Süddeutsche Zeitung

Formel 1:Wenn die Alphatiere lauern

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Von Anna Dreher, Monte Carlo

Lewis Hamilton kam als Erster zur Pressekonferenz vor dem Großen Preis von Monaco, sein goldsilberner Schmuck an Hals und Handgelenken glänzte, aber es war nicht sein eigenes Strahlen, das ihn blendete. Manchmal ist das Scheinwerferlicht selbst ihm zu grell, obwohl er sich gerne darin zeigt. Die rosa Basecap half nicht, blinzeln half nicht, also setzte Hamilton eine Sonnenbrille auf und wurde zum Vorbild für seinen größten Konkurrenten. Sebastian Vettel folgte seinem Beispiel. Die beiden viermaligen Weltmeister grinsten erst belustigt die Journalisten an, dann sich selbst, und spätestens als auch Romain Grosjean und Charles Leclerc mit dunklen Gläsern da saßen, wurde deutlich, wer in der Formel 1 gerade das Tempo vorgibt. Nicht nur auf der Strecke.

Die Frage nach Hamiltons noch ausstehender Vertragsverlängerung mit Mercedes kam auf. Und weil das auch in dieser Saison hart geführte Duell an der Spitze Gedankenspiele zulässt, wollte ein Journalist wissen, ob Vettel denn Hamilton nächstes Jahr bei Ferrari willkommen heißen würde. "Er hat ein Veto, das würde also nicht klappen", sagte Hamilton. "Habe ich nicht", antwortete Vettel. "Mir würde das nichts ausmachen. Aber um ganz ehrlich zu sein, ich bin sehr glücklich mit meiner Beziehung zu Kimi", seinem Teamkollegen Räikkönen. Hamilton lachte schelmisch: "Ich glaube, wir haben eine bessere Beziehung, meinst du nicht?" - "Ich weiß nicht", erwiderte Vettel, "vielleicht, wenn wir uns besser kennenlernen würden."

Dass Hamilton sich nach einem schwierigen Saisonstart derzeit in einer komfortableren Situation befindet, wurde in dieser Woche früh deutlich. Vettel steht unter größerem Druck, und so kommt einem Erfolg auf dem 3,337 Kilometer kurzen Stadtkurs von Monaco dieses Jahr eine größere Bedeutung zu als auf der berühmten und prestigeträchtigen Strecke ohnehin schon. Kann Vettel sich wieder in eine bessere Position bringen? Oder zieht ihm Hamilton weiter davon?

Dieses Formel-1-Jahr war mit den Siegen von Vettel in den ersten beiden Rennen zunächst in Ferrari-Rot getüncht, ganz wie sich der 30-Jährige das vorgestellt hatte. Er will endlich den Titel mit der Scuderia holen, auf den Ferrari seit dem Gesamtsieg von Räikkönen vor elf Jahren sehnsüchtig wartet. Doch in China, Aserbaidschan und Spanien verpasste Vettel das Podium. Die Formel 1 trägt jetzt Silber. Hamilton gewann in Barcelona vor zwei Wochen seinen zweiten Grand Prix dieser Saison - und zwar mit 20 Sekunden Vorsprung auf seinen Teamkollegen Valtteri Bottas. Mercedes zeigte sich wieder in der dominanten Form der vergangenen Jahre. Statt wie zuvor mit 17 Punkten die Wertung anzuführen, liegt Vettel nun mit 17 Punkten auf Hamilton zurück.

Die Strecke in Monte Carlo liegt Ferrari nicht per se

Langsam steigt die Nervosität der Italiener. Der stolze Rennstall will auf keinen Fall wieder verlieren. "Wir wissen, dass wir ein starkes Paket haben, und wenn wir alles zusammenbringen, sehe ich nicht, warum wir nicht vorne dabei sein sollten", sagte Vettel vor seinem möglichen 50. Formel-1-Sieg: "In den nächsten Rennen werden wir sehen, wo wir stehen." Im vergangenen Jahr war Ferrari im Fürstentum ein Doppelerfolg gelungen, der erste seit sieben Jahren, mit Vettel als Sieger. Doch die Strecke an der Côte d'Azur liegt den Boliden aus Maranello nicht unbedingt, die letzten vier Jahre hat hier Mercedes triumphiert, auch wenn die starke Motorenleistung der Stuttgarter auf dem mit 19 Kurven verwinkelten und langsamen Kurs nicht so zum Tragen kommt wie sonst.

Und so wird die Favoritenrolle für das sechste Saisonrennen am Sonntag (15.10 Uhr / RTL) an Red Bull weitergegeben. "Sie versuchen etwas Druck von sich weg zu nehmen und ihn uns aufzulegen. Es ist ja kein Geheimnis, dass wir hier immer ganz gut unterwegs sind", sagte Daniel Ricciardo, der dies im Freien Training am Donnerstag bestätigte. Der Australier sicherte sich die Bestzeit in 1:11,841 Minuten vor seinem Teamkollegen Max Verstappen, Vettel und Hamilton. Dass damit erstmals ein Fahrer auf der langsamsten Strecke im Kalender unter der Marke von 1:12 Minuten blieb, lag auch an den neu eingesetzten Hypersoftreifen, die Red Bull mit dem reifenschonenden Auto helfen und allen Teams ein bis zwei Sekunden bringen sollen.

Hamilton übrigens hatte auch eine Antwort auf die Frage, ob er gerne mal mit Vettel in einem Team fahren würde. "Ich glaube, man hat in der Geschichte gesehen, dass es oft schwierig sein kann, wenn zwei unglaublich starke Alphas in einem Team sind", sagte der 33-Jährige bei der Pressekonferenz, immer noch mit Sonnenbrille. "Ich rechne nicht damit, dass wir zusammen fahren werden. Außer wir machen eines Tages so etwas wie Le Mans zusammen, da wären wir wahrscheinlich ziemlich gut, oder?" Bei dem Langstreckenrennen fahren Teamkollegen nacheinander. Aber Vettel ging nicht darauf ein.

Später lief Lewis Hamilton entspannt durch das Fahrerlager, nahm sich noch Zeit für die Fans. Dann stieg er auf die extra für ihn angefertigte schwarz-rote MV Agusta Brutale und fuhr auf dem Motorrad zufrieden nach Hause. Nebenan, beim Motorhome von Ferrari, lehnte das Rennrad von Sebastian Vettel.

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Quelle:
SZ vom 26.05.2018
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