Süddeutsche Zeitung

FC Bayern in der Einzelkritik:Lewandowski sorgt für panische Anfälle

Lesezeit: 4 min

Der Pole piesackt den BVB mit seiner schieren Präsenz. Kingsley Coman beweist, dass er kein Schönwetterkicker ist und Thomas Müller bereitet ein echtes Mentalitätstor vor. Die Bayern in der Einzelkritik.

Von Jonas Beckenkamp

Manuel Neuer

Ist ein Torwart, der Ausflüge liebt und so freute er sich auch über den Roadtrip ins Ruhrgebiet, seine Geburtsstätte liegt ja wenige Kilometer vom Dortmunder Stadion. Hatte eine knallorange Garderobe gewählt, was sich hübsch biss mit den gelben Borussen. Klärte zweimal weit vor seinem natürlichen Habitat, da grölten manche im Stadion noch "You'll never walk alone". War dann chancenlos gegen Brandts Eindringen und wirkte so verdutzt, dass sogar sein berüchtigter Reklamierarm erstarrte. Beim 2:2 von Haalands Präzisionsball geschlagen, da gab es erneut nichts zu Reklamieren.

Benjamin Pavard

Liebt vor allem die Position des Innenverteidigers, doch als solchen liebt ihn Trainer Nagelsmann nicht so sehr. Ist mit seinen Ausflügen als Rechtsverteidiger nicht immer erfolgreich, weil ihm manchmal das Tempo fehlt. Versuchte nach einer Ecke einen Kunstschuss mit Links, doch der flog Richtung BVB-Fanshop. Auf seiner Seite ohne großen Glanz und letztlich beim 2:2 auch nur Zuschauer. Arbeitet weiter daran, ein explosiver Außenverteidiger zu werden, denn seine Impulse blieben auch diesmal überschaubar.

Dayot Upamecano

Sollte im Verbund mit den Abwehrkollegen die Ausflüge eines gewissen Haaland stoppen, was in etwa so einfach ist, wie einen australischen Roadtrain im Outback zum Stehen zu bringen. Lieferte sich einige Laufduelle mit dem Norweger, bei denen enorme Fliehkräfte zu Tage traten. Ging nicht aus allen als Gewinner hervor, aber das kommt beim Sparring mit Haaland vor. Beim 2:2 muss man ihm den Vorwurf akuter Sorglosigkeit machen: Klärte den Ball mit der Brust direkt zum Gegner, das sah natürlich blöd aus. Rasselte mit Brandt beim Kopfball zusammen, was nicht nur blöd aussah, sondern richtig gefährlich war. Insgesamt also eher "comme ci, comme ca" an diesem Abend.

Lucas Hernandez

Bayerns verbissenster Zweikämpfer ist einem Ausflug ins Gefängnis knapp entkommen und kann sich nun ganz darauf konzentrieren, andere an die Kette zu legen. Das gelang aber vor allem beim 0:1 nur leidlich: Da lief er kreuz und quer durch den Sechzehner und grätschte letztlich vergebens hinter Brandt her. Hatte sich offenbar vorgenommen, zum Meister der Rückpässe zu werden und fütterte Neuer munter mit Zuspielen. Lieferte sich dann ein Tête-à-Tête mit Haaland und schließlich eine elferwürdige Szene mit Reus - doch der Pfiff blieb aus. Ging in einer Phase verletzt vom Feld, als sich beinahe im Minutentakt einer wehtat.

Alphonso Davies

Weil hier ja von Ausflügen die Rede ist: Seine Reise aus seinem Geburtsort Buduburam in Ghana über die kanadische Prärie bis in die Bayern-Stammelf bildet bekanntlich eine Cinderella-Story. Hätte seine Reise beim 0:1 ruhig noch fortsetzen können, blieb aber fatalerweise hinter allen Dortmundern zurück und ließ sich überrumpeln. Verantwortete einige Löcher auf seiner Seite und hatte generell Probleme im Rückwärtsgang, wie auch seine Zurückhaltung beim 2:2 bewies. Nach vorne dagegen ein Gewinn: rasanter Sprint samt Querpass vor dem 2:1.

