Süddeutsche Zeitung

Basketballer Zion Williamson:Das künftige Gesicht der NBA

Lesezeit: 3 min

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Es mag ein klein wenig verblüffen, dass es nun um die Partie zweier Basketballklubs geht, die mit dem Ausgang der laufenden NBA-Saison überhaupt nichts zu tun haben werden. Allerdings hat auch der amerikanische Sportsender ESPN den Platz zur besten Sendezeit am Mittwochabend freigeräumt und auf die TV-Übertragung von den Australian Open verzichtet, um dieses Ereignis zu zeigen, das in Anlehnung an "The Shot" (Michael Jordan in den Playoffs 1989) und "The Decision" (der Wechsel von LeBron James zu Miami Heat im Jahr 2010) nur "The Debut" genannt wurde.

Der einzige Grund, den 121:117-Sieg der San Antonio Spurs (Bilanz nun: 20:23) gegen die New Orleans Pelicans (17:28) in voller Länge zu zeigen: Zion Lateef Williamson hat seine erste Partie als Basketballprofi absolviert, und in den USA wurde das in etwa so gefeiert wie die Ankunft des Auserwählten. Die Premiere hatte sich aufgrund einer Verletzung am rechten Knie verzögert, und es ging an diesem Abend gar nicht mal so sehr darum, was Williams leisten würde - am Ende waren es 22 Punkte, sieben Rebounds und drei Zuspiele in den 18 Minuten, die er auf dem Parkett stand. Es ging um viel mehr.

Williamson, 19, hat ordentlich gespielt, und er hat ein paar dieser Aktionen geliefert, die ESPN danach stündlich in Highlight-Sendungen wiederholen konnte; darunter eine 17-Punkte-Serie mit Dunkings, Alleyoop-Korbleger und vier erfolgreichen Drei-Punkte-Würfen nacheinander im Schlussviertel. Trainer Alvin Gentry durfte sagen, wie sehr er sich über dieses Debüt freue ("Weil ich keine Fragen mehr nach dem Zeitpunkt beantworten muss."), Williamson selbst erklärte: "Bis auf die Niederlage war alles in Ordnung. Mein Traum ist wahr geworden, nun geht es los." Dieses eine Spiel war nicht so wichtig, was sich auch daran zeigte, dass Williamson die Schlussphase - trotz Protesten von ihm und Trainer Gentry - auf Anordnung des medizinischen Personals auf der Bank verbrachte.

Basketballer wie Williamson sind auch Wirtschaftsfaktoren

Es ging um andere Dinge an diesem Abend, die im US-Sport mittlerweile mindestens so wichtig sind wie das Ergebnis. Die Akteure sind Teile der Popkultur und der Unterhaltungsbranche, sie sind Wirtschaftsfaktoren - was sich zum Beispiel im März vergangenen Jahres daran zeigte, dass der Sportartikelhersteller Nike an der Börse nur deshalb 1,37 Milliarden Dollar an Wert verlor, weil sich Williamson, damals noch Student an der Universität Duke, bei einer Partie in Nike-Schuhen den Knöchel verstaucht hatte. Er unterschrieb danach bei der Nike-Tochter Jordan Brand, der Vertrag läuft über fünf Jahre und wird mit insgesamt 75 Millionen Dollar vergütet. So viel hat noch nie ein Basketballspieler vor seiner ersten Partie garantiert bekommen.

Die erste wichtige Frage des Abends drehte sich deshalb um die Schuhe, weil sich Kinder heutzutage mindestens so sehr für Klamotten von Sportlern interessieren wie für Dunkings und Rebounds. Williamson trug gleich zwei verschiedene Paare: zum Aufwärmen die Variante BHM Nike Air Jordan 34 - "BHM" steht für "Black History Month", auf den Sneakers waren Zitate des Bürgerrechtlers Martin Luther King zu sehen, der am Montag mit einem Gedenktag geehrt worden ist. Während der Partie trug Williamson dann bronzene Air Jordan 24 PE, an deren Ferse "Bayou Boys" eingestickt war. "Bayou" ist der Spitzname des Bundesstaates Louisiana, in dem die Pelicans beheimatet sind.

Das führte zur zweiten wichtigen Frage des Abends: Welchen Spitznamen wird Williamson bekommen - oder sich selbst geben? Seine Mitspieler in Duke nannten ihn in Anlehnung an den Super-Bösewicht des Comic-Universums Marvel einfach nur Thanos, Beobachter spekulieren nun über Z-Will oder einfach nur: Z. Er hat sich diesen Buchstaben seitlich in die Haare rasieren lassen; man kann über so was spotten, man kann aber auch darüber nachdenken, dass der Wert des Spitznamens von Michael Jordan ("Air") in Verbindung mit dieser Figur mit den gespreizten Beinen auf eine Milliarde Dollar geschätzt wird - Jordan selbst, der seine aktive Karriere längst beendet hat und mittlerweile Mit-Eigentümer der Charlotte Hornets ist, hat im vergangenen Jahr noch immer 130 Millionen Dollar von Nike bekommen.

Williamson soll das Gesicht der NBA und damit auch der Sportart Basketball werden, so wird er aufgebaut, und so sollen die Leute über ihn reden. "Er war ein Vorgeschmack auf das, was noch kommen wird", sagte Gentry danach, und er wirkte dabei sowohl fröhlich als auch ein bisschen resigniert. Es ist völlig klar, dass er mit dieser Aussage nicht nur sportliche Aspekte meinte, sondern natürlich auch den ganzen Rest, den so eine Ankunft des Auserwählten mit sich bringt.

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