Süddeutsche Zeitung

Eishockey-Playoff-Halbfinale:44 Paraden bis zum Showdown

Lesezeit: 3 min

Wolfsburg gewinnt dank seines neuerlich überragenden Goalies Dustin Strahlmeier die sechste Partie mit 3:2 Toren und zwingt den EHC München in das siebte Spiel.

Von Christian Bernhard

In den Eishockey-Playoffs steigt nicht nur für die Spieler die Intensität, sondern auch für die Trainer. Das bekam Don Jackson am Ostersamstag zu spüren. Der Trainer des EHC Red Bull München zog sich beim Jubeln mit seinen Spielern eine kleine Schnittwunde unter seinem rechten Auge zu, der Helm seines Kapitäns Patrick Hager hatte diese im emotionalen Eifer verursacht. "Ich glaube, er kann es verkraften", sagte Hager lächelnd, "der musste früher mehr einstecken."Jackson hatte in den 1980er-Jahren zweimal an der Seite von Wayne Gretzky den Stanley Cup mit den Edmonton Oilers gewonnen, er war ein Verteidiger der harten Sorte. Mittlerweile ist er der Rekordtrainer der Deutschen Eishockey Liga (DEL), am Samstag feierte er durch das 3:2 im Playoff-Halbfinale gegen die Grizzlys Wolfsburg seinen 700. DEL-Sieg.

Doch um ins Endspiel einzuziehen, braucht Jackson Erfolg Nummer 701 - und den verpassten die Münchner am Ostermontag. 2:3 unterlagen sie in Wolfsburg, wodurch die Entscheidung um den Finaleinzug im alles entscheidenden siebten Spiel am Mittwoch in München fällt. Bitter sei das, sagte Münchens Angreifer Yasin Ehliz nach der Niederlage in Wolfsburg bei Magentasport: "Es ist wie die letzten Spiele auch: Wir haben mehr Schüsse und ein bisschen mehr vom Spiel, aber Wolfsburg ist einfach effizienter." Die Wolfsburger mussten wie schon im Viertelfinale gegen die Straubing Tigers Spiel sechs gewinnen, um nicht auszuscheiden. "Wir kennen diese Situation und haben es schon einmal geschafft, sie zu meistern", sagte Grizzlys Trainer Mike Stewart, der es als Trainer von Augsburg schon einmal in ein siebtes Playoff-Spiel gegen München geschafft hatte.

Wolfsburgs Trainer Mike Stewart hat die Münchner mit Augsburg schon einmal in den Showdown mit dem siebten Spiel gezwungen

Trotz der Anstrengungen der vorherigen Spiele war am Montag im Startdrittel viel Geschwindigkeit in der Partie. Für Münchens Verteidiger Maximilian Daubner fühlte es sich "etwas wild" an, es ging hin und her. Was ihm gefiel, war immerhin, dass sich der Hauptrundensieger einige sehr gute Torchancen herausspielte. Allerdings nutzte der EHC keine davon: Alleine Austin Ortega boten sich drei Top-Möglichkeiten (12., 15., 16.), eine davon bei einem Drei-gegen-eins-Konter, doch Dustin Strahlmeier im Grizzly-Tor parierte wie schon in der ganzen Serie sehr stark. "Meine Tochter würde sagen: 'Kranke Sau da im Tor'", sagte Wolfsburgs Team-Manager Sebastian Furchner, der in der vergangenen Saison nach mehr als 1000 DEL-Spielen seine Karriere beendet hatte, zu Strahlmeiers Leistungen. "Was Strahli leistet, ist super, genau das brauchen wir."

Münchens Chancenwucher wurde in Minute 18 bestraft, als die Wolfsburger nach einem guten Forecheck die Scheibe im EHC-Drittel eroberten, Darren Archibald sie vors Tor brachte und Trevor Mingoia dort das direkte Duell gegen Daryl Boyle gewann und die Scheibe aus kurzer Distanz an Mathias Niederberger vorbei zum 1:0 über die Torlinie drückte. In den Playoffs ist sehr oft die Rede davon, das Offensivspiel einfach zu halten. Das bedeutet: Scheibe aufs Tor, denn "dort passieren gute Dinge", wie der Allgäuer Furchner es formulierte. Und genau das taten die Wolfsburger auch zu Beginn des Mitteldrittels: Jordan Murray löffelte die Scheibe vors Münchner Tor, wo Tyler Morley sie zum 2:0 abfälschte (22.). Und Strahlmeier? Der machte da weiter, wo er in den ersten 20 Minuten aufgehört hatte: Gegen Trevor Parkes hielt er kurz nach dem 2:0 erneut bärenstark (23.).

Nach sechs Vergleichen in einer Serie gibt es keine Geheimnisse mehr, die Spieler wissen genau, was sie erwartet

Beide Mannschaften wussten bis ins Detail, was sie erwartete. Geheimnisse gebe es in Spiel sechs einer Playoffserie keine mehr, erklärte Hager, "das ist alles auf Video- und Eis-Ebene zerkleinert". Was da oft hilft: Überzahl. So auch am Montag, als Andreas Eder nach schönem Zusammenspiel mit Ben Street im Powerplay auf 1:2 verkürzte (34.). Das Momentum schien wieder auf die EHC-Seite zu wechseln, doch Fabio Pfohl vollendete einen sehenswerten Spielzug nur 82 Sekunden später zum 3:1 (35.). Mit dem erst elften Torschuss erzielten die Grizzlys ihr drittes Tor des Nachmittags. Münchens Torschütze Eder war nach dem Mitteldrittel bedient. "Wir spielen wahnsinnig schlecht", sagte der Nationalspieler, "wir können nicht weiter Geschenke verteilen."

Das taten die Münchner im Schlussdrittel nicht, im Gegenteil: Nach nur 47 Sekunden verkürzte Chris DeSousa auf 2:3. Allerdings schafften sie es trotz großen Drucks, speziell am Ende, nicht mehr, Strahlmeier ein weiteres Mal zu bezwingen. Der Nationaltorhüter beendete die Partie mit 44 Paraden. Auch deshalb fällt die Entscheidung nun in Spiel sieben. "Wir brennen auf das Spiel", sagte Ehliz direkt nach der Niederlage am Ostermontag, und fügte an. "Wer sich gedacht hat, dass wir locker durchmarschieren, der hat sich ordentlich getäuscht."

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