Süddeutsche Zeitung

DFB-Vize Rainer Koch:Vernehmung in Frankfurt

Lesezeit: 3 min

Der mächtige Funktionär Rainer Koch will sich erneut in den Uefa-Vorstand wählen lassen. Zugleich muss er noch ein Steuerverfahren überstehen. Passt das zusammen?

Von Johannes Aumüller, Thomas Kistner und Klaus Ott, München

Angesichts seiner vielfältigen Jobs im deutschen Fußball weilt der mächtige Multifunktionär Rainer Koch, 62, ziemlich häufig in Frankfurt. Aber am Mittwoch stand dort ein Termin an einem Ort an, den er sonst eher selten aufsucht. Bei der Staatsanwaltschaft in Frankfurt gab es eine Einvernahme in dem Steuerstrafverfahren, das seit Anfang Oktober gegen Koch sowie fünf andere aktuelle und frühere Funktionäre des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) läuft. Rund zwei Stunden hat Koch mit einem Steuerfahnder und einer Staatsanwältin zusammengesessen und Fragen beantwortet, auf rund einem Dutzend Seiten sind seine Aussagen dokumentiert. Seine Kernbotschaft lautete, dass er mit dem Thema Steuern nichts zu tun hatte und der Vorwurf ihn überhaupt nicht treffen könne.

Koch ist nach SZ-Informationen der erste und bisher einzige Funktionär aus dem beschuldigten Sextett, der bei den Ermittlern eine Aussage gemacht hat. Koch - im Hauptberuf Richter am Oberlandesgericht München, im Moment freigestellt - will seinen Fall zügig behandelt wissen. Er wolle seinen Dienstherrn, die Justiz, von seiner Unschuld überzeugen, heißt es aus dem Umfeld des DFB. Aber vielleicht hat ja sein Vorpreschen auch mit einer Veranstaltung zu tun hat, die im April in Montreux stattfinden soll. Dann besetzt Europas Fußball-Union Uefa acht Positionen ihres Exekutivkomitees - und Koch ist der deutsche Kandidat. Ein Steuerverfahren wirkt da unschön, auch wenn Koch im kleinen Kreis mal gesagt haben soll, das eine habe mit dem anderen nichts zu tun.

Koch gehört zwar schon seit diesem Frühjahr der Uefa-Exekutive an, aber weil es sich dabei um eine Nachwahl (für den abgetretenen DFB-Chef Reinhard Grindel) handelte, beträgt die Amtszeit nur ein Jahr. Erst im April 2021 kann er sich für vier Jahre wählen lassen. Eigentlich ist es nur Formsache, den Kandidaten des größten Verbandes in den Vorstand zu wählen. Aber was ist rund um den DFB schon Formsache in dieser Zeit, in der ein erbitterter Machtkampf an der Verbandsspitze, stete Enthüllungen über die schmutzige Vergangenheit und das Steuerverfahren das Erscheinungsbild prägen?

Eine womöglich falsche Steuererklärung des DFB wurde in Kochs Amtszeit als Interimspräsident abgegeben

Koch ist seit Langem als Vize des DFB und Chef des bayerischen Verbandes eine der einflussreichsten Figuren des deutschen Fußballs. Zweimal führte er den DFB als Interimschef, gemeinsam mit Reinhard Rauball, unter anderem nach dem Ausbruch der "Sommermärchen"-Affäre und dem Rücktritt des damaligen Präsidenten Wolfgang Niersbach Ende 2015 und Anfang 2016. Im Kontext jener Zeit nahm ihn die Justiz nun auch ins Visier. Der DFB soll unter anderem die Steuererklärung fürs Jahr 2014 falsch abgegeben haben; die wurde zu einem Zeitpunkt eingereicht, als Koch und Rauball den Verband führten. Sie wurde allerdings nicht von ihnen unterschrieben.

"Dr. Koch möchte die Angelegenheit im Sinne des DFB und in seinem eigenen Sinne aufklären. Er möchte klarstellen, dass er in keinster Weise in eine steuerstrafrechtliche Thematik eingebunden war. Er fühlt sich zu Unrecht verfolgt", sagt sein Anwalt Frank Eckstein. Doch bleibt die Frage, wie das mit dem Uefa-Posten weitergehen soll, für den er knapp 200 000 Euro pro Jahr erhält.

Es gibt in den Fußball-Statuten keinen Automatismus, dass ein Funktionär wegen eines laufenden Strafverfahrens sein Amt verliert oder dass dies ein Ausschlusskriterium für eine Wahl wäre; es kommt auf die jeweilige politische Gemengelage an. Sepp Blatter wurde 2015 von seinem Amt als Präsident des Fußball-Weltverbandes Fifa suspendiert, als Schweizer Ermittler ein Verfahren wegen einer dubiosen Zwei-Millionen-Franken-Zahlung eröffneten. Sein Nachfolger Gianni Infantino hingegen hält sich trotz eines Strafverfahrens im Amt, weil die von ihm handverlesenen Ethik-Gremien der Fifa die Vorwürfe gegen den Boss schlicht ignorieren.

Im Bereich der Uefa gibt es den Fall des Katarers Nasser Al-Khelaifi: Der Präsident von Paris Saint-Germain rückte auf Vorschlag der Klubvereinigung ECA 2019 ins Exekutivkomitee, obwohl zum damaligen Zeitpunkt gegen ihn ein Verfahren der Schweizer Bundesanwaltschaft im Zusammenhang mit der Vergabe von Medienrechten lief. Aus der Uefa heißt es, ein Kandidat sei im Fall einer Verurteilung grundsätzlich nicht wählbar. So weit ist es hier nicht.

In der Steuersache gegen Koch und die anderen DFB-Funktionäre scheinen die Anschuldigungen eher auf tönernen Füßen zu stehen. Der Verband hat die betreffenden Erlöse aus Bandenwerbung in Millionenhöhe für 2014 in seiner Steuererklärung sogar angegeben, aber als steuerfrei eingeschätzt. In den anderen Jahren soll das genauso gewesen sein. Aus Behördenkreisen soll es inzwischen das Signal gegeben haben, man könne die Verfahren gegen das Sextett einstellen und der DFB könne dann ja eine Geldbuße zahlen. "Keinen Cent" werde der Verband geben, sagt wiederum ein Insider.

Bei Reinhard Grindel fanden Ermittler Strafanzeigen gegen Koch - sie wurden offenbar nie abgeschickt

Bei Kochs Termin am Mittwoch in Frankfurt ging es noch um einen zweiten Vorgang. Im Verlauf der Steuerrazzia Anfang Oktober ergab sich für die Ermittler ein Zufallsfund. Im Privathaus des früheren DFB-Präsidenten Grindel spürten die Beamten Briefe auf. Ihr Inhalt: schriftliche Strafanzeigen gegen Koch wegen Bestechlichkeit, Untreue und Betrug, adressiert an vielerlei Stellen in Sport und Politik - aber offenbar nicht abgeschickt. Grindel sagt auf Anfrage nichts zu diesem seltsamen Vorgang.

Der Staatsanwaltschaft soll Koch dargelegt haben, dass an diesen Vorwürfen nichts dran sei, und dafür auch Belege präsentiert haben. Aus dem Umfeld des DFB ist zu hören, damit sei das Thema bereits abgehakt für die Ermittler. Die Staatsanwaltschaft selbst äußerte sich unter Hinweis auf das laufende Ermittlungsverfahren auf SZ-Anfrage weder zum Steuerverfahren noch zu den Funden bei Grindel.

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