Süddeutsche Zeitung

Australian Open:Vintage-Spieler erleuchten das Tennis-Jahr

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Was die Generation Ü 30 bei den Australian Open präsentierte, könnte ein Vorgeschmack auf die kommenden Monate sein. Was für ein Glück.

Kommentar von Gerald Kleffmann, Melbourne

Am Ende dieser zwei Turnierwochen tauchten allseits Begriffe und Vergleiche auf, die das Außergewöhnliche zu erklären versuchten. Mal hieß es, der Messias sei in Person von Roger Federer zurückgekehrt, dann wieder, dieses Männerfinale sei so besetzt, als müsste man sich zwischen den Beatles und den Stones entscheiden. Das Frauenfinale wiederum, so die einhellige Meinung, sei eines "für die Ewigkeit", wenngleich das nicht spielerisch so zu verstehen ist im Nachhinein. Das finale Wochenende war aufgrund der Hauptdarsteller tatsächlich wie ein Abschluss-Feuerwerk, das die Menschen in Melbourne und der Welt erfreute. Der Widerspruch dürfte sich auch in Grenzen halten, wenn für die erste Grand-Slam-Veranstaltung des Jahres ein Superlativ verwendet wird: Die Australian Open 2017 darf man ins Museum stellen.

Bunt und leuchtend, wie in einem Hockney-Gemälde

Vor drei Jahren waren die Super- Coaches das vorherrschende Thema, die vielen früheren Topspieler, die als Trainer in Melbourne ihren bejubelten Einstand gaben. 2016 lag ein Schatten vor allem auf der ersten Woche des Turniers, als das Problem Wettbetrug im weißen Sport auftauchte. Diesmal waren die Geschichten völlig andere, und selten bündelten sich so viele persönliche Erfolge zu einem großen Gemälde wie in diesen Januartagen. Dieses Gemälde war wie von David Hockney gemalt, dessen Werke in Melbourne gerade in der National Gallery hängen - voller bunter, leuchtender Farben.

Mischa Zverev, der ältere Bruder von Alexander, spielte sich mit dem Triumph gegen den Weltranglisten-Ersten Andy Murray in den Vordergrund. Der Hüne Ivo Karlovic bot beim 22:20-Sieg im fünften Satz eine Asse-Show. Die Kroatin Mirjana Lucic-Baroni berührte mit ihrem Lauf bis ins Halbfinale und ihrer Lebensgeschichte; ihr Vater hatte sie als Mädchen, ehe sie abtauchte, geschlagen und schikaniert. Niemand kam aber an das Phänomen der Vintage-Spieler heran. Die Ü30-Generation bewies eindrucksvoll wie nie, dass die als #nextGen gepriesene Generation noch hinter der OldGen zurückstehen muss.

Die Finalisten bringen es auf 60 Grand-Slam-Titel im Einzel

Runde für Runde wurden Altersrekorde aufgestellt, bis in beide Finals, die mit den zusammengerechnet ältesten Teilnehmern jemals besetzt waren. Federer, Nadal und die Williams-Schwestern bringen 136 Lebensjahre zusammen - und eben auch 60 Grand-Slam-Titel im Einzel. Schwer zu sagen, ob das Tennisjahr 2017 nicht schon gleich zum Saisonbeginn seinen Höhepunkt erlebt hat, aber die Aussicht auf weitere außergewöhnliche Momente in dieser Saison ist vielversprechend.

Federer und Nadal, die charismatischen Führungskräfte, sind nach einem verletzungsreichen Jahr zurück, Serena Williams ist plötzlich motivierter denn je, im April kehrt die noch gesperrte Maria Scharapowa zurück und vielleicht bald Wiktoria Asarenka, die Mutter wurde und der Tour besonders als Persönlichkeit fehlt. Dann wären wirklich alle namhaften Darsteller versammelt, die zwei Jahrzehnte Tennis geprägt haben.

Vielleicht landet am Ende gar dieses ganze Tennisjahr 2017 im Museum.

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Quelle:
SZ vom 30.01.2017
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