WM-Affäre:Geheimnisvolles Abkommen zwischen dem DFB und Katars Fußballverband
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Von Johannes Aumüller und Thomas Kistner, Frankfurt
Juni 2015. Kaum hatte die Archivarin des Deutschen Fußball-Bundes im Auftrag der damaligen DFB-Spitze die Sucharbeit in Hinblick auf die WM-Affäre begonnen, fand sie etwas offenbar sehr Spannendes: einen Letter of intent des DFB mit Katars Fußballverband QFA. In den vielen trüben Aspekten der Affäre spielte dieses Abkommen bisher keine Rolle - vielleicht zu Unrecht. Immerhin unterzeichnete es der DFB mit dem Verband jenes Mannes, in dessen Firma 2002 auf seltsamen Wegen zehn Millionen Schweizer Franken aus Deutschland (mit nach wie vor ungeklärtem Zweck) landeten: Mohammed bin Hammam, lange Zeit Fifa-Vizepräsident und Spitzenmann im Asien-Dachverband AFC.
Aus heutiger Sicht stellt sich die Frage, ob damals ein Gegengeschäft geplant war: Sollte eine Firma, die bin Hammam vertrat, die lukrativen TV-Rechte an der Europameisterschaft 2004 für den arabischen Raum erhalten - und der Katarer im Gegenzug Deutschland bei der Bewerbung für die WM 2006 unterstützen? Und könnte bin Hammam, weil die von ihm begehrten TV-Rechte damals letztlich an einen anderen Bieter vergeben wurden, dafür finanziell entschädigt worden sein?
Der DFB wollte den Letter of intent auf Anfrage am Donnerstag nicht herausgeben. Und der zum Zwecke der Aufklärung verfasste Report, den die Kanzlei Freshfields im DFB-Auftrag erstellt hat, liefert auch zu diesem Vorgang nur weit verstreute Puzzleteile, die zusammengefügt werden müssen. Ergänzt mit weiteren Recherchen ergibt sich um die Vereinbarung ein Bild, das den Verdacht nährt, dass auch bei diesem Thema die teure DFB-Aufklärungsarbeit eher verschleiernde Wirkung hat.
Die Vorgänge um das Dokument spielen in der heißen Phase des WM-Rennens, das im Juli 2000 mit Deutschlands knappem 12:11 gegen Südafrika endete. Und sie erwecken den pikanten Verdacht, dass auch zwischen DFB-Werbern und bin Hammam diskrete Geschäfte auf Gegenseitigkeit angestrebt worden sind.
Am 11. und 12. Februar 2000 weilten der damalige DFB-Präsident Egidius Braun und Generalsekretär Horst R. Schmidt in Doha. Gesprächspartner: der Emir von Katar und bin Hammam. Während der Emir, Freund und Jagdgefährte Brauns, als klarer Deutschland-Befürworter galt, hatte bin Hammam ein Problem. Er war eng mit Fifa-Chef Sepp Blatter verbandelt - und Blatter unterstützte offen sein Stimmvolk in Afrika, gegen die deutschen Bewerber.
Die brauchten jedoch unbedingt den asiatischen Block. Und bin Hammam war in diesem Schachspiel letztlich eine Figur des Emirs. Aber war er das zum Nulltarif?
Die Vorarbeiten der Allianz waren früh erledigt. Wenn Asiens Fifa-Vertreter für Deutschland votieren sollten, dann wollten auch die Verbände dieser Region profitieren. Ende 1999 schickte beispielsweise der deutsche Bewerbungssponsor Adidas Ausrüstungen an 25 Verbände in Asien. Kosten für den DFB: 406 000 Mark. Als dann Schmidt und Braun in Doha weilten, wünschte bin Hammam einen Sachstandsbericht zu der Geschenke-Orgie. Und er hielt fest: Deutschland könne drei der vier Asien-Voten für sich verbuchen.
Zudem wurde ein Letter of intent diskutiert - und die Sache schien dringlich zu sein. Bereits am 24. Februar faxte Schmidt einen Entwurf nach Doha, vereinbart wurden darin laut Freshfields etwa der Austausch von Jugendteams sowie der Besuch deutscher Trainer und Ausbilder. Im Gegenzug sicherte QFA dem DFB zu, die WM-Bewerbung nach besten Kräften zu unterstützen. Im nächsten Satz des Reports heißt es: "Der Letter of Intent wurde von Franz Beckenbauer für den DFB sowie vom Emir von Katar für die QFA unterzeichnet." Der Eindruck ist, dies sei flott nach dem Doha-Besuch geschehen. War es aber nicht. Eine andere Stelle des Reports verrät, dass der Kontrakt erst auf den 19. April datiert ist. Was aber hatte sich in der Zwischenzeit getan?
