014 im Fokus stünden, hielt sich die Fifa bedeckt. Jedoch legt die Recherche im verklausulierten McLaren-Report den Verdacht nahe, dass für den gesamten WM-Kader Anfang Juni 2014 eine Art Sicherheitscheck vorgenommen wurde. Die Aufregung ist gewaltig: Im Europa-Verband Uefa hieß es, man beobachte die Sachlage und wolle vorerst nichts sagen.

Die Situation in Russland spitzt sich dramatisch zu, ein Jahr vor der Heim-WM. Die Frage, wie in der kurzen Zeitspanne eine äußerst mediokre Sbornaja in einen WM-Titelfavoriten verwandelt werden kann - wie es die russische Staatsführung unter Präsident Putin wiederholt öffentlich gefordert hat -, mischt sich mit der Pharma-Problematik. Denn aus dem McLaren-Report sind heikle Sachverhalte bekannt: Verdachtsfälle in Bezug auf 34 Fußballer im Land. Verdächtige Proben in der Kickerzunft soll es zudem noch weit mehr geben, nach SZ-Informationen mehr als 100.

Das britische Blatt beruft sich unter anderem auf E-Mails des früheren Moskauer Dopinglabor-Chefs. Darin habe der im Jahr 2015 in die USA geflohene und zum Whistleblower konvertierte Grigori Rodschenkow über Positivbefunde kommuniziert, deren Verschwinden angeblich auf staatlicher Ebene angeordnet worden sei. So soll Rodschenkow in einer Mail einen Kollegen gefragt haben, ob "auch Rudern im ministeriellen Programm" sei.

Verdacht auf Systemdoping gab es in Russlands Fußball schon früher

Russland hat ein staatlich gelenktes Doping stets scharf dementiert. Diese Haltung nahm Sportminister Witali Mutko auch am Sonntag in Bezug auf die Vorwürfe gegen den WM-Kader 2014 ein. Den britischen Bericht tat er als "Blödsinn" und Teil einer Kampagne ab, die Sbornaja werde ständig kontrolliert: "In unserem Fußball", zitierte ihn die Agentur Tass, "gab es nie Doping und wird es nie Doping geben."

Diese Aussage des russischen Fußballchefs und Vize-Premiers verwundert nicht nur eingedenk der massiven Verdachtslage des McLaren-Reports. Sie ist falsch, auch im Hinblick auf den russischen Fußball. Der hatte schon einmal, in den Nullerjahren, mit einer aufkeimenden Systemdoping-Debatte zu kämpfen. Im November 2003 war Nationalspieler Jegor Titow nach einem EM-Qualifikationsspiel mit Bromantan geschnappt worden. Dieses Stimulans und Maskierungsmittel hatte es, wie einige andere Substanzen aus Altbeständen der Sowjet-Armee, ins blockfreie Dopingzeitalter geschafft.

Es gibt schon Dopingfälle im russsichen Fußball

Russische Medien witterten damals vernetzte Umtriebe im Fußball. Sie erinnerten daran, dass nur zwei Monate zuvor, vor einem Länderspiel gegen Irland, alle Profis von Spartak Moskau aus dem Team zurückgezogen worden waren. Im Zuge der Debatte erzählten die Spartak-Spieler Wladislaw Waschtschuk und Maxim Demenko von der Teilnahme an einem Dopingprogramm. Demenko wusste von weißen Pillen für die Stammspieler, der Kollege von Ärzten, die Verbotenes per Tropf verabreicht hätten.

2009 trat Stadtrivale ZSKA Moskau in Erscheinung: Alexej Beresuzki und Sergej Ignaschewitsch, zwei Nationalspieler, wurden nach einer Champions-League-Partie bei Manchester United positiv getestet und vorübergehend gesperrt. Auslöser war ein meldepflichtiges Stimulans. Das Duo war auch 2014 in Brasilien dabei.

Und Russland-Ermittler McLaren? Der hat nicht nur selbst von elf verschwundenen Dopingproben in Russlands Fußball berichtet, sondern auch von vielen Verdachtsfällen - bis hinunter in die U17- und U21-Auswahlteams.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.3560099
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 26.06.2017
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.