Süddeutsche Zeitung

FC Bayern deklassiert den HSV:Neun Grüße an Juventus Turin

Lesezeit: 4 min

Das 9:2 gegen den erbärmlichen HSV ist schnell abgehakt. Der höchste Saisonsieg des FC Bayern gelingt so absurd leicht, dass sich alles um Juventus Turin dreht. Dabei werden jene Münchner, die den HSV demütigten, in der Champions League nur auf der Bank sitzen.

Aus dem Stadion von Thomas Hummel

Der ganze Wahnsinn dieses Spiels brach sich bereits in den Sekunden nach dem Halbzeitpfiff von Schiedsrichter Guido Winkmann bahn. Da ging eine Gruppe junger Männer mit roten Trikots über den Rasen und benahm sich, als würde sie gerade mit ein paar Pokalen im Cabrio über die Münchner Leopoldstraße fahren: Die Spieler winkten ihren Freunden und Familien zu, sie grinsten und lachten, sie stießen sich gegenseitig in die Rippen. Als wollten sie sagen: Mann, krass, ist das lustig hier.

Dabei hatten doch die Chefs vor diesem Samstagabend ausdrücklich ein Feierverbot erteilt. Egal, ob nun gegen den Hamburger SV der zehnte Sieg im zehnten Rückrundenspiel gelingen sollte. Egal, ob am 27. Spieltag der früheste Meistertitel in der Geschichte der Bundesliga feststehen sollte - gefeiert wird nicht! So lautete die nachlesbare Anweisung vor allem von Sportvorstand Matthias Sammer.

In der U-Bahn zur Münchner Arena fluchten die Insassen am Nachmittag inniglich, als in Stuttgart Robert Lewandowski den Dortmunder Siegtreffer erzielte. Durch den Sieg der Borussia konnte der Titel an diesem Abend nicht errungen werden, selbst wenn die Münchner 30 Tore erzielt hätten. Angesichts von drei Grad Celsius und Nieselregen kündigte sich eine eher triste Stimmung an. Und dann die Aufstellung: kein Franck Ribéry (zur Schonung auf der Bank), kein Thomas Müller (dito), kein Mario Mandzukic (dito), kein David Alaba (sogar zu Hause). Ein besseres Vorbereitungsspiel für das Viertelfinal-Hinspiel der Champions League am Dienstag gegen Juventus Turin?

Dennoch war die Gaudi schon in der Halbzeit in vollem Gange. "Die Mannschaft hat gezeigt: Sie kann und will ihre eigene Party veranstalten", erkannte Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge. Und was für eine. 5:0 stand es zur Pause, am Ende 9:2. In Worten: Neun zu Zwei. So viele Tore hatte zuletzt in der Liga Bayer Leverkusen erzielt, vor 13 Jahren beim SSV Ulm 1846. Diesmal hieß der Gegner immerhin Hamburger SV, ein Verein, der als Tabellenneunter immer noch an die Europa League denken darf.

Trainer Jupp Heynckes hatte schon häufiger von seiner Mannschaft geschwärmt in dieser Saison, aber wohl noch nie so wie diesmal: "Sie hat wie aus einem Guss gespielt, Bilderbuchfußball, wie aus dem Lehrbuch." Rummenigge bestätigte: "Das war eine Superleistung." Arjen Robben formulierte es so: "Es war ein sehr schönes Spiel."

Dabei hat selten eine Elf in der Bundesliga so wenig Gegenwehr ertragen müssen. Der Hamburger SV bot eine solch fürchterlich armselige Leistung, die sogar noch ihre armseligen Leistungen in den vergangenen beiden Jahren übertraf. Nach 0:6 und 0:5 nun 2:9. Es war fürchterlich und bisweilen auch ärgerlich, den Gästen zuzusehen.

Beim 1:0 konnte sich Xherdan Shaqiri den Ball seelenruhig zurecht legen (5.), beim 4:0 lief Arjen Robben an sieben Litfaßsäulen in HSV-Trikots vorbei ehe er ungestört verwandelte (33.). Vor dem 5:0 von Claudio Pizarro tauchte Shaqiri völlig alleine im Strafraum auf (45.), vor dem 7:0 luchste Pizarro dem stolprigen Jeffrey Bruma den Ball ab und Robben durfte Torwart René Adler mit einer Lupfer demütigen (54.). Das 8:1 durch Pizarro leitete Franck Ribéry 20 Meter vor dem Tor mit einem Pass aus dem Stand ein (68.) - die Hamburger trauten sich kaum, einem Bayern-Spieler zu nahe zu kommen. Es war erbärmlich.

Die Hamburger standen meist teilnahmslos herum. Sinnbild dafür die Ecke vor dem 2:0, als Robben schon kurz ausgeführt hatte zu Shaqiri, ohne dass das die Hamburger bemerkt hätten, woraufhin Bastian Schweinsteiger völlig frei zwischen den verwirrten Gegnern einköpfte (19.). Die Münchner Qualitätskicker entwickelten bald ziemlich viel Spaß an diesem nasskalten Samstagabend. Und bald schon klappte einfach alles.

Die Kopfballverlängerung von Javi Martínez landete auf dem Fuß von Pizarro (3:0 - 30.), beim 6:0 drückte der Peruaner den Ball mit Hacke ins Tor (53.). Und als Letztes schob Franck Ribéry den Ball an den Füßen den überforderten Bruma vorbei ins lange Eck zum 9:1. Allein das zehnte Tor fehlte den 71.000 Zuschauern zu ihrem vollständigen Glück. "Zweistellig hab ich zuletzt in der Jugend gewonnen", erinnerte sich Müller. Das änderte sich nicht.

Bald schon wollte niemand mehr über die Witzmannschaft aus Hamburg reden, und auch keiner mehr darüber, dass trotz 20 Punkten und 35 Toren Vorsprung auf Platz zwei die Meisterschaft noch nicht endgültig gewonnen ist. Sondern nur noch über Juventus Turin. Und irgendwie sagten alle Münchner dasselbe: "Das ist die beste italienische Mannschaft, homogen, aggressiv, kompakt, taktisch sehr gut geschult. Das wird ein ganz anderes Spiel werden", erklärte etwa Jupp Heynckes. Sie zählten die bekannten Stärken auf, um den Satz stets mit einem "aber" fortzusetzen. Zum Beispiel Philipp Lahm: "Aber wir wissen auch, was wir können."

Das haben die italienischen Späher an diesem Samstag auch entdeckt. Dabei dürften die Besten gegen den HSV am Dienstag gar nicht von Beginn an dabei sein: Shaqiri zum Beispiel, der vierfache Torschütze Pizarro oder auch Robben. Dafür stehen Ribéry, Müller und Mandzukic parat. Bis Trainer Heynckes zwei Stunden vor Spielbeginn die elf Namen nennen muss, weiß er immerhin noch, was er üben muss: Wie verteidigt man einen Eckball. Nach Gegentoren aus Eckbällen von Arsenal und Leverkusen verschönerten die Hamburger so das Ergebnis mit zwei Treffern durch Bruma und Heiko Westermann. "Man muss sich für die Woche immer Dinge aufbewahren, die man trainiert", sagte Torwart Manuel Neuer mit einem Lächeln.

Dennoch hat diese Gala die Bayern in ihrem Glauben bestärkt, Juventus Turin an zwei normalen Tagen besiegen zu können. "Wir gehen mit Optimismus in das Spiel", verkündete Rummenigge. Wenngleich Thomas Müller ein wenig pessimistisch anfügte: "Mit einem 9:2 rechne ich nicht."

Alle Statistiken zum Spiel.

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