Süddeutsche Zeitung

Champions League: Finale:Das neue Ziel heißt München

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Nach dem 0:2 im Finale der Champions League gegen Inter Mailand will sich der FC Bayern nicht lange mit dem Frust von Bernabeu aufhalten. Ribéry verlängert seinen Vertrag, der Klub glaubt an eine Zukunft voller Erfolge mit Trainer van Gaal - und denkt an das Finale 2012.

Johannes Aumüller, Madrid

Dutzende, ja wahrscheinlich Hunderte Mal haben sie in den vergangenen Wochen dieses Lied angestimmt. Sie haben es gesungen, gegrölt und zelebriert. Auf der großen Meisterschaftssause und auf der großen DFB-Pokal-Sieg-Feier. In den Bars und auf dem Marienplatz. Mit Trainer und ohne Trainer.

Und nun stehen die Spieler des FC Bayern noch einmal auf der Bühne, um den vielgehörten "Stern des Südens" darzubieten. Doch all die Sangesfreude ist dahin, heraus kommt eine eher lahme Nummer.

Die Stimmung ist doch merklich gedrückt, als die Münchner wenige Stunden nach der 0:2-Niederlage gegen Inter Mailand zu ihrem großen Jahresabschlussbankett zusammenkommen. Viel haben sie in dieser Saison erreicht, die Meisterschaft, den DFB-Pokal und das Finale in der Champions League. Doch die ganz große Krönung, das sowohl in der Klub- wie auch in der nationalen Fußball-Historie einmalige Triple, das haben sie verpasst.

Wegen der radikalen Mauertaktik von Inters Trainer José Mourinho, einiger ausgelassener Chancen und eines wahnsinnig gut aufgelegten Mailänder Angreifers Diego Milito, der beide Treffer erzielte (35., 70.).

"Wir waren zu ängstlich"

"Ich bin enttäuscht", sagt Philipp Lahm, der stellvertretende Kapitän. "Wir haben in der ersten Halbzeit zu ängstlich gespielt. Es war eben ein Champions-League-Finale, und wir hatten viele junge Spieler. Wir haben uns viel vorgenommen, konnten es aber nicht umsetzen."

Sein Trainer Louis van Gaal erscheint bei der Pressekonferenz mit ungewohnt brüchiger Stimme. Er lobt seine Mannschaft, ihren Spielstil und ihren Einsatz, er sagt aber auch: "Wir haben Chancen kreiert, aber nicht so viele wie sonst. Wir waren heute nicht in der allerbesten Verfassung." Und wer nicht viele Chancen kreiert und nicht in der allerbesten Verfassung ist, hat gegen Inter keine Chance. So einfach ist das.

Dabei verwies Ehrenpräsident Franz Beckenbauer noch einmal auf den gesperrten Franck Ribéry: "Mit Ribéry hätten wir nie verloren. Er hat an allen Ecken und Enden gefehlt." Immerhin, beim nächsten Finale des FC Bayern könnte der Franzose dabei sein: Am Morgen nach dem Finale verkündete der Verein, dass Ribéry seinen Vertrag in München bis 2015 verlängert hat.

Diese Unterschrift "ist ein Zeichen für die großen Ziele des FC Bayern in den kommenden Jahren", sagte Vorstandsvorsitzender Karl-Heinz Rummenigge. Im Finale von Madrid allerdings, das gaben einige zu, war Inter für den FC Bayern ohne Ribéry eine Nummer zu groß.

"Das Spiel hat gezeigt, dass wir einfach noch nicht so weit sind", sagt Sportdirektor Christian Nerlinger. Wahrscheinlich schmerzt Spieler, Trainer und Funktionäre das Ergebnis so sehr, weil sie wissen, wie unwahrscheinlich es ist, in naher Zukunft noch einmal eine ähnlich historische Triple-Chance zu bekommen.

Dass Louis van Gaal Trainer bleibt, ist trotz zwischenzeitlicher Koketterie mit der Vertragsauflösung klar. Dass er sein Spielsystem weiter verfeinert, mit dieser Mannschaft der allererste Kandidat auf die Meisterschaft ist und tatsächlich so etwas wie eine Ära einläuten kann, auch.

Wobei es jetzt schon absehbar ist, dass der Start in die neue Saison alles andere als einfach wird: Bis auf Van Buyten und Olic fahren alle Bayern-Stammspieler zur WM nach Südafrika, und zudem einige aus der zweiten Reihe wie Klose und Gomez. Ein Stolperbeginn wie in der abgelaufenen Saison wäre kaum verwunderlich.

Und selbst wenn es in der Meisterschaft klappen sollte: Das Abschneiden im DFB-Pokal ist kaum planbar, und das in der Champions League erst recht nicht. Denn bei aller Euphorie rund um den neuen Spielstil weiß auch van Gaal, dass in der Champions League vieles sehr zu Gunsten seiner Mannschaft gelaufen ist.

Juventus hat's am fünften Vorrundenspieltag nicht fertig gebracht, gegen Bordeaux zu gewinnen - dann wäre Bayern in der Vorrunde ausgeschieden gewesen. Im Achtelfinale gegen Florenz übersah der norwegische Schiedsrichter Övrebö eine klare Abseitsstellung, die zum vorentscheidenden Bayern-Tor führte. Im Viertelfinale gegen Manchester war beim scheinbar aussichtslosen Stand von 0:3 Ivica Olic wie aus dem Nichts da und sorgte für neue Hoffnung. Es ist zweifelsohne das Glück des Tüchtigen und das Glück des Spielstarken - aber ohne dieses Glück endet die Champions-League-Reise des FCB eben ein paar Wochen oder gar ein paar Monate früher.

Präsident Uli Hoeneß jedenfalls gibt sich überzeugt, dass sich seine Mannschaft von nun an ganz oben in Europas Königsklasse behauptet. "Wenn ich da ans Finale in München 2012 denke - es gibt also noch viel zu träumen!", sagt er nach dem Abpfiff - und spielte damit auf eine Situation an, die der FC Bayern schon einmal erlebt hat. 1999 verpasste er den Champions-League-Sieg nur knapp, zwei Jahre später triumphierte er in Mailand gegen den FC Valencia. Sollte sich diese Konstellation in den Jahren 2010 und 2012 etwa wiederholen?

Größe in der Niederlage

Der Zwei-Jahres-Plan des Uli Hoeneß blieb nicht die einzige optimistische Aussage des Abends. Auch Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge versuchte es schon bald nach der Niederlage mit Aufbauarbeit. "In der Stunde der Niederlage zeigt sich die wahre Qualität einer Mannschaft", sagt er in seiner Ansprache beim Bankett. "Ich bin stolz auf diesen Trainer, auf diese Mannschaft und auf alle, die in diesem Verein mitwirken."

Und dieser Stolz ist ja durchaus angebracht. Wer will, kann die Saison 2009/10 als die erfolgreichste Spielzeit der Vereinsgeschichte ansehen. Denn in den acht Jahren, in denen sie das nationale Double gewannen, war ihr bestes internationales Abschneiden das Champions-League-Halbfinale gewesen. Und als sie 1974 die Meisterschaft und den damaligen Europapokal der Landesmeister für sich entschieden, war im DFB-Pokal im Halbfinale Schluss gewesen.

Nun ist diese erfolgreichste Spielzeit der Vereinsgeschichte also mit einem 0:2 zu Ende gegangen - und mit einem Handdruck vom Trainer für alle Spieler, wie van Gaal erzählte. Was der zu bedeuten hat?

"Die Hand bedeutet, dass ich stolz bin."

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