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Arbeitskampf im Eishockey:Kampf um 820 Millionen

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Die Tarifverhandlungen in der NHL stocken, es droht die Aussperrung der Spieler. Davon würden europäische Vereine profitieren, vor allem russische Klubs möchten die Rosinen aus dem Spielerkuchen haben. Die deutschen Vereine dagegen bemühen sich um die Verpflichtung deutscher Akteure.

Jürgen Schmieder

Der nordamerikanischen Eishockeyliga NHL droht erneut ein Arbeitskampf. Spielergewerkschaft und Klubbesitzer konnten sich am Donnerstag nicht auf einen neuen Tarifvertrag einigen, die Verhandlungen wurden nach weniger als drei Stunden abgebrochen - in einer anonymen Abstimmung sprachen sich die Eigentümer der Vereine dafür aus, die Spieler auszusperren, sollte bis zum Samstag keine Einigung im Tarifstreit erzielt werden.

Bei einem Lockout würde sich der Start der Saison zunächst um einen Monat verzögern, die NHL würde den Klubs gestatten, die Arenen anderweitig zu vermieten. Es droht gar der Ausfall der kompletten Spielzeit. "Wir wollen spielen, die Eigner hingegen möchten uns lieber aussperren", sagte Christian Ehrhoff von den Buffalo Sabres, der in der kommenden Spielzeit inklusive Boni etwa acht Millionen US-Dollar verdienen würde. Er war am Donnerstag mit 250 Kollegen nach New York gereist war, um die Gewerkschaft bei den Verhandlungen zu unterstützen.

Es wäre die dritte Aussperrung in der NHL innerhalb von 18 Jahren. 1994/95 gab es eine verkürzte Saison, zehn Jahre später wurde die komplette Spielzeit abgesagt. Insgesamt wäre es die achte Aussperrung in einer der vier prägenden US-Ligen innerhalb von 22 Jahren. Natürlich geht es bei dem Streit zwischen den Spielern und den Eigentümern ums Geld: In der vergangenen Spielzeit hatte die Liga umgerechnet 3,3 Milliarden Euro eingenommen, 57 Prozent davon (1,88 Milliarden Euro) waren an die Spieler verteilt worden.

Die NHL bietet derzeit einen Sechs-Jahres-Vertrag, bei dem die Spieler durchschnittlich 48 Prozent bekommen, die Gewerkschaft besteht auf ein Fünf-Jahres-Modell und 53 Prozent. Das hat zunächst den Anschein, dass die Parteien nicht so weit auseinanderliegen würden, insgesamt betrachtet indes unterscheiden sich die Angebote um 820 Millionen Euro. "Die Liga erzielt Rekordeinnahmen, die Stadien sind ausverkauft - es gibt keinen Grund, jetzt Gehaltskürzungen hinzunehmen", sagt Donald Fehr, Chef der Spielergewerkschaft.

Die europäischen Ligen dagegen würden von einer Aussperrung profitieren, sie würden den NHL-Spielern befristete Arbeitsverträge anbieten. Vor allem die russische Liga KHL zählt zu den Interessenten und veröffentlichte bereits ein Dossier, das mit Bereit für die Invasion überschrieben ist. Aus den Regeln für die mögliche Verpflichtung von Spielern geht hervor, dass die KHL vor allem die russischen Rosinen aus dem Spielerkuchen picken möchte: Jeder russische Klub darf nur drei Akteure verpflichten, zwei davon müssen russische Staatsbürger sein.

Die Akteure müssen erfahren sein (mindestens 150 NHL-Partien) und Erfolge (Stanley-Cup-Finalist oder eine individuelle Auszeichnung der Liga) vorweisen können. Jewgeni Malkin etwa verhandelt bereits mit Metallurg Magnitogorsk und würde auch gerne seinen Kollegen von den Pittsburgh Penguins, Sidney Crosby, mit nach Russland bringen: "Er ist auf jeden Fall interessiert und wird definitiv nicht ein Jahr ohne Eishockey bleiben."

Die Vereine der Deutschen Eishockey-Liga (DEL) dagegen werden im Falle einer Aussperrung eher deutsche NHL-Akteure verpflichten, ausländische Spieler sind wohl nicht zu bezahlen. "Allein die Versicherungssummen wären nicht zu stemmen", sagt Walter Köberle, Manager der Düsseldorfer EG. Er bekundet deshalb Interesse an Alexander Sulzer und Korbinian Holzer, betont jedoch: "Dafür bräuchte ich einen Sponsor, der das Paket stemmt."

Die Krefeld Pinguine möchten Christian Ehrhoff haben. Dennis Seidenberg, Jochen Hecht und Marcel Goc könnten für die Adler Mannheim spielen. "Ja, warum denn nicht?", sagt Adler-Geschäftsführer Daniel Hopp. Der einzige DEL-Verein, der sich prägende ausländische Spieler würde leisten können, wären die Eisbären Berlin. Es wurde bereits kolportiert, dass Manager Peter-John Lee gerne Jay Harrison, Jason Spezza, Logan Couture und Mark Olver verpflichten würde. Lee sagt jedoch: "Es gibt viele unbekannte Faktoren. Keiner weiß, wie lange ein Lockout gehen würde." Nur den Starttermin der Aussperrung kennt jeder: in der Nacht von Samstag auf Sonntag um null Uhr.

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SZ vom 15.09.2012
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