Süddeutsche Zeitung

Trainer im deutschen Fußball:Neue Chancen für talentierte Übungsleiter

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Der DFB weicht seine Zulassungskriterien für die Lehrgänge auf und vergibt einen zusätzlichen Platz für Coaches, die sich innerhalb eines Klubs oder Verbandes langfristig bewährt haben. Erster Nutznießer ist Unterhachings Trainer Marc Unterberger.

Von Stefan Galler

Es ist noch keine fünf Jahre her, da konnte es in der Stadionwirtschaft der Spielvereinigung Unterhaching schon mal vorkommen, dass Marc Unterberger Bier und Schnitzel servierte. Der junge Mann verdingte sich neben seiner Tätigkeit als Jugendtrainer im Nachwuchsleistungszentrum als Kellner im Klublokal und kam damit dem nach, was Klubpräsident Manfred Schwabl als Credo für den familiären Verein ausgegeben hat: Jeder möge sich einbringen, möglichst unprätentiös und ohne Allüren. Die Bodenständigkeit des mittlerweile 35-Jährigen, gepaart mit seinem Fußballverständnis ließen in Schwabl den Entschluss reifen, Unterberger zum Chefcoach der Profimannschaft zu machen - genau das passierte im Sommer 2023, als sich Sandro Wagner nach dem Aufstieg der Unterhachinger in die dritte Liga aus dem Klub verabschiedete.

Das Problem: Der Münchner verfügte nicht über die für eine verantwortliche Tätigkeit im Profibereich obligatorische Pro-Lizenz. Doch Schwabl ließ sich davon nicht abschrecken, seine Vision, aus Unterberger eine Münchner Vorstadtvariante von Freiburgs Christian Streich oder Heidenheims Frank Schmidt zu machen, war stärker als der Leidensdruck, zu Saisonbeginn eine Strafe in Höhe von 10 000 Euro und zusätzlich für jede Partie mit dem Eigengewächs an der Linie 3500 Euro an den Deutschen Fußball-Bund (DFB) zu überweisen. Hinter den Kulissen arbeitete der umtriebige Präsident daran, Unterberger im Lehrgang für Fußballlehrer unterzubringen. In diesem stehen bei meist mehr als hundert Bewerbern jährlich nur 16 Plätze zur Verfügung; der DFB entscheidet bei seiner Auswahl nach einem speziellen Punkteschlüssel, der in Unterbergers Fall zwar schon zweimal zur Teilnahme an einem Vorstellungsgespräch ausreichte, für den aktuellen Lehrgang wegen geänderter Zugangsvoraussetzungen jedoch nicht.

Doch nun ist, wie Verband und Verein am Dienstag bekannt gaben, der Hachinger Trainer doch Teil der neuen Ausbildungsgruppe - was einer Regelung zu verdanken ist, die nicht zuletzt dank des Einsatzes von Andreas Rettig eingeführt wurde: Der DFB-Geschäftsführer Sport und ehemalige Manager von Profivereinen wie 1. FC Köln und FC Augsburg möchte künftig auch Trainer fördern, die sich "innerhalb ihrer langfristigen vereins- oder verbandsinternen Entwicklung" für höhere Aufgaben empfohlen haben.

Und die so "in eine Position gebracht werden sollen, für die sie über die nächsthöhere Lizenz verfügen müssen", wie es in der Pressemitteilung des Verbandes heißt. Diese vorerst als Pilotprojekt bezeichnete neue Praxis wird nicht nur bei der Pro-Lizenz Anwendung finden, sondern demnächst auch in den Ausbildungsstufen B+, A und A+. Man wolle auf diese Weise pro Jahrgang bis zu zwei Übungsleiter fördern.

"Wir als Verband sehen uns als Dienstleister, Ratgeber und Partner der Vereine, und dabei gilt es auch, pragmatische Lösungen zu finden", sagte Rettig der SZ. "Unser Ansatz ist es, erstmalig Vereinen und Verbänden die Chance zu geben, ihre Trainertalente selbst zu identifizieren und zu fördern und dann die Zulassung zu einem entsprechenden Lehrgang zu beantragen", sagte er weiter. Kriterien seien, dass der Bewerber bereits eine gewisse Zeit in dem jeweiligen Klub oder Verband zugebracht haben müsse und dass er einen gültigen Vertrag für die Zeit danach besitze. "Es muss natürlich eine fundierte Begründung dafür geben, warum ausgerechnet der- oder diejenige zum Lehrgang zugelassen werden soll", erklärt Rettig, der hofft, dass durch dieses Aufweichen der Voraussetzungen auch verstärkt Trainerinnen in die Ausbildung kommen. "Leider hatten wir diesmal keine einzige Bewerberin für den Pro-Lizenz-Lehrgang", sagte der 60-Jährige.

Der Rest der Ausbildung läuft über Online-Stunden und Praktika

Erster Nutznießer des alternativen Zulassungswegs ist nun eben Marc Unterberger, der bereits seit Montag am DFB-Campus in Frankfurt Unterrichtsstunden besucht. Seine Trainertätigkeit bei der SpVgg sieht der 35-Jährige nicht beeinträchtigt: "Ich muss im Schnitt bis Dezember einmal monatlich für etwa drei Tage hier sein", sagt er. Der Rest der Ausbildung laufe über Online-Stunden und Praktika. "Wenn ich ausnahmsweise mal einen Tag verhindert bin, übernimmt mein Team mit Co-Trainer Marc Endres, da habe ich vollstes Vertrauen."

Präsident Schwabl sieht in der Neuregelung der Ausbildung auch eine Würdigung seines eingeschlagenen Wegs: "Das ist keineswegs eine Lex Unterhaching oder eine Wildcard, sondern der Beginn einer nachhaltigen Entwicklung. Man sieht, dass unser Konzept, nicht nur junge Spieler, sondern auch Trainer auszubilden, Vorbildcharakter haben kann." Unterberger habe keinem anderen Bewerber einen Platz weggenommen, sondern sei zusätzlich aufgenommen worden und könne hier eine Art Pionierrolle für die Weiterentwicklung von Trainertalenten übernehmen. "Es muss einfach wieder mehr darum gehen, ob ein Coach zu einer Mannschaft passt, als darum, ob er die formalen Kriterien erfüllt, ein Profiteam zu trainieren", sagte Schwabl. Im Falle von Unterberger dürfte genau dies der Fall sein: Nach 22 Spielen hat Aufsteiger Unterhaching schon 31 Punkte auf dem Konto und ist auf einem guten Weg Richtung Klassenerhalt.

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