Süddeutsche Zeitung

HSV:Die Titz-Frage spaltet Hamburg

Lesezeit: 3 min

Von Jörg Marwedel, Hamburg

Bernhard Peters, Weltmeistertrainer im Hockey, hat seine Tätigkeiten im Fußball bisher vor allem im Hintergrund ausgeübt. Das hat einerseits mit dem auf den ersten Blick eher reservierten Wesen des 58-Jährigen zu tun, andererseits mit seinem Job. Bei der TSG Hoffenheim war er Leiter der Nachwuchsförderung, beim Hamburger SV ist er seit 2014 als "Direktor Sport" für das gleiche Aufgabenfeld zuständig. Doch vor dem nach 55 Jahren womöglich erst einmal letzten Bundesliga-Auswärtsspiel des HSV bei Eintracht Frankfurt ist Peters in die Offensive gegangen. Er fordert mit Nachdruck die Weiterbeschäftigung des im März zum Cheftrainer beförderten Christian Titz - unabhängig davon, ob Titz den Klassenverbleib noch erreicht.

Vor Kurzem lagen die Hamburger noch acht Punkte hinter dem Relegationsplatz, inzwischen sind es nur noch zwei Zähler, die den Klub vom Tabellensechzehnten Wolfsburg trennen. Dass Peters so vehement für den Mann eintritt, der den HSV "seit vier Jahren endlich wieder Fußball spielen lässt", wie Mittelfeldspieler Lewis Holtby in der vorigen Woche verlauten ließ, hat seinen Grund: Peters vergleicht Titz, 47, mit dem von ihm einst in Hoffenheim gecoachten Julian Nagelsmann, der vom Nachwuchs- zum begehrten Ausnahmetrainer aufstieg. Es sei eine außergewöhnliche Leistung von Titz, findet Peters, mitten in der Saison - unter hohem Tabellenstress - der Mannschaft "Mut, Initiative und Dominanz" beizubringen.

Andererseits hat Peters Strömungen in der Klubspitze mitbekommen. Der neue Aufsichtsratschef Bernd Hoffmann möchte nach einem Abstieg offenbar mit einem neuen Trainer weitermachen. Der Ausbildungsexperte Peters mischt sich also erstmals öffentlich in die Klubpolitik ein. Für ihn wird in dieser Frage die mittelfristige Zukunft des Klubs entschieden: "Wir brauchen beim HSV eine Kontinuität in der Gesamtidee, für was wir stehen wollen. Es geht nicht um Namen oder eine One-Man-Show." Wenn man will, könnte man das auch als Kritik am machtorientierten Hoffmann verstehen - jenem Mann, der von 2003 bis 2011 schon einmal Vorstandsvorsitzender war und von dem viele glauben, er wolle sich demnächst erneut in diese Position wählen lassen.

Rouven Schröder soll Hoffmanns Favorit sein

Hoffmann will zunächst mit einem neuen Sportchef nach seinem Gusto beim HSV Einfluss gewinnen. Das geht nur, wenn er diesen Mann in den Vorstand beruft, sonst würde nämlich der jetzige Vorstand und nicht der Aufsichtsrat über diese Position entscheiden. Und Frank Wettstein, bisher Finanzvorstand und derzeit Interimsvorstandschef, hat sich wie Peters klar für Titz ausgesprochen.

Hartnäckig hält sich das Gerücht, Hoffmanns Favorit als Sportvorstand sei Rouven Schröder, bisher in gleicher Funktion bei Mainz 05 tätig. Peters sagt diplomatisch: "Herr Hoffmann ist gut für den HSV, weil er viel Erfahrung im Fußball hat." Dann fügt er hinzu: "Ich bin sicher, er erkennt, dass unsere Idee des Fußballkonzepts, ausgehend vom Jugendbereich, unabhängig von der Liga gut ist für den HSV."

Dabei müsste Peters' Einschätzung für Hoffmann von großem Wert sein, wenn er seinen Plan umsetzen will, mit "jungen Wilden" einen Neustart zu wagen. Der Diplomsportlehrer Peters hat die darniederliegende Jugendabteilung in vier Jahren einschließlich des 2017 eingeweihten Campus auf ein neues Niveau gebracht. 2009 hatte sich Hoffmann in diesen Bereich eingemischt und dem damaligen Sportchef Dietmar Beiersdorfer vorgehalten, keine Talente hervorgebracht zu haben.

Peters, der seine Aufgabe auch darin sieht, "zu moderieren und zu provozieren, um alle aus der Komfortzone herauszuholen", kann inzwischen auf viele hauseigene Talente verweisen, die dem Klub schon jetzt helfen: Tatsuya Ito und Matti Steinmann sind unter Titz Stammspieler geworden - und Jann-Fiete Arp, Torjäger der U17-Nationalelf, wird längst mit dem der FC Bayern in Verbindung gebracht.

Dass Titz kein klassischer "Rettungstrainer" ist, sondern jemand, der eine Idee von Fußball nachhaltig und ehrgeizig verfolgt, ist für Peters klar: "Wir haben nicht in zehn Wochen einen Zauberer entwickelt." Er kenne Titz seit dreieinhalb Jahren, der habe seitdem "die Ideen weiterentwickelt". Das könne man auch an den Erfolgen der U21 in der Regionalliga Nord sehen. Das bis vor Kurzem von Titz trainierte Team hat erstmals die Chance, in die dritte Liga aufzusteigen. Den gebürtigen Mannheimer beschreibt Peters so: "Kommunikativ, ehrlich, direkt." Titz habe "alle Facetten des Trainerkönnens", um in der Bundesliga zu bestehen.

Mehr Werbung geht nicht. Und wenn Titz in Frankfurt der vierte Sieg im fünften Spiel gelänge, könnte vielleicht auch Hoffmann noch umdenken. Und zwar unabhängig davon, in welcher Liga die Hamburger in der nächsten Saison spielen.

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SZ vom 05.05.2018
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