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FC Bayern:Wenn Lewandowski sich krümmt, wird's düster

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Von Christof Kneer

Nach acht Minuten tauchte erstmals dieser junge Mann da unten am Spielfeldrand auf. Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt, 75 oder 55 oder möglicherweise auch erst 35 Jahre alt, wartete an der Seitenlinie auf seinen Einsatz, er trippelte wie ein junges, möglicherweise auch sehr junges Rennpferd, aber er kam dann doch nicht zum Einsatz. Grundsätzlich sehen die Bayern-Anhänger ihren sagenumwobenen Medizinmann immer gerne rennen, aber in diesem Moment war es ihnen lieber, dass er wieder abdrehte.

Robert Lewandowski war drinnen im Strafraum gesessen, er hatte sich das Kinn und das Auge gehalten, die beide mit dem Hinterkopf des Spaniers Gabriel Mercado zusammengerumpelt waren, aber erst später verpflastert wurden. Aufs Feld kam der rasende Wohlfahrtsdienst erstmals drei Minuten danach, diesmal saß Lewandowski nicht, er lag, krümmte sich und hielt sich das Sprunggelenk: Sevillas Steven N'Zonzi war ihm drauf getreten. Was dieser natürlich nicht wissen konnte: Der Doktor Müller-Wohlfahrt kommt und macht alles wieder heile.

Alle Anhänger aller Mannschaften auf der Welt halten bang den Atem an, wenn der eigene Torjäger sich auf dem Boden wälzt, aber in München atmen sie womöglich noch etwas flacher. Jeder Frühjahrs-Sturz von Lewandowski weckt beim FC Bayern düstere Erinnerungen: Mit dem Namen Lewandowski sind zwei zentrale Niederlagen in der jüngeren Vereinsgeschichte verbunden, beide Male spielte Lewandowski mit, aber es war jeweils eine Version von ihm, die den Gegner nicht erschreckte - obwohl der Pole einmal sogar eine schwer beeindruckende Maske trug, im Mai 2015, beim 0:3 im Halbfinal-Hinspiel in Barcelona. Nasenbeinbruch, Oberkieferbruch, Schulter- und Rippenblessuren: So lautete die ebenfalls schwer beeindruckende Diagnose. Es war nicht erstaunlich, dass Lewandowski gehemmt spielte und der FC Bayern offensiv kaum vorkam.

Die Bayern schaffen sich Ersatz an - im Gespräch ist Jann-Fiete Arp

Vorige Saison war es dann die Schulter, die Lewandowski und den FC Bayern in der entscheidenden Phase der Champions League schmerzte. Ausgerechnet gegen Real Madrid fiel Lewandowski dann vor allem dadurch auf, dass er nicht auffiel, er mied die Zweikämpfe, aber er musste spielen. Es gab beim FC Bayern keinen, der ihn ersetzen konnte. Und Bayern schied aus.

In der Nachspielzeit der ersten Halbzeit gegen Sevilla saß Lewandowski noch zweimal am Boden, beim zweiten Mal wirkte er für ein paar Momente ernsthaft verletzt, bevor es dann doch weiterging. Natürlich wäre Lewandowskis Qualität im Ernstfall auch weiterhin kaum zu ersetzen, dennoch haben solche Bilder zumindest ihren ärgsten Schrecken verloren. Die Münchner haben auf diese Bilder inzwischen reagiert und sich als Vertreter den kühnen Sandro Wagner angeschafft, der nach Ansicht eines führenden Experten sogar so gut ist wie Lewandowski (bei dem Experten handelt es sich um Sandro Wagner).

Am Tag des Rückspiels gegen Sevilla war übrigens das Gerücht in Umlauf geraten, der FC Bayern habe sich eine weitere Verstärkung für den Angriff gesichert, den 18 Jahre alten Jann-Fiete Arp vom Hamburger SV. Tatsächlich gibt es wohl den Plan, Deutschlands größtes Sturm-Talent käuflich zu erwerben und zum Erwerb von weiterer Spielpraxis umgehend wieder zu verleihen, möglicherweise sogar an den HSV.

In der 77. Minute atmeten die BayernFans durch. Sandro Wagner kam stolz aufs Feld gelaufen, Robert Lewandowski ging hinunter. Mit einem Pflaster unter dem Auge und einer Beule.

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Quelle:
SZ vom 12.04.2018
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