Süddeutsche Zeitung

Fußball: 1. FC Köln:Wahrzeichen im Fußballdress

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Lukas Podolski ist ein glücklicher Heimkehrer, mit der Erwartungshaltung der Kölner geht er geschickt um. Bisweilen nimmt der Hype um ihn Ronaldo-Ausmaße an.

Philipp Selldorf

In ein paar Wochen sind Kommunalwahlen in Köln, das Ordnungsamt hat den Parteien das Aufstellen von 28.000 Wahlplakaten genehmigt. Viele Kölner meinen, dass das 28.000 Genehmigungen zu viel sind, die einfallslose Propaganda geht den meisten Leuten auf die Nerven, zumal da sie die Verteilung der Werbeträger für völlig unverhältnismäßig halten. Sie fragen: Warum gibt es 9000 Plakate vom SPD-Bewerber Jürgen Roters, aber nur 2000 vom FC-Spitzenkandidaten Lukas Podolski?

Podolski, 24, würde die Wahl am 30. August trotzdem ohne Anstrengungen gewinnen, aber der Angreifer des 1.FC Köln steht zur Zeit noch nicht zur Abstimmung. Besagte 2000 Plakate zeigen ihn als Kopf der Kampagne einer Solartechnikfirma, deren Slogan von wahlkampfwürdiger Einfalt ist: "Sonne schöne Stadt" heißt er, aber die schiefe Poesie fällt kaum auf, weil sich alle Blicke auf Podolski richten, der vor dem Hintergrund der Domtürme die Sonne wie einen Ball jongliert.

Eine zeitgemäße Kölner Trinität ist das: Die lebensspendende Sonne, die heilige Kirche und der Mann vom Geißbockheim, der sich anschickt, dem Dom als Wahrzeichen der Stadt Konkurrenz zu machen.

Dieser Erwartungshaltung könne kein Mensch gerecht werden, hat Uli Hoeneß gemutmaßt, nachdem er im Januar mit dem Kölner Kollegen Michael Meier den Transfer Podolskis nach Köln verabredet hatte. Der Münchner Manager hatte mit der Erfahrung aus bald 40 Jahren Bundesliga festgestellt, dass kein Spieler von seinem Publikum solche Verehrung erfahren habe wie Podolski in Köln, "es hat im deutschen Fußball noch nie so ein Phänomen gegeben". Auf die Möglichkeit, den jungen Mann vor dieser überwältigenden und gefährlichen Liebe zu schützen, verzichtete Hoeneß jedoch, und nebenbei verzichtete er wohl auch auf eine Menge Geld, denn Angreifer werden hoch gehandelt.

Er hätte mehr einnehmen können als die zehn Millionen Euro, die der FC bezahlt. Podolski ist Hoeneß dankbar dafür, dass er sich nicht um Gewinnmaximierung bemüht hat, dass er nicht mal versucht hat, ihn zu einem anderen Wechsel zu überreden (was dem Münchner Manager aber auch nicht gelungen wäre). Die Zuschauer im Kölner Stadion und vor den Fernsehern werden am Freitagabend von dieser Verbundenheit sicherlich ein Bild erhalten, wenn Podolski mit dem 1. FC Köln den FC Bayern zum Ablösespiel begrüßt. Und Hoeneß wird erfahren, dass es keinen Grund zur Sorge gibt: Podolski ist - bis jetzt - ein glücklicher Heimkehrer.

47.000 Karten hat der Klub für diese Testpartie verkauft, auch die Dauerkartenbesitzer bezahlen extra, dabei hatten sie bereits erhöhte Preise für ihre Abonnements hinnehmen müssen. Trotzdem habe sich niemand beschwert, staunt FC-Manager Meier. Die Leute scheinen der Meinung zu sein, dass sie für einen guten Zweck spenden, nämlich für die Rückführung ihres verirrten Landsmanns, und letztlich entsprechen die gestiegenen Tarife den gestiegenen Ansprüchen.

Mehr Leibwächter als Ronaldo

Niemand verlangt zwar den Einzug in den Europacup - Podolski erklärte Platz zehn für wunschgemäß -, aber man freut sich in Köln zumindest auf besseren Fußball. Außer auf den Heimkehrer aus München und den Anfang der Woche verpflichteten Edel-Profi Maniche richten sich die Hoffnungen auf den neuen, hyperseriösen Trainer Zvonimir Soldo. Die Trauer über den Abschied von dessen Vorgänger Christoph Daum hält sich in Grenzen, im Profikader sowieso.

Den Platz, den der notorische Hauptdarsteller Daum in den Medien eingenommen hat, füllt nun Podolski. Allerdings eher durch Pflichterfüllung als durch Neigung. Seine - nicht zuletzt in München erworbene - Professionalität und der Instinkt sagen ihm, dass er sich jetzt nicht entziehen darf. Vor allem die Boulevardpresse greift alles auf, was er tut und nicht tut, "da werden jeden Tag neue Schlachten geschlagen", weiß ein ständiger Begleiter.

Podolski bedient Erwartungen, stellt sich aber nicht in den Mittelpunkt, um seine Integration ins Team nicht zu gefährden. Zumal er auch auf das Publikum, besonders das jüngere, magnetisch wirkt. Bei den ersten Testspielen im Kölner Umland brauchte er mehr Leibwächter als Cristiano Ronaldo in Madrid, damit ihn die Massen nicht erdrückten. Seine Ausdauer beim Autogrammeschreiben und Posieren für die Kameras ist jedoch beachtlich.

Privat weiß sich Podolski abzuschirmen. Er hat ein Haus in Stadionnähe bezogen, seine alte Heimat im benachbarten Kreis Bergheim wäre ihm wohl doch zu eng geworden. Man kann ihm beim Einkaufen in der Stadt oder beim Essen in einem Restaurant begegnen, aber niemand trifft ihn abends in der Bar oder in der Disco, solche Orte meidet der Anti-Alkoholiker. Mit dieser skandalfreien Lebensart taugt er tatsächlich zum Bürgermeister-Kandidaten.

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SZ vom 24.07.2009
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