Süddeutsche Zeitung

Dirk Nowitzkis Karriere:Nowitzki hat das Denken der NBA verändert

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Heute spielen so viele Nicht-Amerikaner in der NBA wie nie zuvor und auch große Männer werfen Bälle. Viele Entwicklungen des amerikanischen Basketballs gehen auf den Würzburger zurück.

Kommentar von Joachim Mölter

Nicht einmal mehr auf das Wort des sonst immer so zuverlässigen Dirk Nowitzki ist Verlass. So oft der mittlerweile 40 Jahre alte Basketballprofi in den zurückliegenden Tagen, Wochen und Monaten nach seinem Karriereende gefragt worden ist, so oft hat er wiederholt, dass er darüber erst entscheiden wolle, wenn die NBA-Saison vorbei ist; wenn er in seinen Körper hineingehorcht habe, ob noch ein Jahr Leistungssport auf höchstem Niveau drinsteckt; wenn er mit Freunden gesprochen und mit der Familie Urlaub gemacht hat.

Aber nun hat er doch schon verkündet, dass er aufhört. "Ihr habt das ja wahrscheinlich erwartet", sprach er am Dienstag beiläufig ins Hallenmikrofon des American Airlines Centers in Dallas: "Das ist mein letztes Heimspiel gewesen."

Wer gesehen hat, wie unrund Nowitzki zuvor in der Tiefgarage durch das Spalier jubelnder Mitarbeiter in die Umkleidekabine gegangen war, wie mühsam er sich später übers Parkett bewegte, versteht die Entscheidung: 21 Jahre in der härtesten Liga der Welt haben Tribut gefordert, vor allem sein Sprunggelenk strapaziert. "Es gab viele Behandlungen", erklärte Nowitzki: "Es macht keinen Sinn, das noch ein Jahr durchzuziehen. Es ist Zeit."

Abgesehen davon ist er ja auch schon seit Monaten landauf, landab verabschiedet worden: Gegnerische Fans haben ihn angefeuert, damit er noch ein paar Körbe in ihrer Arena erzielt; gegnerische Coaches haben Auszeiten genommen, um das Publikum zu Ovationen zu animieren, um Nowitzkis Lebensleistung zu würdigen. Wie hätte er da für eine weitere Saison zurückkommen können? Man muss gehen, solange sich die Menschen noch freuen, dass man da ist. Wenn sie einen nicht mehr sehen wollen, ist's zu spät.

Nowitzki hat Europäern die Türen geöffnet

Beweisen muss Dirk Nowitzki ja ohnehin nichts mehr. Er hat erreicht, was er erreichen konnte. In Deutschland wird seine Leistung bis heute in erster Linie mit Zahlen und Superlativen verbunden: mit der Auszeichnung zum besten Spieler der NBA, die er 2007 als erster Europäer erhalten hat; mit dem NBA-Titel, den er 2011 als erster Deutscher gewonnen hat; mit den mehr als 31 000 Punkten und 11 000 Rebounds, die nur eine Handvoll anderer NBA-Profis erreicht haben. Mit 21 Jahren im Trikot des selben NBA-Klubs, was überhaupt noch keiner geschafft hat. Die wahre Dimension von Nowitzkis Wirken erfasst man damit trotzdem nicht.

Er hat den Basketball zwar nicht erfunden, das haben die Amerikaner schon selber getan anno 1891. Aber die Amerikaner trugen auch schon Hosen, bevor ein gewisser Levi Strauss aus dem Dorf Buttenheim bei Bamberg als Teenager bei ihnen einwanderte. Und doch bescherte ihnen dieser Strauss, ein Franke wie der gebürtige Würzburger Nowitzki, etwas Einzigartiges: die Jeans, ein besonders strapazierfähiges Beinkleid, das für Goldgräber in Kalifornien gedacht war, sich aber längst zum globalen Gut entwickelt hat.

Es ist gut möglich, dass Dirk Nowitzki dem Basketballsport etwas hinterlässt, was selbst in einem Jahrhundert noch Bestand hat; so wie Levi Strauss der Textilbranche ja auch Bleibendes vererbt hat.

Dirk Nowitzki hat jedenfalls die Spielweise verändert. Bevor er in die NBA kam, standen so große Spieler wie er, mit 2,10 Meter und mehr, nur in Korbnähe herum und warteten darauf, dass ihnen der Ball in die Hände fiel. Nowitzki war der Erste, der gezeigt hat, dass große Männer auch aus der Ferne in den Korb werfen können. Heute ist das Standard.

Er hat zudem die Denkweise verändert: Bevor die Dallas Mavericks ihn engagierten als damals knapp 20-Jährigen, holten die NBA-Klubs allenfalls gestandene Profis aus Übersee. Nowitzki belehrte sie, dass es sinnvoller ist, Talente aus anderen Erdteilen so früh wie möglich zu transferieren, weil sie dann weniger Anpassungsschwierigkeiten haben. Er hat Türen geöffnet. Heute spielen so viele Nichtamerikaner in der NBA wie nie.

"Ich kann relativ gut 'nen Ball in ein Körbchen reinschmeißen"

Sich selbst hat Dirk Nowitzki in all den Jahren am wenigsten verändert. Er ist zwar nicht mehr der schlaksige, schüchterne Junge, als der er einst in die USA kam. Inzwischen bewegt er sich auch auf gesellschaftlichen Parketts sicher und souverän, wenn er mit Regierungschefs und Nobelpreisträgern an einem Tisch sitzt. Aber von seinem Charakter her ist er der bodenständige, höfliche Junge geblieben, zu dem er erzogen worden ist.

Dirk Nowitzki ist keiner, der sich überhöht wie viele andere sogenannte Superstars. "Ich kann relativ gut 'nen Ball in ein Körbchen reinschmeißen", hat er einmal gesagt; er weiß, dass es wichtigere Dinge im Leben gibt, wichtigere Errungenschaften für die Menschheit. Er hat sein Abitur einst ja nicht umsonst an einem Gymnasium gemacht, das nach einem ebenfalls prominenten Einwohner von Würzburg benannt ist: Wilhelm Conrad Röntgen, dem ersten Nobelpreisträger für Physik.

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Quelle:
SZ vom 11.04.2019
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