Süddeutsche Zeitung

Anthony Modeste:Und er wechselt wohl doch

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Von Philipp Selldorf

Langjährige Mitarbeiter des 1. FC Köln waren fassungslos darüber, was sich am Dienstag beim Trainingsstart am Geißbockheim abspielte. Sie hatten mit Missstimmung und organisierten Unannehmlichkeiten gerechnet, aber das Gegenteil geschah. Anthony Modeste, 29, wurde von den Zuschauern geehrt, geherzt und gefeiert, obwohl die Anbahnung seines Wechsels nach China das bestimmende Thema der Kölner Sommerpause gewesen war. Niemand schien es dem Angreifer übel zu nehmen, dass er die Reise in den Fernen Osten auf sich genommen und an Ort und Stelle einen Medizincheck veranlasst hatte, um dem Transferwunsch Nachdruck zu verleihen.

Kein einziges böses Wort gab es am Wegesrand, als Modeste den Trainingsplatz verließ, stattdessen baten die Leute um Autogrammkarten und Fotos, und manche reichten ihm sogar ihre Babys, damit er seine Hand auf sie legte. Ressentiments der FC-Anhänger richteten sich stattdessen gegen die Kölner Presse, die den Transfer bereits für abgeschlossen erklärt hatte, und die nun durch die Anwesenheit des Angreifers vermeintlich der Unwahrheit überführt wurde.

Insofern war es wahrscheinlich besser, dass die mutmaßlich letzte Trainingseinheit, die Modeste am Freitag beim FC absolvierte, unter Ausschluss der Öffentlichkeit in der Halle stattfand. Schon am späten Donnerstagabend häuften sich die Berichte, dass der Wechsel des Franzosen nun doch stattfinden würde. Die Vertreter des Vereins Tianjin Quanjian hatten, so heißt es, eingelenkt und die Konditionen der Kölner akzeptiert. Der FC hatte zuvor das Angebot der Gegenseite abgelehnt, die im Raum stehende Ablösesumme von 35 Millionen Euro per Ratenzahlung zu begleichen, er wollte nicht das Risiko eventueller juristischer Auseinandersetzungen mit der chinesischen Gerichtsbarkeit eingehen. Die Kölner erklärten deshalb die Verhandlungen für beendet. Da werde es auch keine Hintertür geben, betonte Sportgeschäftsführer Jörg Schmadtke.

Am Freitag bestätigte er nun nicht nur die Wiederaufnahme der Unterredungen, sondern auch die Aussicht auf den bevorstehenden positiven Abschluss: "Es ist nicht perfekt, aber es läuft in diese Richtung", sagte Schmadtke. Im Express bestand er aber auf Vorbehalten. Es gebe direkte Gespräche mit den Chinesen, "aber wohin die führen, kann ich nicht sagen, dafür ist zu viel passiert". Zwar sind die chinesischen Klubs längst mit der europäischen Beraterszene verbunden und werden durch kundige Anwälte vertreten, aber der Fußball-Markt im Reich der Mitte ist kompliziert; es gelten andere Standards als bei innereuropäischen Transfers.

Der 1. FC Köln wird, wenn die Sache bald perfekt sein sollte, ohne überschießende sentimentale Anwandlungen Abschied nehmen von dem Mann, der sich anschickte, als Kultfigur dem Volkshelden Lukas Podolski Konkurrenz zu machen. Die Verhandlungen wurden meist als zermürbend empfunden, die Rolle von Modestes Beratern erschwerte die Beziehungen zum Spieler. Auch in den zwei Jahren, die er beim FC verbrachte, galt Modeste nicht immer als pflegeleicht. Seine Produktivität aber ist kaum zu übertreffen. Er verpasste während der Zeit beim FC kein einziges Bundesligaspiel, in 68 Partien erzielte er 40 Tore, eine phänomenale Quote. Der Verein macht jetzt ein großes Geschäft mit dem Spieler, den er vor zwei Jahren für relativ bescheidene 4,5 Millionen Euro bei der TSG Hoffenheim ausgelöst hatte, aber er verliert auch einen Stürmer, der mit seiner verblüffenden Zuverlässigkeit in einer Reihe steht mit den besten Torjägern der Klubgeschichte - von Hennes Löhr und Dieter Müller bis Lukas Podolski.

Schmadtke hatte für den absehbaren Fall des Falles bereits vorgesorgt und Mainz 05 den kolumbianischen Angreifer Jhon Cordoba abgekauft. An der Summe, die der FC für den neuen Mann bezahlt hat, lässt sich ablesen, dass die enorme Ablöse für Modeste im Verhältnis zu den aktuellen Preisen auf dem Transfermarkt doch nicht so enorm ist. Auch Cordoba, 23, der beim FSV in 51 Liga-Spielen zehn Tore erzielte, kostete mindestens 15 Millionen Euro Ablöse. Enorm einträglich ist das Geschäft vor allem für Modeste, der mutmaßlich das Fünffache der bisher gezahlten circa zwei Millionen Euro verdient - inklusive steuerlicher Vorteile. Auf die unbezahlbare Liebe der Kölner am Geißbockheim muss er künftig allerdings verzichten.

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SZ vom 08.07.2017
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