Süddeutsche Zeitung

Alba-Basketballerinnen:Gesellschaftlicher Auftrag made in Berlin

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Das Frauenteam von Alba spielt seit dieser Saison in der Bundesliga - das mag noch kein gutes Geschäft sein, ist aber wichtig fürs Selbstverständnis. In der Hauptstadt hoffen sie, dass andere Männer-Standorte das bald ähnlich sehen.

Von Celine Chorus

Wenn die Basketballerinnen von Alba Berlin zu Heimspielen in die Sömmeringhalle kommen, ist das für den Verein immer auch wie eine Rückkehr zu den eigenen Wurzeln. Denn hier, in der Sporthalle Charlottenburg, hat die Geschichte von Alba Berlin begonnen: Die Männer, heute einer der erfolgreichsten Klubs und elfmaliger nationaler Champion, sind dort bis 1997 aufgetreten. Nun möchten die Frauen an diesem Ort ihr eigenes Kapitel schreiben.

Seit dieser Saison spielt das Team in der ersten Liga, der DBBL. Der Klub steckt inzwischen mehr Geld und mehr Arbeit in seine Frauen-Abteilung. Vor der Saison 2019/20 wurde der Beschluss gefasst, auch diesen Bereich zu professionalisieren - dann ging alles recht schnell, offenbar weitaus rasanter, als es in Alba Berlins Chefetage erwartet worden war: "Wir sind organisch gewachsen und eigentlich vorschnell aufgestiegen, noch bevor wir die passende Infrastruktur schaffen konnten", sagt Geschäftsführer Marco Baldi.

Damit das Team in der ersten DBBL-Saison eine Chance haben würde, verpflichtete der Klub einige Spielerinnen mit nationaler und internationaler Erfahrung: etwa die US-Amerikanerin Laina Snyder und die ehemalige Jugendnationalspielerin Nina Rosemeyer. "Der Sprung von der zweiten in die erste Liga ist gigantisch", sagt Baldi: "Und wenn der Verein das wirklich möchte, muss er auch aktiv eingreifen." Das habe Alba getan - "und die Frage, was es eigentlich wirtschaftlich bringt, in den Frauensport zu investieren, erst mal hinten angestellt".

Denn das Frauen-Team, das vor 15 Jahren in der niedrigsten Liga begonnen hatte, an die nationale Spitze zu führen, ist für Alba vor allem ein Projekt. Ein Ziel, das der Klub aus Überzeugung verfolgt. Zwar sei der Frauen-Etat im Vergleich mit anderen DBBL-Teams im Mittelfeld einzuordnen, betont Baldi. Aber der Vorteil sei, dass Alba Berlins Mitarbeiter aus langer Erfahrung wissen, wie man Basketball organisiert, verwaltet und weiterentwickelt: "Da konnten wir natürlich viel Expertise einsetzen, die sich andere erst aneignen müssen - und das hilft uns sicherlich."

Damit die Männer-Bundesligisten in den Frauen-Basketball einsteigen, müssten sie sich auch als gesellschaftliche Akteure verstehen wollen, erklärt der Geschäftsführer. So könnte Albas Weg ein Muster für andere werden. Es ist eine Entwicklung, die aus Sicht der Frauenliga DBBL auch an anderen Standorten Einzug halten soll.

Nötig wäre es, findet Stephanie Wagner, 32, von den Eisvögeln Freiburg. Denn wie Frauen-Bundesligen in anderen Sportarten leidet auch die DBBL unter fehlender Aufmerksamkeit. "Die Wertschätzung für Frauen-Basketball ist in Deutschland leider nicht hoch genug", sagt die Nationalspielerin. Zu den Spielen in der abgelaufenen Saison kamen meist nur 600 bis 750 Zuschauer in die Halle. Wohl auch, weil internationale Erfolge ausbleiben: Das Frauen-Nationalteam konnte sich letztmals 2011 für eine EM qualifizieren, in der Euroleague spielen schon seit Jahren keine deutschen Vereine mehr. Wenn es zusätzlich an personellen und finanziellen Ressourcen mangelt, sind professionelle Strukturen im Frauen-Basketball kaum möglich.

