Süddeutsche Zeitung

Tennis bei den Australian Open:Das Glück rettet Zverev

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Deutschlands bester Tennisprofi hat beim Fünfsatzsieg gegen einen absoluten Außenseiter aus der Slowakei erhebliche Probleme - am Ende helfen ihm altbekannte Fähigkeiten, um die nächste Runde zu erreichen.

Von Barbara Klimke, Melbourne

Vier Stunden waren gespielt in diesem ersten Match des Tages in der John-Cain-Arena, als Alexander Zverev bereits an den nächsten Qantas-Flug dachte, wie er zugab: "Über Dubai nach Hause." Vorzeitiger Abflug von diesem Turnier. Er hat sich dann doch noch mit letztem Glück im Tiebreak in die dritte Runde der Australian Open gerettet nach einem Fünfsatzsieg gegen den angriffslustigen slowakischen Qualifikanten Lukas Klein, 7:5, 3:6, 4:6, 7:6 (5), 7:6 (7). Aber Zverev räumte ein: Der Ausgang des Matches lag nicht in seiner Hand.

Es war ein zähes Duell, und anfangs deutete wenig auf die spätere Dramatik hin. Zverev, 26, ist Olympiasieger, zweimaliger Gewinner der ATP-Finals, Nummer sechs der Welt. Zudem hat er bei diesem ersten Grand-Slam-Turnier des Jahres 2020 schon einmal im Halbfinale gestanden, das er damals gegen Dominik Thiem verlor. Die blauen Plätze am Yarra River kennt er seit zehn Jahren: Dies ist sein Revier. Sein Kontrahent Lukas Klein, 25, Nummer 163 des Rankings, verdient sein Geld normalerweise bei ITF-Turnieren. Wettbewerben der zweiten Kategorie. Er hatte sich erstmals in der Karriere überhaupt ins Hauptfeld dieser mit 18 Millionen Euro dotierten Weltklasseveranstaltung gespielt.

Und doch ließ Lukas Klein, von Beginn an auf Angriff gepolt, seinen berühmten Kontrahenten laufen: kreuz und quer über den Platz, von links nach rechts an der Grundlinie entlang; nach vorn zum Netz und wieder zurück. Wer in dieser Rollenverteilung eine Diskrepanz erkannte, lag richtig. Alexander Zverev hat in seiner Karriere 577 Matches auf der Profitour gespielt - Lukas Klein gerade einmal dreizehn, von denen er neun verlor.

Dennoch geriet Zverev zunächst nicht in Gefahr. Nach 50 Minuten sicherte er sich den ersten Satz 7:5, ohne erkennbar die Initiative ergriffen zu haben. Doch diese eher lethargische Einstellung lud den hochgewachsenen Slowaken ein, mutiger zu spielen. Er verlegte sich auf Tennis-Roulette, suchte den Weg ans Netz, drosch die Bälle links und rechts an die Linien. Am Ende des fünften Satzes hatte er 77 Winner, also unerreichbare Bälle, geschlagen - und 80 leichte Fehler.

Im zweiten Satz nahm er Zverev zum 4:2 den Aufschlag ab. Wegen eines kurzen Regengusses wurde wenig später das Dach der Arena geschlossen. Kaum war das Spiel wieder aufgenommen, hatte Zverev den Satz verloren.

Zverev verliert den Satz und lässt sich in Melbourne die Defensive treiben

Er ließ sich von Klein meterweit hinter die Grundlinie treiben - fast bis an die Südtribüne. Und seltsamerweise änderte er auch in den nächsten drei Sätzen die Taktik nicht, gab die Defensivposition am Ufer des Yarra River nie auf.

So ging auch der dritte Satz an den Slowaken Klein. Im vierten Durchgang stand Zverev kurz vor dem Aus, musste bei 4:4 einen Breakball abwehren und schaffte es in den Tiebreak. Es war sein brillanter Aufschlag, den er nahezu fehlerlos über die Netzkante drosch, der ihn rettete.

Das Muster wiederholte sich im fünften Durchgang. Erneut blieb Zverev stur in der Defensive. Klein verteilte seine Winner auf dem Platz, wieder ging es in den Tiebreak - und dort, in letzter Minute, leistet sich der Qualifikant aus Spisska Nova Ves dann einen Fehler am Netz zu viel. "Er hätte den Sieg verdient gehabt", sagte Zverev, als er doch noch, mit mehr Glück als Angriffslust, gewonnen hatte. Nun trifft er am Samstag auf Alex Michelsen aus den USA.

Im vergangenen Jahr war das Turnier für den Olympiasieger schon nach der zweiten Runde beendet gewesen. Damals aber versuchte er nach seiner schweren Knöchelverletzung gerade erst wieder, vorsichtig Tritt zu finden zwischen den weißen Linien auf dem Rechteck. Wenige Monate zuvor ging er noch an Krücken. Am Donnerstag indes fiel es schwer, eine Erklärung für die frappierend schwache Vorstellung zu finden - oder für den Grund, weshalb ein Weltklassespieler vom Format Zverevs keine Mittel fand gegen die Nummer 163 des Rankings.

Er sei noch auf der "Suche nach dem Rhythmus", es laufe "alles noch nicht so flüssig", hatte Zverev nach seinem Auftaktmatch am Dienstag gesagt, das er ebenfalls mit einiger Mühe gegen den deutschen Kollegen Dominik Koepfer gewonnen hatte (4:6, 6:3, 7:6, 6:3). Nach weiteren viereinhalb Stunden dürfte er den Takt gefunden haben.

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