Süddeutsche Zeitung

Bundesliga-Transfers:Adler rettet das Torwartland

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Bei Mainz 05 kann sich der ehemalige Wunderknabe René Adler noch einmal beweisen - und nebenbei die deutsche Torhüter-Ehre wiederherstellen.

Von Christof Kneer, München

Das wäre mal wieder eine Geschichte gewesen, für die der Fußball Respekt und Anerkennung verdient hätte. Wenn der Torhüter René Adler in diesem Sommer tatsächlich zum FC Bayern gewechselt wäre, um hinter dem örtlichen Torwart Neuer ein exquisiter Reservist zu sein, dann hätten alle die schönen, alten Bilder rausholen und die schönen, alten Geschichten erzählen können: Wie Adler und Neuer einst fast zeitgleich dem deutschen Fußball erschienen, wie der eine in Leverkusen den etablierten Jörg Butt und der andere auf Schalke den ebenfalls etablierten Frank Rost verdrängte und wie die Experten im Land fast einen Glaubenskrieg im Beatles-oder-Stones-Bereich anzettelten, um diese Fragen zu klären. Wer von den beiden wird mal besser? Wer von den beiden wird in Zukunft noch mehr Weltklasse sein als der andere? Adler oder Neuer?

Der einzige, der den Hype übertrieben fand, war der Nationaltorwart Jens Lehmann, der nicht davon ausging, jemals ersetzbar zu sein. Aber das nur nebenbei.

Nein, René Adler wird nun doch nicht Neuers Stellvertreter auf Erden werden, all die Geschichten waren schön, aber eben auch schön erfunden. Der FC Bayern wird den Torwart Sven Ulreich als Back-up für Sankt Manuel behalten, Adler war in München nie ein Thema. Dennoch wird Adler in der neuen Saison in München antreten, beim Auswärtsspiel mit seinem neuen Verein Mainz 05. Dort unterschrieb Adler am Donnerstag einen Vertrag über zwei Jahre, er kommt ablösefrei vom Hamburger SV.

Adler nach Mainz: Das ist eine Personalie, in der mindestens zweieinhalb Geschichten stecken. Die halbe Geschichte ist der FSV Mainz 05, jener einstige Kultverein, der zuletzt zu einem ganz normalen Verein mit ganz normalen Abstiegssorgen geschrumpft war. Dieser Verein darf nun mit der Verpflichtung eines früheren Nationaltorwarts mal wieder "ein Zeichen setzen", wie Manager Rouven Schröder sagt.

Die zweite Geschichte ist Adler selbst, der der Branche mit 32 schon noch mal zeigen will, dass er noch nicht fertig ist mit ihr. Im April hat er erklärt, dass er seinen Vertrag beim HSV auslaufen lässt, womit er dem Klub womöglich nur zuvorkam.

In Hamburg halten sie Adler unverändert für einen ausgezeichneten Torwart, aber sie kennen natürlich auch seine Personalakte, in der neben hohen Gehaltszahlen auch zahlreiche Fehlmeldungen notiert sind. Stattdessen haben die Hamburger nun aus Kaiserslautern den sehr jungen und sehr gesunden Julian Pollersbeck verpflichtet, der mit der deutschen U 21 in Polen gerade eine recht bemerkenswerte Junioren-Europameisterschaft spielt.

Pollersbeck beim HSV, Adler in Mainz: Das führt zur dritten Geschichte, und es ist eine, die dem deutschen Fußball wichtig sein dürfte. Die vergangene Saison war ja fast schon rufschädigend für die Bundesliga, die sich seit Jahrzehnten - zurecht - eine Menge auf die Qualität der inländischen Torhüter einbildet. Manuel Neuers routiniert herausragende Leistungen haben zuletzt aber etwas davon abgelenkt, dass tatsächlich die Hälfte der Ligatore von ausländischen Fachkräften besetzt war. Die Ligakeeper kamen entweder aus der Schweiz (Sommer, Bürki, Hitz), oder sie hießen Jarstein, Gulacsi, Hradecky, Casteels, Hansen oder Jonas Lössl - Letzterer, ein Däne aus der französischen Liga, bewachte das Tor der Mainzer aber nur mit mäßigen Erfolg, weshalb sie dort jetzt wieder auf deutsche Wertarbeit setzen: auf René Adler eben, der dem Torwartland wieder zu seinem Recht verhelfen wird. Die deutschen Torhüter dürften in der neuen Saison zumindest quantitativ wieder vorne liegen.

Die Bundesliga muss sich aber auch um die Qualität ihrer Sepp-Maier-Nachfahren keine Sorgen machen, für die vergangene Saison gibt es mildernde Umstände: Die Quote einheimischer Keeper war auch deshalb so gering, weil sich nach Marc-André ter Stegen weitere Kollegen ins Ausland locken ließen. Ron-Robert Zieler wechselte zu Leicester City, Loris Karius (übrigens zuvor bei Mainz 05 beschäftigt) zum FC Liverpool, aber das Schicksal der Abtrünnigen dürfte die Bundesliga beruhigen: Glücklich wurden Zieler und Karius in der Fremde bislang nicht, sie üben ihre Jobs vorwiegend im Sitzen aus.

Womöglich wird diese Geschichte auch Bernd Leno zu denken geben, der trotz seiner jüngsten Patzer beim im DFB-Trikot von europäischen Topklubs umschwärmt wird. Zu hören ist, dass er nun wohl doch bei Bayer Leverkusen bleibt, wo er einst übrigens einen gewissen René Adler verdrängte.

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Quelle:
SZ vom 23.06.2017
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