Süddeutsche Zeitung

Frauen im Sport:Die frohe Botschaft

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Der Frauensport hatte es schwer in der Pandemie, in der er mitunter gänzlich aus dem Blickfeld geriet. Wenn nicht alles täuscht, stehen die Vorboten für 2021 aber günstig.

Kommentar von Barbara Klimke

Kürzlich hat Andy Murray noch einmal dunkle Tage Revue passieren lassen: das Zeitalter der Misogynie im Tennis, die Hundejahre des Sports. Wimbledon-Champion sowie US-Open-Sieger war Murray 2014 bereits, außerdem Goldmedaillengewinner der Olympischen Spiele, und er plante, einen neuen Coach zu verpflichten: diesmal eine Frau, die frühere Weltranglistenerste Amelie Mauresmo. Die Neuigkeit machte die Runde in der Szene, die ersten verstörenden Reaktionen von Kollegen und Trainern trudelten ein. Ob das ein Witz sei, so erinnert sich Murray, wurde er damals gefragt. Eine PR-Aktion für die Medien? Da könne er ja auch gleich verkünden, dass er "darüber nachdenke, mit einem Hund zusammenzuarbeiten".

Mauresmos Engagement dauerte zwei erfolgreich Jahre, von 2o14 bis 2016. Aber weder davor und noch danach, auch das fiel Murray auf, wurden seine seltenen Niederlagen auf dem Platz so häufig in kausalen Zusammenhang zu seinem Coach diskutiert.

Das Jahr 2021 beginnt nun unter weit erfreulicheren Vorzeichen: Erstmals dirigierte in den letzten Dezemberstunden in der Basketball-Profibranche NBA eine Trainerin, Becky Hammon, ein Spiel über die Zeit. Nie zuvor hatte in einer der großen US-Männerligen eine Frau an der Seitenlinie Verantwortung getragen. Zwar durfte Hammon, seit einer kleinen Ewigkeit schon Assistenzcoach bei den San Antonio Spurs, erst im zweiten Viertel nach dem Platzverweis des Cheftrainers übernehmen. Doch es fiel auf, dass die Premiere - anders als bei Mauresmo - nicht von Gebell, Geknurre und Gekläff begleitet war. Im Gegenteil, ihrem Debüt folgte allgemeine Hochachtung aus dem Ballgewerbe.

Die Frauen sind nicht mehr aufzuhalten

Anerkennung für ihre fachlichen Kompetenz ist Hammon also gewiss. Gerade deshalb lohnt die Frage, warum im 21. Jahrhundert noch zwei Jahrzehnte vergehen mussten, ehe auch in diesem Männerbetrieb die zementierte Struktur aufzubrechen beginnt. Ein müßiger Gedanke? Nicht, wenn man ihn, zur Abwechslung, vom anderen Ende her denkt: Denn in den weiblichen Ligen hat das Türschild "Nur für Frauen" bis heute selten einen männlichen Coach davor zurückschrecken lassen, das Kommando auf dem Trainingsplatz zu übernehmen.

Tatsächlich sind die Frauen im Sport, als Solistinnen, im Team, als Trainerinnen, noch immer dabei, ihren historisch bedingten Rückstand aufzuholen. Wie schnell sie weltweit aus dem Blickfeld verschwinden, hat exemplarisch das vergangene Jahr gezeigt. Die Pandemie brachte das Wettkampfgeschehen zunächst komplett zum Erliegen. Stadien schlossen, Hallen wurden abgeriegelt. Danach gelang es fast ausschließlich den finanzmächtigen Mannschaftsligen, den Spielbetrieb wieder aufzunehmen und dauerhaft geöffnet zu halten, um ihr auf Sponsoren- und Fernsehgeld gründendes Geschäft zu retten. Die Frauenligen zählten (mit rühmlicher Ausnahme der Frauen-Fußballbundesliga) größtenteils nicht dazu. Selbst die Frauen-Tennistour, in normalen Jahren ein Millionengeschäft, musste in der vergangenen Saison vorzeitig den Betrieb zusperren. In anderen Sportarten haben die Besten, mangels Wettkampf, so gut wie gar nicht in Erscheinung treten können.

Andererseits, und das ist die frohe Botschaft, sind die Frauen nicht mehr aufzuhalten. Selbst im nordischen Skisport, der Kombination, dürfen sie nun von den Weltcup-Schanzen springen, von denen sie jahrzehntelang weggebissen wurden. Damit ist im olympischen Sport die letzte Männer-Bastion gefallen. Die Hundejahre sind wohl vorüber. Das Jahr 2021 steht, zumindest im chinesischen Kalender, im Zeichen des Büffels. Das sollte ein gutes Zeichen sein.

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