Süddeutsche Zeitung

Nach Zusammenstoß in Bielefeld:Kalajdzic eilt mit der Trage zur Hilfe

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Ein heftiger Zusammenprall überschattet das 1:1 zwischen Bielefeld und Stuttgart. VfB-Stürmer Sasa Kalajdzic wird zum ungewöhnlichen Ersthelfer - und wird dafür gefeiert.

Von Ulrich Hartmann, Bielefeld

Eines der ältesten Bielefelder Fußball-Lieder beginnt mit dem Verweis aufs Wesentliche: "Ein Ball, ein Schuss, ein Schrei, ein Tor." Es ist dies die erste Zeile des Liedes "Arminia, wie schön sind deine Tore" aus dem Jahr 1978. Am Samstag wurde es vor dem Spiel gegen den VfB Stuttgart erstmals seit zwei Jahren wieder in einem mit etwa 26 000 Zuschauern ausverkauften Stadion gesungen, es gipfelt in der Zeile: "Dass unsere Stürmer spitze sind, weiß jedes Kind."

An genau dieser These allerdings hatte es zuletzt erhebliche Zweifel gegeben. Mittlerweile 42 Tage lang hat Arminia Bielefeld nicht mehr gewonnen und schlimmer noch: Die allseits als spitze bekannten Stürmer hatten spielübergreifend 7:36 Stunden kein Tor mehr geschossen, als dem Angreifer Florian Krüger am Samstag um 16:47 Uhr in der 59. Minute ein Treffer gelang, der sich später noch als einer der wichtigsten für die Arminia in dieser Saison entpuppen könnte. Ball, Schuss, Schrei, Tor: Krügers erster Bundesliga-Treffer bedeutete für die Bielefelder ein äußerst schmeichelhaftes 1:1 (0:1), einen eigenen Punkt und entsprechend auch nur einen Zähler für den Tabellennachbarn Stuttgart, der die Partie eigentlich klar hätte gewinnen müssen.

Das Bielefelder Aufatmen und die Stuttgarter Enttäuschung relativierten sich noch in der Nachspielzeit, als in einem Kopfballduell der Bielefelder Alessandro Schöpf seinem Mitspieler Fabian Klos mit dem Schädel ins Gesicht krachte und dort ein massives Hämatom verursachte und im schlimmsten Fall auch den einen oder anderen Knochen brach. Alle Beteiligten waren sichtlich geschockt und taten sich schwer, das Spiel halbwegs nüchtern zu analysieren.

Trotzdem betonten beide Seiten nach dem Spiel, dass es ein glückliches Unentschieden für die Bielefelder war. Klarste Möglichkeiten durch die Stuttgarter Omar Marmoush (40.), Tiago Tomas (54., 67.), Pascal Stenzel und Konstantinos Mavropanos (beide 77.) hätten das Spiel auch 5:1 enden lassen können. Das einzige Tor für den VfB erforderte indes einen Elfmeter in der 25. Minute, den der Bielefelder Patrick Wimmer mit einem Handspiel verschuldete und den Sasa Kalajdzic verwandelte.

Das ganze Stadion applaudiert Kalajdzic

Dass das 0:1 durch einen Elfmeter zustande kam, bedeutete für die Bielefelder die Fortsetzung eines kleinen Traumas, denn bereits ihre vorangegangenen drei Gegentreffer bei der 0:4-Niederlage zwei Wochen zuvor in Mainz waren durch Strafstöße gefallen. Vier Elfmeter-Gegentreffer in Serie binnen spielübergreifenden 50 Minuten sind außergewöhnlich, "insofern war das auch eine Kopfsache", sagte Bielefelds Torschütze Krüger und erklärte damit, warum seine Mannschaft nach dem Gegentreffer für längere Zeit nicht mehr so recht im Spiel gewesen war.

Die Stuttgarter verpassten den dritten Sieg im vierten Spiel, dieser hätte sie in der Tabelle weiter von der Abstiegszone entfernen können. So aber bleibt dort drunten alles dicht zusammen. "Das waren heute zwei Punkte zu wenig für uns", fand auch VfB-Trainer Pellegrino Matarazzo, "wir haben leider zu viele gute Chancen nicht genutzt." Sportchef Sven Mislintat gab seinem Trainer Recht, dass man mit diesem Remis "natürlich nicht zufrieden" sein könne, die Leistung indes mache Mut.

Fairnesspreiswürdig war nach dem kolossalen Bielefelder Zusammenprall zwischen Fabian Klos und Alessandro Schöpf in der Nachspielzeit das Verhalten des Stuttgarter Angreifers Sasa Kalajdzic, der zwei Sanitätern die Trage aus den Händen riss und im Laufschritt zum Unfallort in der Mitte des Spielfelds brachte. Das ganze Stadion applaudierte dem Stuttgarter. "Eine außergewöhnliche Aktion vom Sasa!", lobte auch Bielefelds Trainer Frank Kramer. Dies sei eine Szene gewesen, die zeige, wie gut das Verhältnis zwischen den Spielern in der Bundesliga vereinsübergreifend sei, auch wenn man dies während der Partien manchmal nicht so erkennen könne.

Klos, der minutenlang am Kopf behandelt wurde, wurde nach dem Zusammenprall ins Krankenhaus gebracht, wie Kramer bestätigte. "Wir sind in Gedanken bei ihm und hoffen, dass es doch irgendwie glücklicher ist, als es ausgesehen hat", sagte Kramer, der von gedrückter Stimmung in der Kabine berichtete. "Ziemlich brutal, wenn man auch um die Vorgeschichte weiß - die Verletzung, die er vor ein paar Jahren hatte. Das ist schon ziemlich krass." Klos hatte sich 2013 bereits schwerer am Kopf verletzt. Am Sonntagmittag informierte Arminia darüber, dass der Verein "auf unbestimmte Zeit" auf Klos verzichten müsse, der 34-Jährige habe sich "eine schwere Kopfverletzung" zugezogen und falle aus.

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