Süddeutsche Zeitung

Deutsche Eishockey-Liga:Wahnsinn auf dem Eis

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Die stark ersatzgeschwächten Nürnberg Ice Tigers kommen in Ingolstadt mit 2:7 unter die Räder. Der ERC kann dagegen ein verlustpunktfreies Wochenende verbuchen.

Von Christian Bernhard

Das Spiel war noch lange nicht zu Ende, da wollte Marcus Weber stellvertretend für die gesamte Mannschaft Abbitte leisten. "Wir müssen uns bei Turtle entschuldigen", sagte der Verteidiger der Nürnberg Ice Tigers nach dem Mitteldrittel des Derbys beim ERC Ingolstadt. Turtle, das ist der Spitzname für Nürnbergs Torhüter Niklas Treutle - seit Jahren einer der wichtigsten Spieler der Franken. Treutle hat in den vergangenen, nicht einfachen Jahren für die Ice Tigers einiges mitgemacht, so etwas wie am Sonntagnachmittag hat aber auch er nicht oft erlebt. Nach nicht einmal 38 gespielten Minuten hatte er bereits sieben Gegentore kassiert, am Ende stand eine 2:7-Niederlage auf dem Ingolstädter Videowürfel. "Das ist Wahnsinn, was wir da machen, egal ob Stürmer oder Verteidiger", fand Weber bei Magentasport.

Für die Nürnberger war es die zweite Derby-Niederlage des Wochenendes. Am Freitag hatten sie sich zuhause dem EHC Red Bull München mit 2:4 geschlagen geben müssen, was das Ende ihrer sieben Spiele andauernden Punkteserie bedeutet hatte. Gegen den Titelkandidaten aus München hatten die Ice Tigers allerdings trotz eines dezimierten Kaders gut dagegengehalten. Auch in Ingolstadt konnten sie aufgrund von Verletzungen und drei Spielern in Corona-Quarantäne nur mit vier gelernten Verteidigern antreten. Kapitän Patrick Reimer hatte vor der Sonntagspartie erklärt, die Personalsituation sei "überhaupt kein Problem", das München-Spiel habe gezeigt habe, "wie wir auch mit einem kleinen Kader spielen können". In Ingolstadt war davon allerdings nichts zu sehen. "Wir müssen uns jetzt erholen und um die Körper der Jungs kümmern", betonte Ice-Tigers-Sportdirektor Stefan Ustorf nach der Klatsche. "Im Moment gehen wir auf dem Zahnfleisch."

Den Ingolstädtern dagegen hat die Länderspielpause richtig gut getan. Sie machten nach dem 1:0-Auswärtssieg bei den Fischtown Pinguins am Freitag ihr Sechs-Punkte-Wochenende perfekt und bleiben die Mannschaft der Stunde in der Deutschen Eishockey Liga (DEL). Der Derbysieg war der fünfte Erfolg in den vergangenen sechs Partien, kein anderes Team holte in dieser Zeitspanne mehr Punkte als die Oberbayern (16 Zähler), die sich so unter den besten Sechs der Tabelle festsetzten.

Schon nach dem ersten Drittel führt Ingolstadt mit 3:0 - erst ganz am Schluss gelingen Nürnberg zwei Ehrentore

Das Derby begann mit dem frühen 1:0 von Frederik Storm (2.) bereits ganz nach dem Geschmack der Ingolstädter. Vom intensiven und aggressiven Spiel, das die Franken in den vergangenen Spielen ausgezeichnet hatte, war wenig zu sehen, da der ERC die Gäste mit seinem schnellen und flüssigen Spiel vor gehörige Probleme stellte. Verteidiger David Warsofsky erhöhte in Überzahl auf 2:0 (15.) und nur 47 Sekunden später stand es 3:0, als Justin Feser einen Wechselfehler der Franken mit einem platzierten Schuss bestrafte (16.). Feser hatte bereits am Freitag das entscheidende Tor zum 1:0-Auswärtssieg bei den Fischtown Pinguins erzielt. "Jeder hat Spaß an seinen Aufgaben", sagte der Stürmer zum positiven Gefühl, das sich in der Ingolstädter Kabine eingenistet hat.

Im Mitteldrittel ging es aus Nürnberger Sicht dahin. Beim Pfostentreffer von Chris Bourque in Minute 23 hatten sie noch Glück, doch dann wurde es "unfassbar bitter", wie Weber konstatierte. In eigener Überzahl kassierten die Franken innerhalb von 31 Sekunden zwei Gegentreffer, da sich Storm und Louis-Marc Aubry alleine auf den Weg machen und Treutle mit schicken Bewegungen überwinden konnten (26. und 27.). Ebenfalls bitter war der Verlust von Toptorschütze Tyler Sheehy, der verletzungsbedingt aus dem Spiel schied. Als Ice-Tigers-Trainer Tom Rowe direkt nach dem 0:5 eine Auszeit nahm, um sein wackelndes Team mit all seiner Erfahrung etwas zu beruhigen, dürften beim ein oder anderen Nürnberger Erinnerungen an die vergangene Saison hochgekommen sein, als die Franken in Ingolstadt mit 0:7 und 0:8 untergingen.

In diese Richtung ging es auch am Sonntag. Wayne Simpson markierte das 6:0 (33.), Fabio Wagner das 7:0 (38.). "Wir sind einfach viel zu offen und werden nach Strich und Faden ausgekontert", klagte Weber. Ryan Stoas Tore (39. und 56.) waren im wahrsten Sinn des Wortes nur Nürnberger Ergebniskosmetik. "Für das, dass wir so dünn besetzt waren, haben wir ein bisschen zu aggressiv, zu offen gespielt", sagte Ustorf. Das nächste Mal gelte es in so einer Situation, "intelligenter" zu agieren.

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