Süddeutsche Zeitung

Friedhelm Funkel bei 1860 München:Ankunft im wundersamen Land

Lesezeit: 3 min

Das erste Training von Friedhelm Funkel beim TSV 1860 München bringt gleich erste Erkenntnisse. Der neue Übungsleiter klärt die Kapitänsfrage - die Spieler seiner U21 will er aber erst nächste Woche sichten.

Von Philipp Schneider

Die Fans stehen wirklich überall, als sich Friedhelm Funkel auf den Weg macht in Richtung des Pressecontainers, und natürlich ist das ein gutes Zeichen. So viele Fans hat einer ja schon lange nicht mehr gesehen an der Grünwalder Straße in Giesing. "Was ist da normal drin?", fragt Funkel, er meint: in dem Container. Ja, nichts, erklärt ihm jemand. Hin und wieder seien dort eben Journalisten drin, die dann ganz viel wissen wollen, und im Winter, das werde Funkel hoffentlich auch noch merken, werde es mitunter richtig kalt im Container.

"Wie, ist der nicht beheizt?", fragt Funkel. Doch, doch, das schon, sagt ihm einer. Aber er werde schon sehen. Und dann staunt Friedhelm Funkel, 59 Jahre alt, einer der meistgereisten Trainer im deutschen Profifußball. An seinem ersten Arbeitstag im wundersamen Land, beim Fußball-Zweitligisten TSV 1860 München, den Funkel nun nach fast zehn Jahren Abwesenheit in die Bundesliga zurück zu führen gedenkt.

Zwei Trainingseinheiten täglich hat Funkel der Mannschaft zu Beginn seiner Amtszeit verordnet, und am Montagmorgen, zum Auftakt, ließ er zunächst einmal seinen Assistenten Markus von Ahlen die Übungen erklären. Auf dem Nebenplatz hatte von Ahlen einen großen Parkour abgesteckt, viele Stangen und metallische Spielerimitate ermöglichten die mannigfaltigsten Übungen. "Im Training war jetzt nichts Neues", befand Mittelfeldspieler Yannick Stark anschließend, aber "unser Trainer weiß, wie es im Fußballgeschäft abgeht. Und er hat eine sehr klare Ansprache."

Funkel stand dabei meist mit verschränkten Armen auf dem Platz, er ließ die Spieler um sich kreisen, er beobachtete und machte sich Notizen. Denn klar, er befindet sich ja noch in der Phase des Kennenlernens, und so konnte er auch alle in die Tiefe weisenden Fragen nach der Zukunft der Mannschaft zunächst ins Leere laufen lassen. "Ich will jetzt mit den Spielern erst einmal sprechen", erklärte Funkel vier Tage vor dem Ligaspiel beim VfR Aalen am Freitag. Nicht mit jedem, dafür sei die Zeit zu knapp, dafür aber "mit den Erfahrenen, mit denen, die schon viel erlebt haben".

In diese Kategorie fällt gewiss auch Necat Aygün. Jener 33-jährige Innenverteidiger, der von Funkels Vorgänger Alexander Schmidt einst nach seiner Vertragsverlängerung in Sechzigs Nachwuchsmannschaft abgeschoben wurde (was damals für einige Empörung unter den Fans gesorgt hatte). Aygün fehlte am Montag auch bei Funkels Training mit den Profis, "in der nächsten Woche" aber, sagte Funkel, "will ich mir auch mal die U21 anschauen". Schaden kann das nicht, schließlich gibt es dort einige nicht untalentierte Spieler zu sehen, die schon bald den Sprung in die erste Mannschaft schaffen könnten.

Auch auf das künftige taktische System der Löwen habe er sich noch nicht festgelegt, sagte Funkel, viele Varianten seien denkbar. "Es gibt ein 4-2-3-1, ein 4-4-2, ein 4-1-4-1", sagte er, sicher sei eigentlich nur: "Wenn wir denn mit zwei defensiven Mittelfeldspielern spielen, dann ist einer von ihnen offensiver ausgerichtet." Das war allerdings auch bei Trainer Schmidt schon so, torgefährlich war die Mannschaft trotzdem nicht, was auch Funkel aus der Ferne aufgefallen ist.

"Natürlich" werde er nun mit seinen Spielern "am Torabschluss arbeiten", versprach der neue Trainer, und das ist ja wirklich nicht die schlechteste Idee. Welche Stürmer ihm künftig die Liebsten sein werden, das konnte Funkel noch nicht sagen. Aber dass die übertriebene Rotation in der Offensive einer der Kritikpunkte an Schmidt gewesen ist, wird ihm nicht entgangen sein.

Auch Stürmer Benjamin Lauth, der sich ja zuletzt auf der Reservebank wiedergefunden hatte, wusste noch nicht einzuschätzen, wie groß sein Stellenwert bei Funkel sein wird. "Der Trainer hat bisher nur eine Ansprache gehalten und gesagt, wie es bei uns weitergeht", sagte Lauth, "und er hat sein Trainerteam vorgestellt".

Ob er sich denn Hoffnung mache, dass er von Funkel wieder zum Kapitän ernannt werden wird, wurde Lauth noch gefragt. "Nein, warum auch?", sagte Lauth - und vermutlich wird das auch nicht geschehen, denn auch Funkel findet: "Nee, wir haben ja einen Kapitän." Dann war Schluss im Container, allzu viel verraten hatte der neue Trainer noch nicht. Sein erstes Rededuell mit den Journalisten hatte Funkel sozusagen schon einmal gewonnen.

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Quelle:
SZ vom 10.09.2013
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