Eishockey:Garant des Gleichgewichts
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Patrick Hager spielt vor allem in der Offensive eine bislang beeindruckende Saison mit dem EHC Red Bull München - auch weil der Kapitän von einer Last befreit ist: Der 34-Jährige muss nicht mehr als eine Art Ziehvater der Jungen auf dem Feld agieren.
Wenn ein Kapitän mit der Art und Weise, wie seine Mannschaft auftritt, unzufrieden ist, können persönliche Meilensteine ganz schnell ganz unbedeutend werden. Patrick Hager, Kapitän des EHC Red Bull München, hat das am Donnerstag bewiesen. Kurz nachdem er sein 200. Tor in der Deutschen Eishockey Liga (DEL) erzielt hatte, gab er in der zweiten Drittelpause des Heimspiels gegen die Schwenninger Wild Wings ein TV-Interview, in dem ihm zum Jubiläumstreffer gratuliert wurde. Seine Antwort: "Ja danke, ist ok."
Hagers Laune war alles andere als gut, weil der EHC seiner Meinung nach "großen Mist" spielte. "Wir können froh sein, dass wir Mathias (Niederberger, Anm. d. Red.) hinten drin haben, der uns im Spiel hält", sagte er, dann huschte er beim Stand von 1:1 in die Kabine. Nach dem Spiel erschien der 34-Jährige frisch geduscht in der Mixed Zone. Das Schlussdrittel sei "leider auch nicht so viel besser" gewesen, "dass wir es verdient hätten zu gewinnen", sagte er über die 1:2-Niederlage.
Niederlagen sind nie schön, diese dürfte auf den EHC aber keine großen Auswirkungen haben. Die Münchner dominieren die DEL-Hauptrunde nach Belieben, in den 42. Spieltag gingen sie mit 15 Punkten Vorsprung auf die zweitplatzierten Adler Mannheim. Die Niederlage gegen Schwenningen war lediglich ihre dritte in den vergangenen 19 Partien - die restlichen 16 gewann der EHC.
Auch für Hager persönlich läuft es sehr gut. Gegen die Wild Wings traf er zum zwölften Mal in dieser Saison, mehr Treffer in einer DEL-Hauptrunde gelangen ihm zuletzt in der Spielzeit 2017/18, die mit dem Meistertitel für den EHC endete. Der Angreifer ist in dieser Saison offensiv deutlich auffälliger, weil er eine andere Rolle innehat. Im vergangenen Jahr lief er meist als eine Art Ziehvater für die jungen EHC-Angreifer auf, in einer Reihe mit ihnen, in Überzahl kam er erst in den Playoffs zum Einsatz. Das Zusammenspiel mit den jungen, unerfahrenen Reihenkollegen war für Hager rückblickend mit einer "großen Verantwortung" verbunden, weil er immer auch ein Auge darauf haben musste, ob sie sich systemtreu auf dem Eis bewegten. Dadurch agierte er etwas defensiver und ließ die ein oder andere offensive Aktion liegen, um abzusichern.
Jetzt heißen seine Reihenpartner Frederik Tiffels und Andreas Eder, beide sind Nationalspieler und DEL-erfahren, wodurch er in bestimmten Situationen nicht mehr absichern muss. Jetzt kann er selbst mehr offensive Akzente setzen, er bekommt mehr Scheiben und so mehr Torchancen. "Dann kommt so ein Jahr zusammen", sagt er. Hager ist nun viertbester Torschütze der Münchner, er hat mehr Treffer auf seinem Konto als Eder, Tiffels oder Ben Street. "Dieses Jahr läuft es offensiv super, ich habe Selbstvertrauen", sagt er. Seinen 200. Treffer hatte er nicht auf dem Schirm, der sei ein bisschen aus dem Nichts gekommen.
"Fast jeden Tag kommt er humpelnd in die Kabine", sagt Trainer Jackson, weil er Schüsse blockt und dauernd in Zweikämpfe geht
Auch sein Trainer Don Jackson freut sich über Hagers offensives "Top-Jahr". Mindestens gleich wichtig ist Jackson aber, dass sein Kapitän defensiv ebenfalls "großartig" spiele. Dass er sich trotz seiner guten Offensivwerte weiter in den Dienst der Mannschaft stellt und dahin geht, wo es weh tut. "Fast jeden Tag kommt er humpelnd in die Kabine", berichtet Jackson, weil Hager Schüsse blockt und Zweikampf um Zweikampf bestreitet.
Hager war noch nie ein Spieler, der nur an offensiven Statistiken gemessen wird. Er ist taktisch diszipliniert, ein wichtiger Bully-Spieler und nimmt weiterhin eine große Rolle in Unterzahl ein. In einer mit vielen talentierten Offensivspielern bestückten Mannschaft wie der Münchner ist der Rosenheimer ein Gleichgewichts-Garant. Einer, der auch das defensive und physische Spiel nicht aus den Augen verliert. Ein "Gifthaferl", findet TV-Experte Patrick Ehelechner, weil er dem Gegner mit seiner körperlichen Art unter die Haut fahren könne. Ein "knallharter Bursche", sagt Jackson.
Hagers Oberkörper sehe vielleicht nicht so aus wie der von Mister Universum, sagte sein ehemaliger Teamkollege, der heutige TV-Experte Kai Hospelt, "dafür hat er Oberschenkel wie Baumstümpfe". Diese verliehen ihm einen "unglaublichen Stand" auf dem Eis - und Stabilität in den Zweikämpfen. Solche sucht Hager immer wieder, weil er sich häufig dort positioniert, wo körperliche Duelle unausweichlich sind: direkt vor dem gegnerischen Tor oder an der Bande in der Rundung.
Dort wird er auch am Sonntag im Derby bei den abstiegsbedrohten Augsburgern regelmäßig auftauchen. Er liebt hitzige Atmosphären wie jene im Curt-Frenzel-Stadion, zieht Energie aus den Pfiffen der gegnerischen Fans. Und vielleicht kitzelt die Heimniederlage gegen Schwenningen "die paar Prozent mehr" raus, sagt er grinsend.