Süddeutsche Zeitung

Cristiano Ronaldo:Streit ums Überbein

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Portugals Trainerteam verzichtet nun doch auf den Einsatz des verletzten Cristiano Ronaldo für die WM-Playoffs. Damit endet ein grotesker Streit mit Real Madrid.

J. Cáceres

Es sind nun schon 40 Tage, an denen der verletzte Cristiano Ronaldo nicht mehr gegen den Ball hat treten können, in aller Munde ist er dennoch. In Spanien, dem Land, in dem er bei Real Madrid als Stürmer sein Geld verdient, und in Portugal, wo er geboren wurde. Am vergangenen Sonntagabend, kurz vor 21 Uhr, hatte Portugals Nationaltrainer Carlos Queiroz die Nominierungen für die beiden Playoff-Spiele gegen Bosnien-Herzegowina bekanntgegeben, in denen Portugal am 14. und 18. November die Qualifikation für die kommende Fußball-WM erstreiten will.

Auch Ronaldo stand im Aufgebot des Verbandes FPF, was einen so dramatischen Konflikt um den teuersten Fußballer der Welt auslöste, dass selbst der eher bedächtigen Tageszeitung Público in Lissabon nur noch der Griff ins Kompendium der martialischen Begriffe blieb: "Cristiano Ronaldo: FPF und Real Madrid im offenen Krieg."

So groß wie eine Olive

In der Tat lassen sich im Konflikt um Ronaldo allerhand Elemente finden, die für gewöhnlich bewaffnete Auseinandersetzungen umgarnen. Desinformation, Propaganda, Gegenpropaganda, Unterstellungen, Einschüchterungen und vor allem ein eklatanter Mangel an Kommunikation.

Seit vier Tagen schon, so erfuhr die Zeitung El País, drückt Reals Sportdirektor Jorge Valdano beharrlich die Wahlwiederholungstaste, doch Carlos Queiroz - vor wenigen Jahren als Trainer bei Real so erfolglos, dass ihm das spanische Sportblatt Marca unterstellt, "bloß weiter pinkeln zu wollen als Real" - dieser Queiroz also geht nicht ans Telefon, wenn er die Nummer des Argentiniers auf dem Display aufscheinen sieht. Sondern drückt ihn einfach weg.

Immerhin konnte Queiroz in allen erdenklichen Medien nachlesen, -hören und -sehen, was Valdano ihm mitzuteilen hatte: dass Real Madrid den Spieler ,,nicht aus einer Laune'' heraus zurückhalten wolle, sondern wegen ernsthafter Gefahren für die Gesundheit. Wie dramatisch es um die steht, sollen die Ärzte Real Madrids dem Spieler gleich dreimal gesagt haben: "Es geht hier nicht um einen Monat Verletzungspause mehr oder weniger - es geht um deine Karriere." All die dramatisch klingende Sätze, all die Telefonversuche waren zumindest vorerst umsonst: Am Dienstag kletterte Ronaldo in ein Flugzeug nach Portugal.

Am Abend jedoch kehrte er zurück - die Portugiesen erwiesen sich als vernünftiger als vor ein paar Wochen. Damals hatte der verletzte Profi gegen den Rat der Real-Ärzte beim Spiel Portugals gegen Ungarn mitgewirkt - wohl auch, weil der Druck der portugiesischen Öffentlichkeit zu groß war: Sie hatte immer gern gerne Ronaldos Patriotismus angezweifelt. Ronaldo spielte und musste nach 20 Minuten mit Schmerzen ausgewechselt werden.

Der tiefere Grund: Ronaldo hat, wie viele Menschen, einen sogenannten Supernumerarier, eine Art Überbein innen am rechten Sprunggelenk. Dieses wurde durch einen Tritt von Olympique Marseilles Souleymane Diawara in Mitleidenschaft gezogen. Im Regelfall ist es linsengroß, bei Ronaldo soll es die Ausmaße einer Olive haben. Was wiederum die schmerzhaften und kaum abklingenden Reizungen erklärt.

Vergangene Woche suchte Ronaldo in den Niederlanden den Arzt Cornelius van Dijk auf, er gilt als Sprunggelenks-Koryphäe und hat Ronaldo schon einmal operiert. Van Dijk, so die Darstellung von Real Madrid, habe für Ronaldo ein spezielles Aufbauprogramm ausgearbeitet, dessen Schlüsselphase eigentlich in dieser Woche stattfinden sollte.

Das Ziel Reals ist es, Ronaldo bis zum 29. November fit zu bekommen, dann steht das Spitzenspiel beim FC Barcelona an. Real stellte dem portugiesischen Verband die ärztlichen Untersuchungsberichte zur Verfügung, doch in Lissabon glaubte man bis zuletzt an Schutzbehauptungen seitens der Spanier. Vor ein paar Tagen wartete die portugiesische Zeitung Correio de Manhã mit einem konspirativ aufgenommenen Foto auf, das Ronaldo angeblich beim Sprint zeigte.

Am Dienstag überschlugen sich schließlich die Ereignisse. Zwar hatte Portugals Trainerteam erklärt, dass man auf einen Ronaldo-Einsatz hoffe. Die Ärzte aber erkannten schließlich, dass Ronaldo spieluntauglich ist - wie von Real erklärt.

Die Befürchtungen, die Portugiesen könnten ihren Nationalhelden zumindest im Rückspiel gegen Bosnien am kommenden Mittwoch einsetzen, wenn's möglicherweise drauf ankommt, sind nun vorerst zerstreut. Ebenso obsolet: die Drohung Reals gegen Portugals Verband, auf Schadensersatz klagen zu wollen, wenn sich Ronaldos Verletzung bei einem neuerlichen Einsatz für Portugal verschlimmern sollte.

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Quelle:
SZ vom 11.11.2009
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