Corentin Tolisso

Machte ausnahmsweise einen Ausflug in die Startelf. Ist leider viel zu oft verletzt, um die geschätzten 41,5 Millionen Euro zu rechtfertigen, die er mal kostete. Doch diesmal war Not am Mann, deshalb kramte Nagelsmann ihn aus der Mottenkiste. Im Mittelfeld mit strategischen Aufgaben bedacht, die er passabel löste. Verpasste Reus einen französischen Fußfeger, für den andere schon ein Kärtchen sahen. Konnte dem Bayern-Spiel in der heißen Phase aber nicht die Ruhe verleihen, die sonst Joshua Kimmich (Ausflug in die Quarantäne) versprüht. Und in der Schlussphase auch nicht das verwaiste Dortmunder Tor treffen. Hätte Kimmich bestimmt auch besser gemacht.

Leon Goretzka

Bochumer Jung', Herzschlag aus Stahl, wisst ihr Bescheid - klar, dass so einer sich zur Exkursion nach Dortmund nicht von seiner Patellasehne aufhalten lässt. Wurde gerade so fit, sonst hätte im Zentrum Personalknappheit gedroht. Zeigte sein Offensiv-Gen mit mehreren Vorstößen bis in die Gefahrenzone, kombinierte clever mit Müller und trotzte dem Pöhlerwetter im Pott. Hatte im allgemeinen Gerangel praktischerweise seinen Körper dabei, was dem Bayern-Spiel extrem half. Zeigte erstaunliche Widerstandskraft, ist in Kimmichs Abwesenheit noch unersetzlicher als sonst.

Kingsley Coman

Dribbelte munter durch den Herbst, doch jetzt ist Winter, da muss ein Samtfuß wie er erst mal die Technik justieren und auf Betriebstemperatur kommen. Beschäftigte Dortmunds linke Seite mit seinem gewohnten Mix aus Instinkt, Tempo und Unberechenbarkeit. Profitierte beim 2:1 vom Riesenkuddelmuddel des BVB und seiner eigenen Reaktionsschnelligkeit. Bewies, dass er wahrlich kein Schönwetterfußballer, sondern vielmehr einer für alle Lagen ist. Seine Antritte sind auch nach seiner Herz-OP weiterhin elitär.

Thomas Müller

Ist immer auf Betriebstemperatur, egal ob Kaiser- oder Sauwetter, egal ob Dortmund oder Weihnachtsfeier bei "de rodn Waginga". Klaute Hummels beim 1:1 wie ein Basketballer mit einem "Steal" den Ball im Spielaufbau und legte Lewandowski dann per "Assist" einen Fastbreak-Treffer auf - ein echtes Mentalitätstor im Lauf- und Kopfduell mit Hummels. Ist nach gesicherten Erkenntnissen aber immer noch Fußballer, schließlich hatte er seine unergründlichen Haxen immer irgendwie im Spiel. Die Waginga würden nach diesem Spiel sagen: A Hund isser scho!

Leroy Sané

Falls manche ihn immer noch für einen Luftikus halten: Diese Zeiten sind eindeutig vorbei. Hat sich längst eine neue Autorität als Zehner angeeignet und entscheidet neuerdings Spiele. Knallte einen Fernschuss von gemeingefährlicher Schärfe knapp vorbei, drehte seine Runden durch die Mitte und war stets als Antreiber bemüht. Fand nach der Pause nicht immer die richtigen Wege und wunderte sich, dass manches an ihm vorbeilief. Musste dann trotz aller Autorität raus, als er endgültig kaum mehr zu finden war.

Robert Lewandowski

Seine Dienstreise nach Paris endete unter der Woche mit einem enttäuschenden zweiten Platz beim Ballon d'Or. Zweiter? Das kennt er eigentlich gar nicht und deshalb ist davon auszugehen, dass er halt demnächst 50 Tore in einer Saison schießt. Schoss Nummer 15 so trocken wie ein Vollstreckungsbeamter. Sorgte mit seiner Präsenz für panische Anfälle in der BVB-Deckung, die manchmal einfach nur die Bälle vor ihm wegbolzte. Legte seine ganze Eiseskälte in den Elfer zum 3:2, Saisontor Nummer 16, und spätestens da war klar: Sind die eigentlich noch ganz bei Trost beim Ballon d'Or?

Einwechselspieler

Serge Gnabry kam für Sané, als der sich ein wenig leer gelaufen hatte. Jamal Musiala durfte für Goretzka herein und Niklas Süle ersetzte Hernandez, als der sich weh getan hatte.

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