Süddeutsche Zeitung

Ehemaliger Trainer von Johannes Dürr:Nebenbei Dopingkurier?

Lesezeit: 3 min

Von Thomas Kistner und Johannes Knuth

Die Veranstaltung im Juli 2018 trug einen durchaus würdigen Titel: "FuckUp"-Night hatten die Veranstalter sie getauft, als ein Forum für alle, die mal kräftig Mist gebaut hatten. Betroffene sollten erzählen, wie sie ins einst Scheitern getrieben wurden und wie sie das verarbeitet hatten. Einer der Gäste damals, in der Tiroler Gemeinde Wattens: Johannes Dürr, der österreichische Langläufer, der einst gedopt hatte und jetzt zeigen wollte, dass es auch ohne Stoff geht. Und so berichtete Dürr über seine Fehler und das vermeintliche Versagen der anderen: dass der Österreichische Skiverband, in den er jahrelang eingebettet war, Doping stillschweigend dulde. Dass er wegschaue, solange sich halt keiner erwischen lässt.

Der ÖSV erwirkte eine Einstweilige Verfügung und verlangte, Dürr solle die Aussagen widerrufen. Am Montag kam es vor dem Landesgericht in Innsbruck zum Prozess. Nach zweieinhalb intensiven Stunden teilte der Richter mit: Er werde das Urteil in ein, zwei Monaten verkünden.

Spätestens dann klärt sich also die Frage, ob die Glaubwürdigkeit eines der einflussreichsten nationalen Sportverbände auch vor Gericht erschüttert wird.

Die Eindrücke, die Dürr vor knapp einem Jahr in Tirol in harte Worte goss, hatten sich ja schon seit Längerem aufgedrängt. ÖSV-Personal war immer wieder in Skandale verstrickt gewesen, angefangen bei den Winterspielen in Salt Lake City 2002 und Turin 2006, und im vergangenen Februar erst bei der nordischen Ski-WM in Seefeld. Letztere Affäre hatte Dürr losgetreten, er hatte kurz zuvor über die Hintergründe seines Dopings ausgepackt.

Die Ermittlungen wirbelten viel Schmutz auf, in Seefeld wurden unter anderem die ÖSV-Langläufer Max Hauke und Dominik Baldauf erwischt, der Erfurter Sportarzt Mark Schmidt wurde als Bluttankwart mit üppigem Kundenstamm enttarnt. Die Staatsanwälte ermitteln. Und der ÖSV? Behauptete, mal wieder, dass all die Verfehlungen unter seinem Dach auf moralischen Verirrungen Einzelner fußen. Da sei man leider machtlos, sagte der affärengestählte Präsident Peter Schröcksnadel neulich, wie ahnungslose Eltern eines drogensüchtigen Kindes. Ahnungslos?

In Heigls Amtszeit beim ÖSV fallen diverse Affären

Diese These war bereits Wochen vor dem Prozess in Innsbruck schwer ins Wanken geraten. Da hatte Dürr gegenüber der SZ bestätigt, dass Gerald Heigl, sein langjähriger Trainer im ÖSV, auch als Dopingkurier ausgeholfen habe. Demnach habe ihn Heigl Ende 2013, kurz vor den Sotschi-Spielen 2014, mit dem Blutbeschleuniger Epo und Wachstumshormon versorgt. Am Montag dann bestätigte Dürrs Rechtsbeistand der ARD, dass Dürr Heigls Kurierdienste auch bei der Polizei geschildert habe. Die Spur der Quelle, von der Heigl die Präparate bezogen haben soll, weist nach SZ-Informationen nach Deutschland. Dürr wurde in Sotschi jedenfalls als Epo-Sünder enttarnt; später gab er sich geläutert. Im Zuge der Seefeld-Ermittlungen gestand er dann, dass er fleißig weitergedopt hatte. Der nächste "FuckUp". Aber alles, was er nun sage, sei die Wahrheit.

Heigls Anwalt bestritt Dürrs Vorwürfe umgehend: "Mein Mandant war nie in irgendwelche Dopingmachenschaften von Herrn Dürr verstrickt. Wenn er etwas gewusst hätte, hätte er das sofort unterbunden", sagte er der ARD-Dopingredaktion. Sein Mandat werde gegen die "haltlosen" Vorwürfe rechtlich vorgehen.

Unbestritten ist, dass in Heigls Amtszeit beim ÖSV diverse Affären fallen. Der Trainer stieß 2004 zum Langlauf-Team, kurz darauf kam es zur Dopingrazzia im ÖSV-Quartier in Turin. Später wurde Langlauf-Olympiasieger Christian Hoffmann gesperrt. Heigl stieg derweil zum Chefcoach des Langlauf-Ressorts auf. Er war in leitender Funktion, als Dürr 2014 in Sotschi aufflog, und er blieb in Amt und Würden, nachdem Dürrs Teamkollege Harald Wurm 2015 mit einer vierjährigen Sperre belegt wurde. Im April 2017 verließ er den Verband, er betreute aber weiter ÖSV-Athleten, darunter jenen Langläufer Hauke, der in Seefeld mit der Kanüle im Arm erwischt worden war; oder Biathlet Dominik Landertinger, der sich vor einem Monat von Heigl trennte. Nach SZ-Informationen war Heigl vor einigen Jahren auch Konditionstrainer eines namhaften Alpin-Athleten. Und nebenbei Dopingkurier?

Dürrs Rechtsvertreter wies am Montag in Innsbruck noch mal auf all das hin: auf die vielen großen, gut dokumentierten Affären unter hohen Verbandstrainern, oder wie der ÖSV Dürr im Kleinen geholfen habe, als der 2014 der Nationalen-Anti-Doping-Agentur eine verpasste Dopingkontrolle erklären musste. Der ÖSV, vertreten durch seinen Generalsekretär Klaus Leistner, behauptete unter anderem, er sei für Affären wie bei den Winterspielen schon deshalb nicht verantwortlich, weil dort das Nationale Olympische Komitee zuständig sei. Na dann.

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Quelle:
SZ vom 30.04.2019
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