Süddeutsche Zeitung

Beachvolleyballer Julius Thole:Lieber im Hörsaal büffeln

Lesezeit: 3 min

Mit nur 24 Jahren beendet Julius Thole seine Karriere im Beachvolleyball - und sprengt das beste deutsche Männer-Duo. Seine Entscheidung wirft die Frage auf, wie gut Spitzensport und Ausbildung zu vereinen sind.

Von Sebastian Winter

Julius Thole war nie jemand, der mit zusammengepressten Lippen durch die Gegend läuft. Manchmal schien es bei internationalen Beachvolleyball-Turnieren eher so zu sein, als würde der 2,06 Meter lange Blocker seine Gegner nicht nur einfach an den Händen abprallen lassen, sondern - noch schmerzhafter - mit seinem zusätzlichen breiten Grinsen.

Am Montag grinste Thole allerdings nicht bei einer virtuellen Pressekonferenz, jedenfalls nicht am Anfang. Auch sein Partner Clemens Wickler, der Abwehrexperte, saß versteinert vor dem Laptop. Solche Runden sind rar gesägt in diesem Sport, vor Weltmeisterschaften oder Olympischen Spielen gibt es sie vielleicht mal - oder wenn der gemeinsame Weg zu Ende geht. Es war also nicht unwahrscheinlich, dass Richtungsweisendes verkündet wird, eher fernab des Sportlichen, die Saison ist ja vorbei. Thole, 24, sagte dann: "Ich möchte meine Karriere als Hochleistungssportler zum Jahresende beenden." Damit war dann doch nicht zu rechnen gewesen.

Der Weg als Perspektivteam Nummer eins Richtung Olympia 2024 schien vorgezeichnet zu sein

Auch für den Deutschen Volleyball-Verband kam die Entscheidung überraschend, er verliert sein Wunsch- und Vorzeige-Duo. Der Hamburger Thole hatte sich mit dem Starnberger Wickler in der gemeinsamen Zeit seit 2018 zum mit Abstand besten deutschen Männer-Duo entwickelt, bei ihrer Heim-Weltmeisterschaft am Rothenbaum waren sie in der Hansestadt im Sommer 2019 im ausverkauften Stadion ins Finale gelangt, wo sie den Russen Krasilnikow/Stojanowski unterlagen.

Zwei Monate später gewannen sie beim World-Tour-Finale in Rom ebenfalls Silber. Trotz Verletzungen und Formdellen erreichten Thole und Wickler bei den Olympischen Spielen in Tokio das Viertelfinale - dort waren die russischen Weltmeister wieder zu stark. Dennoch: Der Weg als Perspektivteam Nummer eins Richtung 2024 in Paris schien vorgezeichnet zu sein - im besten Fall als sportliche Erben der Olympia-Goldgewinner Julius Brink/Jonas Reckermann und Laura Ludwig/Kira Walkenhorst.

Thole möchte diesen Weg nun nicht mehr mitgehen, er begründete seine Entscheidung am Montag damit, Beachvolleyball in den nächsten drei Jahren wegen seines Studiums nicht mehr mit voller Hingabe ausüben zu können: " Ich möchte mein Jurastudium intensivieren und vertiefen", sagte Thole, der das Erste Staatsexamen vor sich hat, "und das ist mit dem Einsatz für den Sport nicht mehr vereinbar."

Er freue sich zugleich "auf ein Leben, das ich freier gestalten kann, mehr als Lernen und Vorlesungen besuchen. Vielleicht eine neue Sprache lernen, ein Auslandssemester machen, in andere Fachrichtungen reinschauen". Oder mal Badminton und Tennis spielen, wie früher, ohne großen Druck.

Tholes Entscheidung wirft wieder mal die Frage auf, wie gut Spitzensport und Studium in Deutschland zu vereinen sind. In einem Land, das zwar Sporthilfe, Sportfördergruppen und andere Mittel zur Unterstützung der Athleten hat, aber in dem gerade in schlechter ausgeleuchteten Disziplinen immer wieder Athletinnen und Athleten früh ihre Leistungssport-Karriere beenden. Tholes Fall zeigt, dass es bei vergleichsweise aufwändigen Studiengängen, wie Jura oder Medizin, offenbar doch noch Schranken gibt, um beides auf höchstem Niveau zu bewältigen.

Clemens Wickler war im Heimaturlaub in Starnberg, als Thole ihn vor zehn Tagen anrief

Thole selbst wollte am Montag keine Systemkritik äußern, er lobte die Arbeit am Bundesstützpunkt in Hamburg, wo die meisten Beachvolleyball-Profis versammelt sind, der in den vergangenen Jahren aber auch einige Kritik einstecken musste: "Ich glaube, die Zentralisierung ist sehr hilfreich, wir haben auch eine Laufbahnberaterin am Olympiastützpunkt." Andere, wie das Frauen-Duo Karla Borger und Julia Sude, das kürzlich das Weltserien-Finale auf Sardinien gewann, arbeiten zugleich fernab am Bundesstützpunkt in Stuttgart mit eigenem Stab zusammen, weil sie sich dort besser betreut fühlen.

Clemens Wickler war übrigens im Heimaturlaub in Starnberg, als Thole ihn vor zehn Tagen anrief. "Ich war überrascht, kurz geschockt, habe mich dann aber recht schnell wieder gefangen", sagt der 26-Jährige. Auch weil sein Partner ihm die Entscheidung sehr plausibel erklärt habe. Und wie das so ist, glühten danach die Drähte zwischen Spielern, Trainern und Management. Ein neuer Blocker musste ja her für den wohl besten deutschen Abwehrspieler.

Der Berliner Nils Ehlers, 27, soll diese Rolle künftig ausfüllen, 2,10 Meter lang, EM-Fünfter, ein erfahrener World-Tour-Spieler, der noch auf den Durchbruch wartet. Am vergangenen Wochenende hat Ehlers schon mit Wickler in Hamburg trainiert, nachdem er seinem eigentlichen Partner den Wechsel offenbart hatte. "Der Dominoeffekt ist in Gang gesetzt", sagt Ehlers, "so ist das in unserem Sport." Thole war das erste Steinchen, das gefallen ist - allerdings in einer sehr selbstbestimmten Art und Weise.

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