Eine Menge - und zwar rund um die Interessen von bin Hammam. Der Mann, bei dem am Ende die zehn Millionen Franken aus deutschen Kassen landeten, vertrat damals den Sender ART (Arab Radio & Television). Die Firma buhlte um die TV-Rechte an der EM 2004 für den arabischen Raum - ein sehr werthaltiges Gut.
Generell sind anrüchige Deals um den Katarer auch im Dunstkreis von Vermarktungsfirmen bekannt. Kaum waren Braun und Schmidt zurück aus Katar, begann ein intensiver Austausch zwischen DFB, bin Hammam und dem Vorsitzenden der European Broadcasting Union, Albert Scharf. Braun war auch Schatzmeister des Europa-Verbands Uefa; er galt sogar als wahrer Chef hinter dem gemütlichen Uefa-Boss Lennart Johansson. Braun kümmerte sich so eifrig um bin Hammams Anliegen, dass dieser schon am 26. Februar ein Treffen mit Scharf in München erhielt. Der habe dem Katarer erklärt, "dass die EBU keine Rechte-Agentur sei und vorwiegend ihre Mitglieder vertrete", heißt es in einer DFB-Notiz. Aber es gab Hoffnung: "Sollte sich eine Gelegenheit ergeben, werde er sich an den Wunsch bin Hammams bzw. der von ihm vertretenen Gesellschaft (ART)" erinnern. Zudem habe Schmidt zugesagt, dass sich auch Braun "gerne zu gegebener Zeit in die Angelegenheit einschalten werde".
Die Chancen für bin Hammams ART standen also gut. Zumal sich Anfang März auch das Bewerberkomitee mit der Sache befasste. Beschluss: Fedor Radmann, Beckenbauers Mann fürs Grobe, solle, um bin Hammam beim Erwerb der TV-Rechte zu unterstützen, mit Spitzenmanagern der Agentur ISL sprechen. Denn damals glaubten noch alle, jene ISL werde diese Uefa-Rechte zum Weiterverkauf erhalten.
Einen Monat später folgte die Unterzeichnung des Letter of intent, bemerkenswerterweise auf katarischer Seite vom Emir persönlich. War also ein Gegengeschäft konzipiert, nach dem Motto: Verhilfst du mir zu TV-Rechten, helfe ich deiner WM-Bewerbung? Eine Frage, die der Freshfields-Report so nicht thematisiert.
Dabei geschah damals Bemerkenswertes: Die EM-Rechte 2004 bekam am Ende gar nicht die ART, sondern Al Jazeera, teilt die Uefa mit. Bin Hammam entging also ein Geschäft, um das er sehr gebuhlt hatte.
Warum? Sicher ist nur: Die Agentur ISL war bald nach der WM-Vergabe anno 2001 bankrott. Und auch der allmächtige Braun konnte ab Mitte 2000 wegen gesundheitlicher Probleme nicht mehr helfen. Die TV-Rechte erhielt bin Hammam also nicht. Dafür 2002: zehn Millionen Franken aufs Firmenkonto, die aus Deutschland kamen (indem sie der DFB via Fifa 2005 an den Darlehensgeber Louis-Dreyfus zurückzahlte). Wurde also das entgangene TV-Geschäft für bin Hammam kompensiert?
Er ist der Mann, der mit den Deutschen einen Fifa-Sonderzuschuss für die WM-Organisation 2006 ausgehandelt und dafür eine Gegenleistung von jenen zehn Millionen Franken für das Fifa-Finanzkomitee gefordert haben soll. Und er war es, der auf politischen Druck Asiens Voten für die Deutschen organisieren musste, gegen die Interessen seines Fifa-Gefährten Blatter.
Diese Abläufe erweitern die Mutmaßungen, was mit jenen zehn Millionen geschah, die 2002 nach Katar gingen. Seit dieser Transfer bekannt ist, wird über die Verwendung des Geldes gerätselt: War es für den Kauf von WM-Voten? Für Blatters Wiederwahl? In diesen Szenarien gilt bin Hammam als Geldverteilstation, was er in anderen Fällen tatsächlich war. Aber: Wer sagt denn, dass auch dieses Geld weitertransferiert wurde?