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Cristiano Ronaldo:"Das ist mir in meiner Karriere bisher noch nicht passiert"

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Von Matthias Schmid

Cristiano Ronaldo war plötzlich gerührt. Und es wirkte in diesem Moment überhaupt nicht aufgesetzt, nicht gespielt, sondern aufrichtig. Es heißt ja oft von diesem Fußballer, dass er ein eitler Gockel sei: ein Poser, der sich und sein Tun allzu wichtig nimmt. Doch auch der vielfache Weltfußballer von Real Madrid besitzt die Fähigkeit, Demut und Dankbarkeit zu zeigen.

Am Dienstagabend beim lockeren 3:0-Sieg im Viertelfinalhinspiel bei Juventus Turin lernten die Zuschauer diese neue Seite von Ronaldo kennen. Nach seinem Tor in der 64. Minute, einem Fallrückzieher aus elf Metern, der an Schönheit kaum zu übertreffen war, eilte er in die Kurve und feierte seinen zweiten Treffer in diesem Spiel mit seinen Mitspielern an der Eckfahne. Als diese schon wieder fortschlichen, drehte sich Ronaldo noch einmal zu den Zuschauern um und faltete seine Hände vor der Brust, um sich anschließend zu verbeugen - es war ein Zeichen tiefster Ergebenheit.

Was Ronaldo realisiert hatte: Die meisten der mehr als 40 000 Besucher im Juventus-Stadion hatten sich von ihren Sitzen erhoben, um ihm unter Bravo-Rufen für dessen Kunstwerk zu huldigen. Nicht kurz, sondern minutenlang.

"Ich muss den Juventus-Fans danken"

Sie feierten Ronaldo, als wäre er einer von ihnen. Doch er spielt nach wie vor für Real Madrid, wenn auch in den ungewohnten türkisfarbenen Auswärtstrikots. Als Ronaldo später vor die Mikrofone trat, fand er angemessene Worte. "Ich muss den Juventus-Fans danken", sagte er zunächst auf Englisch, er verhaspelte sich dann, weil er "Grazie" auf Italienisch sagen wollte, ihm aber das spanische "Gracias" herausrutsche. Bei den Fans kam seine Botschaft trotzdem an. "Was sie gemacht haben, ist unglaublich. Das ist mir in meiner bisherigen Karriere bisher noch nicht passiert. Ich bin sehr glücklich", gab Ronaldo zu. Er klang überwältigt.

Um die ganze Wucht des speziellen Moments besser einordnen zu können, muss man wissen, dass der Weltfußballer in der ersten Hälfte nach fast jedem Ballkontakt noch ausgepfiffen worden war. Vor allem nach seinem Tor in der dritten Minute zum 1:0, mit dem die Gäste aus Spanien früh die Basis für diesen besonderen Sieg legten. Sie fügten Juventus nämlich die erste Niederlage nach zuvor 25 ungeschlagenen Pflichtspielen (21 davon sogar ohne Gegentor) zu. "Es war ein großartiges Spiel. Hier 3:0 zu gewinnen, ist nicht einfach", fand Real-Trainer Zinedine Zidane.

Buffon vergleicht Ronaldo mit Maradona und Pelé

Aber die Geschichte des Abends war das Gemälde von Ronaldo und den anschließenden Huldigungen der italienischen Anhänger. Die Flanke von Dani Carvajal hatte Ronaldo so antizipiert, dass er in einer fließenden Bewegung - mit dem Rücken zum Tor - absprang und, quer in der Luft liegend, den Ball per Bogenlampe am verdutzt dreinblickenden Gianluigi Buffon ins Tor beförderte. "Cristiano ist ein Spieler auf einem außergewöhnlichen Niveau", lobte anschließend sogar der italienische Torhüter: "Wie auch Lionel Messi mit Barcelona hat er mit Real viele Titel geholt. Man kann ihn mit Messi, Maradona und Pelé vergleichen, das sind alles Spieler, die eine Partie alleine entscheiden können."

Wie sehr sich der von den gegnerischen Fans oft verschmähte Ronaldo über die ungewohnte Zuneigung und Wertschätzung der Zuschauer freute, erzählte hinterher sein Teamkollege Sergio Ramos. "Dass die Tifosi applaudiert haben, war für ihn etwas ganz besonders", sagte der Real-Kapitän.

Mit seinen beiden Toren vergrößerte Ronaldo auch seinen Vorsprung im Ranking der besten Europacup-Torschützen, der Portugiese hat bisher 122 Tore (allein 119 in der Champions League) gesammelt. Messi als Zweiter kommt auf 103 Treffer. "Ronaldo trainiert wie eine Maschine und überrascht uns in jeder Trainingseinheit", schwärmte sein Mitspieler Casemiro. "Heute war er unglaublich, er ist der Beste." Ronaldo bewies sogar noch, dass er auch Tore vorbereiten kann, mit einem sauberen Pass vor dem dritten Treffer durch Marcelo. Ihm jubelten die Fans von Juventus Turin allerdings nicht zu.

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