Süddeutsche Zeitung

Basketballer des FC Bayern:Der Höhepunkt ist längst passé

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Drei verletzte Protagonisten, ein 0:2-Rückstand und lauter Defizite: Die Münchner stehen in der Finalserie in Berlin vor einer fast unlösbaren Aufgabe - die Euroleague-Saison wird zum Problem in der heimischen Liga.

Von Sebastian Winter

"Wir wollen jetzt den Neustart", so ließen sich die Bundesliga-Basketballer am Mittwoch zitieren, und niemand kann wirklich daran zweifeln, dass dieser Neustart vonnöten ist. Die Aussage stammte allerdings nicht von den Verantwortlichen des FC Bayern München, denen man an diesem Tag allerdings auch ein solches Bekenntnis zugetraut hätte.

Schließlich war nicht nur FCB-Ehrenpräsident Uli Hoeneß nach der 58:71-Niederlage gegen Alba Berlin im zweiten Meisterschaftsfinalspiel reichlich bedient aus dem Audi Dome gestapft. Die Klatschpappe hatte der 70-Jährige an diesem aus Münchner Sicht frustrierenden Dienstagabend im Laufe des Spiels nur noch sporadisch bedient. Die Neustart-Aussage stammte jedenfalls von Yannick Binas, Geschäftsführer der Fraport Skyliners, die sich laut Vereinsmitteilung von Trainer Luca Dalmonte getrennt haben.

Berlin kann zum dritten Mal in Serie deutscher Meister werden

Frankfurt hatte trotz der Verpflichtung des Interimscoaches fürs letzte Saisondrittel den sportlichen Abstieg nicht verhindern können, die Hessen bleiben nur dank einer Wildcard in der Basketball-Bundesliga. Vergleichbar mit jener der Bayern ist die Situation für die Skyliners also nicht, auch Münchens Coach Andrea Trinchieri sitzt nach allem, was man weiß, sehr fest in seinem Trainerstuhl (wobei der emotionale Italiener eigentlich nie sitzt, sondern fast ausnahmslos im Stehen zetert).

Diesen so genannten Neustart, den benötigen die Münchner im dritten Duell der Finalserie am Freitag (19 Uhr) in Berlin in jedem Fall ganz sicher. Sie haben sich nach den beiden ernüchternden Niederlagen zum Auftakt der Best-of-five-Serie den Status eines Underdogs erarbeitet, auf sie wetten dürfte nun kaum noch jemand. Fakt ist, dass Berlin am Freitag zum dritten Mal in Serie nach 2020 und 2021 deutscher Basketball-Meister werden kann - und selbst Trinchieri mutmaßte am Dienstagabend nach der Heimniederlage im Angesicht der eigenen Chancenlosigkeit: "Sie sind bereit für die Party."

Selbstverständlich sind solche Sätze immer auch ein gerne verwendeter Kniff, um den Konkurrenten in Sicherheit zu wiegen. Zugleich sprechen so ziemlich alle Daten und auch die Umstände für die Berliner. Statistisch haben sie am Dienstag nicht nur das Spiel deutlich nach Punkten gewonnen, sondern auch das Rebound-Duell, das sowohl Trinchieri als auch Berlins Trainer Israel Gonzalez für den Schlüssel in dieser Finalserie hält.

"Ich muss einen Weg finden, dass meine Spieler beim Rebound die Extra-Meile gehen", sagte Trinchieri zu diesem Thema - im Wissen darum, dass seine Spieler zuletzt nicht den Eindruck erweckten, noch viele Meilen weit laufen zu können. Nick Weiler-Babb überzeugte bei den Münchnern als einziger in diesem Bereich, bei Berlin indes ein Trio: Oscar da Silva, Luke Sikma und Louis Olinde. Alba hatte auch die weitaus bessere Zweierquote, überhaupt zeigen die Berliner zurzeit die weitaus größere Energie und mannschaftliche Geschlossenheit.

Der Schwerpunktsetzung Richtung Europa zollen die Bayern nun offenkundig Tribut

Die Münchner hingegen haben kaum mehr vielversprechende Wechseloptionen, neben den schon längere Zeit verletzten Darrun Hilliard (Schlüsselbeinbruch) und Corey Walden (muskuläre Probleme) fiel am Dienstag auch der für die emotionale Stabilität so wichtige Co-Kapitän Vladimir Lucic aus - einer, der auch mal den Gegner provozieren und das eigene Team mitreißen kann, weswegen er in fremden Hallen gerne mal ausgebuht wird. Und der nebenbei oft die ganz wichtigen Würfe trifft. Trinchieri zufolge fehlt Lucic auch Freitagabend in Berlin.

Die Bayern haben sich lange Zeit auf ihre Euroleague-Saison konzentriert und dort mitunter begeisterten Basketball gespielt, wie im Viertelfinale gegen Barcelona, das sie hauchdünn im entscheidenden fünften Spiel verloren. Dass sie dort nun schon zum zweiten Mal in die Playoffs eingezogen sind (keiner anderen deutschen Mannschaft ist dieser Schritt bislang auch nur einmal gelungen), dürfen sie als großen Erfolg auf der Habenseite ihrer Bilanz verbuchen. Das peinliche Pokal-Aus in Chemnitz steht diesem Erfolg gegenüber - und sollte die Partie in Berlin tatsächlich verloren gehen, noch dazu die Finalserie dann 0:3, könnten sie auch die Bundesliga-Saison kaum mehr als großen Erfolg verkaufen.

Der Schwerpunktsetzung Richtung Europa zollen die Bayern nun offenkundig Tribut, ihren spielerischen Höhepunkt erreichten sie just in jener angesprochenen Viertelfinal-Serie gegen Barcelona - danach sackte ihre Leistungskurve stetig nach unten.

Berlin schied ein paar Wochen früher nach der Vorrunde als passabler Tabellenzehnter aus dem renommiertesten europäischen Klubwettbewerb aus, knapp hinter den Bayern - und ist genau jetzt in würdiger Playoff-Final-Verfassung. Während der Pokalsieger Alba nun aufs Double und seine insgesamt elfte deutsche Meisterschaft zusteuert, müssen die Münchner fürchten, komplett leer auszugehen. Wenn es so kommt, und bei drei Berliner Matchbällen deutet alles darauf hin, wäre es auch für Trinchieri, der in seiner Zeit bei Brose Bamberg zwischen 2014 und 2018 nationale Titel am Fließband sammelte, eine große Enttäuschung. Mit München hat er bislang nur 2021 den Pokaltitel errungen.

Und wenn man schon bei Zahlen ist: Mit 20 Siegen in Serie Meister zu werden, das wäre ein neuer BBL-Rekord - und eine Zusatzmotivation für Berlin, den Bayern erneut die Rebounds wegzuschnappen vor 14 500 Zuschauern in der seit Mittwoch ausverkauften Mercedes-Benz-Arena.

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