Süddeutsche Zeitung

Darts-WM:Deutschland gegen England

Lesezeit: 3 min

Gelernt haben sie Maler, Schlosser, Industriekaufmann und Handballtorwart: Bei der Darts-WM in London gelangen erstmals vier Deutsche gemeinsam in die Runde der besten 32. Auf das Quartett warten nun vier Engländer - eine Vorstellungsrunde.

Von Korbinian Eisenberger, London

In der nicht sonderlichen langen Geschichte erfolgreicher deutscher Pfeilwurfspezialisten ist etwas Historisches gelungen: Erstmals stehen bei der Darts-Weltmeisterschaft in London vier Männer aus Deutschland unter den verbliebenden Besten 32 der 96 gestarteten Teilnehmer. Für Martin Schindler aus Brandenburg und den Nürnberger Ricardo Pietreczko ist bereits das Erreichen von Runde drei ihr bisher größter Erfolg beim wichtigsten Branchenturnier. Der Saarwellinger Gabriel Clemens drang vor einem Jahr bis ins Halbfinale vor, steht aber vor einer komplizierten Aufgabe. Und Florian Hempel aus Köln? Dem ist nach seiner schier unglaublichen Aufholjagd gegen einen der Weltbesten im Londoner "Ally Pally" fast alles zuzutrauen. Von Mittwoch an heißt es nun: viermal Deutschland gegen England.

Florian Hempel

Niemand hätte noch eine olle Karnevalskamelle auf diesen Mann verwettet. Florian Hempel, der "Kölsche Jung", war sportlich erledigt in diesem Duell mit einem der Branchenbesten. Hempel, 33, lag mit 0:2 Sätzen hinten, und in Satz drei zudem mit 0:2 Legs. Sein gesetzter Gegner, der Belgier Dimitri van den Bergh, musste lediglich noch einen seiner Pfeile in einem Doppelfeld unterbringen, was ihm zuvor anstandslos gelungen war. An den Tischen und auf den Rängen widmeten sich die Menschen längst Vollzeit ihren Getränken und Gesängen, kaum einer folgte noch dem einseitigen Schauspiel. Doch dann: verfehlte der Belgier - und der Kölsche Jung nahm die Witterung auf. Drei Pfeile später hatte Hempel die komplizierte Kombi von 151 Punkten von der Scheibe gelöscht - und alsbald traf er alles, als hätte einer das Programm gewechselt. "Ich konnte auf einmal nicht mehr daneben werfen", sagte der einstige Zweitliga-Handballtorwart nach dem Spiel. Oder wie es in Torwartsprache heißt: Er war nun unhaltbar, enteilte dem Belgier und, nun ja, stürmte ins Ziel. Am Ende hatte er van den Bergh wie bereits bei der WM vor zwei Jahren - abermals überraschend - bezwungen. "Man darf den Glauben an sich nie verlieren", sagte Hempel danach. Sein nächster Gegner, der Briten Steven Bunting (Donnerstag, 13.30 Uhr), gilt in dieser Saison seinerseits als schwer haltbar. Er trägt zu Recht den Beinamen "The Bullet", was nicht Die Bulette heißt, sondern Das Geschoss.

Gabriel Clemens

Der 40 Jahre alte Gabriel Clemens ist hauptverantwortlich für den Darts-Hype hierzulande. Dabei ist er selbst eher ein ruhiger Mann, keiner für die lauten Töne. Bei den Dartsanhängern kommt er mit seinem Talent für Präzision jedenfalls sehr gut an. Der gelernte Schlosser beschert den beiden deutschen Sendern seit WM-Beginn abermals ein Millionenpublikum. Nach seinem Einzug ins Halbfinale vor einem Jahr - dem größten Erfolg eines deutschen Dartsspielers bisher - tat sich der als Weltranglisten-22. gesetzte Clemens in seinem Auftaktmatch gegen Newcomer Man Lok Leung aus Hongkong zeitweise schwer, gewann aber dank seines guten Timings mit dem finalen Pfeil souverän 3:1. Im Sechzehntelfinale erwartet Clemens nun eine komplizierte Aufgabe. Dem an Nummer elf geführten Dave Chisnall aus England wird nachgesagt, an guten Tagen jeden Spieler der Welt schlagen zu können. Die gute Nachricht für Gabriel Clemens: Ihm selbst wird genau das auch nachgesagt. Und so dürfte es am Mittwoch (gegen 15 Uhr) im Londoner Alexandra Palace spannend und eventuell gar hochklassig zugehen, wenn es heißt: "Gaga" gegen "Chizzy".

Martin Schindler

Das Auftaktmatch am Mittwoch (13.30 Uhr) bestreitet der im Ranking des Weltdartsverbands PDC zweitbeste deutsche Vertreter, Martin Schindler aus Strausberg bei Brandenburg. Schindler, 27, ist zwar der Jüngste im deutschen Quartett, allerdings schon reich an Erfahrung und seit 2017 auf der Profitour der PDC unterwegs. Zu Schindlers Stärken zählt, dass er seine Darbietungen an der Scheibe konstant auf ähnlich hohem Niveau zu zeigen vermag. Nur der ganz große Wurf, wenn man so will, ist ihm bisher noch nicht geglückt. Im Ally Pally steht er erstmals unter den besten 32 - seinen Gegner Jermaine Wattimena aus den Niederlanden fegte Schindler als gesetzter Spieler (Rang 26) wie im Vorbeigehen von der Bühne - und hat nun sehr gute Chancen, ins Achtelfinale einzuziehen, vielleicht die besten der vier Deutschen. Er profitiert vom Aus des Mitfavoriten Danny Noppert - und trifft nun auf den Briten Scott Williams. "Ich glaube, es ist kein Geheimnis zu sagen, dass Scott Williams ein einfacheres Los sein wird als Danny Noppert", so Schindler vor dem Spiel. Er dürfte dennoch gewarnt sein, denn Williams hat den hoch eingeschätzten Noppert schließlich mit 3:0 ebenfalls wie im Vorbeigehen geschlagen.

Ricardo Pietreczko

Man kann ihn sich gut vorstellen, wie er da steht, den Pinsel in der Hand und die Farbe an der Wand. Mit kritischem Blick prüfend, ob die weiße Schicht auch planmäßig verteilt ist. Wenn Ricardo Pietreczko mit dem Pfeil in der Hand vor der Dartsscheibe steht, erinnert er fast an einen Kunstmaler. Der 29-Jährige, gelernter Maler für Wand und Tür, ist die deutsche Neuentdeckung dieses fast vollendeten Jahres. Seine Kunst lernte das Auditorium erstmals bei seinem Sieg auf der European Tour beim Turnier in Hildesheim im Oktober zu schätzen. Zuvor war solch ein Erfolg erst einem Deutschen (Max Hopp 2018) gelungen. In Hildesheim zeigte er seine Präzisionskunst beim Zielen auf Doppelfelder am Scheibenrand. In dieser Teildisziplin gilt der Nürnberger als einer der Besten der Welt. Sein Problem: In Runde drei trifft "Pikachu" nun am Donnerstag (21.30 Uhr) auf Luke Humphries aus England, den Picasso des Gegenwarts-Darts.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.6324688
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.