Süddeutsche Zeitung

Fortuna Düsseldorf:Eklig auf dem Debütantenball

Lesezeit: 3 min

Von Ulrich Hartmann, Düsseldorf

Es ist keineswegs so, als verfüge bei Fortuna Düsseldorf bloß Trainer Friedhelm Funkel, 64, über Bundesliga-Erfahrung. Mit 320 Erstliga-Einsätzen als Spieler wäre er im Fortunen-Kader zwar immer noch top, aber der Aufsteiger aus Düsseldorf könnte Samstag zum Saisonstart gegen Augsburg auch ohne ihn theoretisch eine Elf aufbieten, die die Erfahrung von 553 Bundesligapartien aufbringt.

Die Problemzonen dabei: Einer der Torhüter, Michael Rensing oder Raphael Wolf, müsste im Feld spielen, die Formation besäße in Kenan Karaman nur einen echten Stürmer, und die Mittelfeldmänner Oliver Fink, Adam Bodzek und Aymen Barkok brächten es angesichts von Verletzungen nur auf einen äußerst limitierten Aktionsradius. Womit die Realität eine andere ist: Sollte die Startelf gegen Augsburg genauso aussehen wie die Pokal-Elf beim 5:0-Sieg in Koblenz, dann wären sechs Spieler Bundesliga-Debütanten - darunter die komplette Viererreihe im Mittelfeld.

Es ist darum verständlich, dass Funkel seine jungen Profis vor dem Debütentenball stark redet und ihnen übertriebenen Respekt vor der Bundesliga auszutreiben versucht. "Eklig", "unangenehm" und "furchtlos" möge seine Mannschaft spielen. Was klingt wie die klappernde Motivationsrede aus einem alten Ritterfilm, hat Funkels Teams in den vergangenen Jahrzehnten meist geholfen. Fortunafußballer, die eher das geschriebene Wort bevorzugen, finden überdies Zuspruch in ihrer Arbeitskleidung: Bei den drei neuen Trikot-Varianten hat der Klub ein Mal das Wort "Tradition", ein Mal "Heimat" und ein Mal "Mut" in den Kragen nähen lassen. Beim Umziehen können sich verunsicherte Spieler an diesen Schlagwörtern aufbauen.

Bei den bundesliga-unerfahrenen Offensivspielern hat das bislang gut geklappt, auch wenn man den Pokalsieg in Koblenz nicht überbewerten darf. Der aus Kiel gekommene Zweitliga-Torschützenkönig Marvin Duksch hat ein Mal getroffen, mehr Interesse geweckt haben aber die belgischen Flügelstürmer Benito Raman (ein Tor) und Dodi Lukebakio (zwei). Raman, 23, kommt von Standard Lüttich, war länger ausgeliehen und ist mittlerweile fest verpflichtet.

Lukebakio, 20, ist eine Leihgabe vom Premier-League-Klub FC Watford und spielt bislang so stark, dass man sich fragt, warum die Briten ihn hergegeben haben. Rouwen Hennings ergänzt im Zentrum die Offensive. Er hat vor acht Jahren 16 Bundesligaspiele für den FC St. Pauli bestritten. Duksch hat für Borussia Dortmund und den SC Paderborn 15 Mal in der ersten Liga gespielt, Kenan Karaman für Hoffenheim und Hannover 61 Mal - aber alle drei zusammen kommen auf gerade mal sechs Erstligatreffer.

Am entgegengesetzten Ende des Feldes hat Funkel im Tor die Wahl, und nicht nur dort spielt ein ehemaliger FC-Bayern-Fußballer eine Rolle. Rensing, 34, hat 83 Mal für München in der Bundesliga das Tor gehütet, später war er auch beim 1. FC Köln, aber in Düsseldorf war er in der vergangenen Zweitliga-Saison nur zweiter Mann hinter dem aus Bremen gekommenen Wolf, 30. Es dürfte schwer werden für Rensing, saß er doch auch im Pokal in Koblenz auf der Bank.

Deutlich besser stehen die Einsatzchancen für den vormaligen Münchner Diego Contento, 28, der bis 2014 insgesamt 49 Mal für den FC Bayern in der Bundesliga gespielt hat, um danach 78 Mal für Girondins Bordeaux in der ersten französischen Liga aufzulaufen. Das sollte Qualität genug sein, um bei der Fortuna hinten oder weiter vorne links zu spielen. Contento ist hinter Karaman und dem aus Ingolstadt gekommenen Alfredo Morales der bundesliga-erfahrenste Feldspieler im Düsseldorfer Kader. Wie seriös er die Sache angeht, zeigte sich soeben im Training, als er nach einem überharten Zweikampf mit dem Übeltäter Anderson Lucoqui aneinandergeraten war.

Funkel ist das gar nicht unrecht. Er braucht Leidenschaft in einer Mannschaft, die emotionalen Fußball spielen muss, um den Klassenerhalt zu schaffen. An Funkels Erfahrung wird das Projekt jedenfalls nicht scheitern. Mit 459 Bundesligaspielen als Trainer ist er in dieser Saison der erfahrenste Coach vor Gladbachs Dieter Hecking (384) und Dortmunds Lucien Favre (228).

Mit seinem 61. Pokalspiel als Trainer am vergangenen Samstag hat er in der Liste der Trainer mit den meisten Pokaleinsätzen zudem Platz vier erobert hinter Otto Rehhagel (92), Jupp Heynckes (77) und Udo Lattek (76). Sollten sich Zuschauer einmal nicht am neuen Fortunen-Fußball berauschen, dann können sie auf der Bank immerhin noch eine Trainer-Legende bestaunen.

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SZ vom 22.08.2018
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