"Ich kenne fast keine deutsche Spielerin, die in der DBBL spielt und nicht parallel arbeitet, studiert oder eine Ausbildung macht", sagt Wagner. Oft fehle den Vereinen in der DBBL das Geld, um einen Tag vor dem Spiel anzureisen; teilweise werde in Hallen gespielt, die kein Standard für eine Bundesliga sein sollten, sagt Wagner. Die Folge: Talentierte Spielerinnen wie Satou Sabally, 24, spielen nicht in Deutschland, sondern sehen ihre Berufschancen eher im Ausland, bevorzugt in den USA. Eine Kettenreaktion, bei der das ohnehin schon niedrige Niveau in der Liga weiter stagniert.

Die Frauen-Liga muss sich professionalisieren. Bisher hat sie nur zwei hauptamtliche Mitarbeiter

Die Strukturprobleme kennt auch die DBBL: Neben Geschäftsführer Philipp Reuner hat die Liga nur eine hauptamtliche Mitarbeiterin, einen Pressesprecher gibt es nicht. "Wir versuchen es mit den Möglichkeiten, die wir haben, bestmöglich zu machen", sagt Reuner: "Es ist aber sicherlich erforderlich, dass wir uns in dieser Hinsicht noch verbessern." In Zukunft soll es darum gehen, die Standards in der DBBL zu erhöhen - indem man sich dabei auch am Männer-Basketball orientiert. Das heißt, die Finanzierung muss auf einer soliden Grundlage stehen; Sponsoren- und Arbeitsverträge müssen so verfasst sein, dass die Spielerinnen gut abgesichert sind; die Geschäftsstelle muss professionalisiert werden.

Bereits seit Oktober 2020 gibt es dafür die "Agenda 2030": eine Kooperation zwischen der DBBL und dem Deutschen Basketball Bund (DBB). Sie hat es sich zur Aufgabe gemacht, Mädchen- und Frauen-Basketball zu fördern und bei der Professionalisierung der DBBL zu helfen. "Bis 2030 wollen wir die DBBL in Hinblick auf die Professionalität und die Leistung auf den Stand bringen, dass sie sich an der europäischen Spitze orientieren kann", erklärt Armin Andres, der sich im Verbandspräsidium um den Leistungssport kümmert.

Bei all diesen Prozessen ist die Männerliga BBL der Frauenliga weit voraus. Mit verstärkten Investitionen in den Frauen-Basketball könnten die Männer-Klubs also verbesserte Rahmenbedingungen in der DBBL bewirken. "Wenn Bundesliga-Standorte aus dem Männerbereich auch Basketballangebote für Mädchen und Frauen schaffen, sorgt das sicherlich für eine Steigerung der Wahrnehmung des Damenbasketballs", sagt Philipp Reuner. Gleichzeitig müssten jedoch die Frauen-Bundesligisten, die sich in den vergangenen Jahren etabliert haben, die Chance haben, sich weiterzuentwickeln.

Bei Alba Berlin, wo das Männer-Team heute im Schnitt 10 000 Zuschauer in die heimische Arena ziehen kann, heißt es, man wolle den Mädchen- und Frauenbasketball in Deutschland nach vorne bringen und damit den gesamten Sport fördern - ein gesellschaftlicher Auftrag, wenn man es so interpretieren will. Alba Berlin, so sagt es Marco Baldi, sei der erste Basketball-Bundesligist gewesen, der ein Frauenteam gefördert habe, und das nicht als Risiko gesehen, sondern in sein Selbstverständnis aufgenommen habe: "Wenn man alles bloß unter der Prämisse betrachtet, was ein Frauenteam wirtschaftlich bringt und wie viel man aufwenden muss, damit es sich selbst tragen kann, wird man es wahrscheinlich lassen." Am Ende, so einfach ist es wohl, muss man es nur wollen.

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