Süddeutsche Zeitung

Bundesliga:BVB hat die Pubertät überwunden

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Kommentar von Freddie Röckenhaus

Wird Borussia Dortmund noch deutscher Meister? Nein, dieses Jahr nicht mehr. Nun gut, der BVB gewinnt zum Rückrundenstart souverän beim hochkarätigen Verfolger Mönchengladbach, er hat knapp nach Saison-Halbzeit schon atemberaubende elf, zwölf Punkte Vorsprung auf die vermeintlich größten Konkurrenten, Gladbach, Wolfsburg, Schalke, Leverkusen. Und Dortmund spielt einen reifen, technisch hochstehenden Fußball. Vielleicht reifer als je zuvor.

Meister wird der BVB trotzdem nicht mehr, auch wenn so ziemlich alle Nicht-Bayern-Anhänger noch so hartnäckig ihre letzten Hoffnungen auf ein bisschen Spannung den Dortmundern hinterhertragen wollen. Und auch wenn BVB-Stimmungskanone Pierre-Emerick Aubameyang den Bayern-Titel noch nicht wahrhaben will. Der Spannungsabfall ist schade für die deutsche Liga, die sich so gern als Klasse-Liga mit Engländern und Spaniern messen will.

Dortmunds Trost: Erwachsener Zweiter zu sein

Dortmund kann sich damit trösten, dass Thomas Tuchel beim BVB in nur einem halben Jahr verschüttete kreative Kräfte wecken konnte. Aus der Pressingmaschine Kloppscher Prägung ist eine Mannschaft geworden, die erwachsener auftritt, die ihre individuelle Überlegenheit nun ausspielt, die den Ball am liebsten selbst in den eigenen Reihen hält - und das Pressing nur noch als Variante im Repertoire hat.

In der Winterpause hat man zudem erleben können, wie gelassen Dortmund inzwischen mit dem üblichen Gerüchte-Gewitter um seine begehrten Spieler umgehen kann. Schwindelerregende Summen, kolportiert in englischen und spanischen Medien, werden vom BVB-Management nicht mehr groß zur Kenntnis genommen.

Profis wie Torjäger Aubameyang oder Marco Reus gelten, angesichts ihrer langen Vertrags-Laufzeiten, schlicht als unverkäuflich. Mit zig Millionen Euro auf der Bank kann es sich Dortmund inzwischen leisten, auf lancierte oder ernsthafte Angebote nur noch mit einem Achselzucken zu antworten.

Ob Dortmund Meister werden kann, tritt für die BVB-Macher und zunehmend wohl auch für die Führungsspieler hinter die Frage zurück, ob sich der Klub finanziell und vom Gesamtgewicht her allmählich in der Schwergewichts-Klasse Europas eingefunden hat.

Der Acht-Punkte-Rückstand auf die Bayern ist eine Momentaufnahme. Aber die Art und Weise, wie der BVB sich vom Rest der Bundesliga abgesetzt hat und von Bayern-Coach Guardiola zuletzt als "eine der fünf Top-Mannschaften in Europa" eingestuft wird, macht den tatsächlichen Sprung aus, der Dortmund gelungen ist.

Anders als in den Klopp-Jahren hat der BVB und hat seine aktuelle Mannschaft das Image des dauerpubertierenden, aufbegehrenden Außenseiters abgelegt. Das hat viel mit Tuchel zu tun, auch damit, dass der BVB inzwischen deutlich bessere Gehälter zahlen kann. Dass Boss Watzke Platz zwei für die wahre BVB-Meisterschaft in dieser Saison hält, ist in Dortmund tatsächlich verschmerzbar. Irgendwie eine Klasse für sich zu sein, ist nicht das Schlechteste.

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Quelle:
SZ vom 24.01.2016
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