Süddeutsche Zeitung

DFB-Pokal:Hannover 96 verzweifelt an der Fußball-Logik

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Von Jörg Marwedel, Hannover

Fußball-Logik ist für Waldemar Anton, wenn ein Schiedsrichter in sechs strittigen Situationen mindestens "zweimal für uns pfeift". Der Kapitän von Hannover 96 beklagte nach dem 0:2 gegen den niedersächsischen Rivalen VfL Wolfsburg im DFB-Pokal das fehlende Glück. Referee Benjamin Cortus hatte dem Wolfsburger Jerôme Roussillon kein Rot wegen einer Notbremse gezeigt für dessen Rempler, der Takuma Asano vor dem Strafraum zu Fall brachte. Auch das Foul von Anthony Brooks gegen Bobby Wood an der Strafraumgrenze hat er in der Schlussphase ebenso wenig geahndet wie die Flanke von Florent Muslija, die den Arm von Roussillon traf. Das hatte für die Hannoveraner etwas Bitteres: beim 1:2 gegen den FC Augsburg am Wochenende hatte es nach einer ähnlichen Szene noch Strafstoß gegen die 96er gegeben, obwohl es für Genki Haraguchi aus der kurzen Entfernung keine Chance gab, den Arm noch zu verstecken.

Fußball-Logik ist auch, dass die inzwischen einigermaßen gesattelten Wolfsburger mit einer "ganz schlechten zweiten Halbzeit", wie es Torschütze Wout Weghorst formulierte (er traf in der Nachspielzeit, während Admir Mehmedi schon in der 19. Minute die Führung erzielte), über die Runden kamen. Auch, weil die Hannoveraner spätestens jetzt wieder im Bundesliga-Überlebenskampf angekommen sind und "nicht mehr vor Selbstvertrauen strotzen", wie Keeper Philipp Tschauner zu Protokoll gab. Während 96-Präsident Martin Kind und nach dem Pokal-Aus auch Kapitän Anton noch beschwichtigten, man sei trotz des 16. Tabellenplatzes noch nicht in einer brenzligen Situation, sprachen Manager Horst Heldt und Trainer André Breitenreiter das ungeliebte Wort erstmals aus.

Natürlich sei man im Abstiegskampf, analysierte Heldt, "aus meiner Sicht bringt es auch nichts, auf Zeit zu spielen, weil wir noch im ersten Drittel der Saison sind". Partner Breitenreiter sah es vor dem nächsten Punktspiel am Samstag bei Schalke 04 ähnlich: "Wir stecken im Abstiegskampf und benötigen jeden Punkt." Es nützte in diesem schlechten Fußballspiel mit extrem vielen Fehlpässen auch nichts, nach der Pause die "Brechstange" herauszuholen, wie Breitenreiter es nannte. Nämlich mit langen Pässe auf die sogenannten zweiten Bälle zu spekulieren und mit Wood nach der Pause einen weiteren Stürmer einzuwechseln. Zu schlecht haben sich bisher die meisten 96-Zugänge integriert. Weder Wood noch die Japaner Haraguchi und Asano bringen das Team voran - obwohl Asano mit einem Hackentrick auf Ihlas Bebou die größte Chance in der 45. Minute vorbereitete.

Und wenn auch Niklas Füllkrug noch ausfällt wie gegen Wolfsburg, wird es noch heikler. Der Torjäger leidet an einer alten Knieverletzung. Er wurde zu einem Spezialisten nach München geschickt, um womöglich etwas an seiner Statik zu ändern. Ob er auf Schalke auflaufen kann, ist noch fraglich.

Den Wolfsburgern wird eine fragwürdige Unterstützung zuteil

Die Wolfsburger dagegen hatten eine zumindest fragwürdige Unterstützung. Die Fans, welche die knapp 90 Kilometer lange Fahrt in die niedersächsische Landeshauptstadt zu einer "Motto-Fahrt" gemacht hatten, kamen in weißen Mönchskutten, die ein wenig an den rechtsradikalen Geheimbund Ku-Klux-Klan erinnerten. Dennoch bescheinigte Profi Maximilian Arnold den ungewöhnlich lauten VfL-Anhängern "eine astreine Leistung".

Auch Außenspieler Renato Steffen, der erst in der 57. Minute für den angeschlagenen Mehmedi eingewechselt worden war, trug auf seine Art zum Erfolg bei: als er nach einer knappen halben Stunde wieder ausgewechselt wurde, weil Labbadia im Endspurt auf eine Fünfer-Abwehrkette umstellen wollte, um den Sieg über die Zeit zu retten, ging er dem Trainer fast an den Kragen. "Emotionen gehören beim Fußball dazu, das brauchen wir in unserer Mannschaft", sagte Labbadia hinterher. Aber er erwarte auch, dass die Spieler eine solche Maßnahme akzeptieren. Selbst wenn einer gerade drei Tore gemacht hat, würde ich diese Entscheidung treffen. Es stehe immer der Erfolg der Mannschaft im Vordergrund. "Das werden wir sicherlich mit Renato klar besprechen." Auch das ist Fußball-Logik.

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