Süddeutsche Zeitung

Serena Williams bei den Australian Open:"Die Schuld liegt bei mir, das war unprofessionell"

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Von Barbara Klimke, Melbourne

Eine Weile schaute Wang Qiang noch recht freundlich ins weite Rund der Rod Laver Arena. Dann kam die Sprache auf das Chinesische Neujahrfest, und mit einem Schlag verfinsterte sich ihre Miene. Ob sie nach ihrem erstaunlichen Sieg nun auf den traditionell wichtigsten Feiertag der Volksrepublik, der am Samstag im Kalender steht, anzustoßen gedenke? "No!", sagte Qiang. Nicht die kleinste Feier am Samstag? "No!" Was sie stattdessen zu tun gedenke? Arbeiten, sagte Qiang. Mit dem Schläger in der Hand.

Erhöhte Trainingsintensität und intensives Schlagpensum macht Wang Qiang, 28, aus Tianjin, für den frappanten Leistungsanstieg verantwortlich, der zwischen ihren beiden Zusammentreffen mit Serena Williams liegt. Noch vor vier Monaten war sie hoffnungslos unterlegen, machte keinen Stich gegen die 23-malige Grand-Slam-Siegerin bei ihrer 1:6, 0:6-Niederlage im Viertelfinale der US Open. Am Freitag in Melbourne, am Tag vor dem Neujahrsfest, fegte sie Serena Williams vom Platz und damit aus dem Australian-Open-Turnier, 6:4, 6:7 (2), 7:5. Und es war nicht einmal ein sonderlich umkämpftes Match: Qiang hatte sich gegen die dominierende Tennisspielerin der vergangenen beiden Dekaden schon 6:4 und 5:3 in Führung positioniert, ehe Williams sie noch zu einem Tiebreak und dritten Durchgang zwang.

Das Jahr der Ratte fängt also nicht gut an für Serena Williams. Im Alter von 38 Jahren jagt die Trophäensammlerin aus Florida noch immer ihrem 24. Titel bei den Grand-Slam-Turnieren, den wichtigsten vier Veranstaltungen des Globus, hinterher, der ihre Silberkollektion vervollständigen würde. Bei 24 Siegen steht die Bestmarke der Australierin Margaret Court aus dem Jahr 1973. Der Rekord ist zum letzten verbleibenden Berufsziel der "working mum", der vollbeschäftigten Mutter, geworden, als die sich Serena Williams versteht, weil er ihrem unbestrittenen Status als bester Tennisspielerin gewissermaßen einen amtlichen Stempel aufdrücken würde.

Sie hat die Arena am Freitag schnell verlassen, die schwere Schlägertasche über die Schultern gewuchtet, als Wang Qiang, die überhaupt erst zum zweiten Mal in ihrer Karriere das Achtelfinale eines so wichtigen Turniers erreicht hatte, noch ins Hallenmikrofon sprach. Eine Stunde später saß Serena Williams dann im Presseraum, hatte sich umgezogen, die Haare hochgebunden, und versuchte, das Unerklärliche zu erklären. Äußerlich war sie ein Bild der Ruhe und Schicksalsergebenheit. Doch man sollte sich da nicht täuschen lassen, sagte sie: Niederlagen seien für sie noch so schmerzlich wie zehn Jahre zuvor. "Ich bin nur eine bessere Schauspielerin geworden. Ich tue so, als ob ich kein Loch in die Wand schlagen will. Aber genau das will ich."

Williams klagt: "Ich spiele ja nicht zum Vergnügen"

Denn die Niederlage gehe ganz allein auf ihre Kappe. Sie habe sich ohne Not viel zu viele Fehler auf dem Platz geleistet: Jawohl, der Service der Gegnerin sei ordentlich gewesen. "Aber ich habe nicht wie Serena returniert. Machen wir uns nichts vor, die Schuld liegt bei mir. Das war unprofessionell."

In diesem Stadium ihrer Karriere hat Williams, Markenname Serena, mehr als ein paar Aufschlagspiele zu verteidigen. Niemand weiß das besser als die Frau, die sieben Mal, so oft wie niemand sonst in der jüngeren Geschichte des Tennis, die Rod-Laver-Arena als Siegerin verließ (2003, 2005, 2007, 2009, 2010, 2015, 2017.) Und selbstverständlich hat sie schon mit ganz anderen Kalibern in ihrer Kariere im Ring gestanden: zuletzt sogar mit dem früheren Profi-Boxweltmeister Mike Tyson. Die beiden lieferten sich ein Sparring, weil Williams' Langezeitrainer, Patrick Mouratoglou, den Schwergewichtler zu einem Motivationstraining nach Florida geladen hatte.

Außerdem war sie mit der Empfehlung eines Turniersiegs nach Melbourne gekommen. Vor zwei Wochen hatte sie zum ersten Mal seit drei Jahren, seit der Geburt ihrer Tochter, wieder einen Pokal gewonnen in Auckland/Neuseeland. Den letzten davor gewann sie bei den Australian Open 2017, als sie schon schwanger war. Viermal hat sie seitdem erneut in einem Finale eines Grand-Slam-Turniers gestanden und viermal verloren: zweimal in New York, zweimal in Wimbledon. Wer so weit gekommen ist, der kann auch den letzten Schritt machen, sagte sie: "Daran glaube ich, sonst wäre ich nicht mehr auf der Tour. Ich spiele ja nicht zum Vergnügen."

Ihr Programm für die nächsten Monate jedenfalls steht. Und auch das Vorhaben für Samstag, das chinesische Neujahrfest: "Ich werde auf jeden Fall morgen trainieren. Das ist das Wichtigste. Ich will sichergehen, dass mir so was nicht noch mal passiert."

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