Süddeutsche Zeitung

1860 München:Timo Gebhart kommt trotz drohender Insolvenz

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Von Philipp Schneider

Acht Jahre sind eine lange Zeit. In acht Jahren kann einer die Welt aus den Angeln heben. Wer beispielsweise Alexander III. heißt und im Jahr 334 v. Chr. im Alter von 22 beschließt, als König von Makedonien zu einem kleinen Feldzug aufzubrechen, dem kann es passieren, dass er acht Jahre später ein riesiges Reich kontrolliert, das ganz Kleinasien, Ägypten, sowie das ehemalige Perserreich bis an die Grenzen Indiens umfasst. Wem so etwas widerfährt, der darf sich dann mit 30 vollkommen zurecht Alexander der Große nennen.

Acht Jahre sind auch im Fußball eine lange Zeit. Und auch wenn sich Timo Gebhart noch keinen Ruhmestitel verdient hat, von dem nun die Barden kündeten, so ist er doch in den vergangenen Jahren schön herum gekommen. Von jenem Tag an, als er seine Sachen an der Grünwalder Straße zusammenpackte und den TSV 1860 München verließ, um die Bundesliga zu erobern.

Stuttgart, Nürnberg, Bukarest, Rostock, das sind (abgesehen von Gerichtssälen und Discotheken) die prägendsten Stationen des Fußballers Timo Gebhart, inzwischen 28, der einst mit den Weltmeistern André Schürrle und Mats Hummels in der deutschen U21-Nationalmannschaft spielte, weswegen sich die Barden einst erhofften, dass sie ihm irgendwann ein paar große Lieder widmen dürften. Nun ist Timo Gebhart zumindest mal wieder zuhause.

"Ich habe nur gute Erinnerungen an den Verein"

Am Dienstag packte er seine Tasche an der Grünwalder Straße wieder aus, schnürte sich die Fußballschuhe, dann begab er sich auf den Rasen, auf dem sein ehemaliger Mannschaftskollege Daniel Bierofka inzwischen die Einheiten als Trainer leitet. Um ihn herum liefen Spieler aus Elversberg, die Aaron Berzel heißen. Oder Daniel Wein aus Wehen. Oder Aigner. Allerdings Lukas Aigner.

Der Probespieler Timo Gebhart fand eine junge Mannschaft vor - im Kern die alte U21 und U19 von 1860 - die nun einen erfahrenen und weit gereisten Mittelfeldstrategen wie ihn prächtig als Lehrer gebrauchen könnte. Auf ihrer Mission, nach dem tiefen Fall von der zweiten in die vierte Liga, sich ein wenig Würde zurückzuerobern. Das haben der TSV 1860 München und Timo Gebhart möglicherweise gemeinsam.

"Ich habe nur gute Erinnerungen an den Verein und habe 1860 viel zu verdanken", flötete Gebhart nach der Trainingseinheit, bei der er natürlich einen rundum prächtigen Eindruck hinterließ. Die Haare frisch rasiert, die Tattoos an bewährter Stelle, unter dem Trikot spannt kein Bäuchlein. Austrainiert wirkt er. Und so etwas wie raffinierte Ballbehandlung verlernt einer ja ohnehin nicht. Gebhart sagt: "Lieber noch wäre ich in Liga zwei zu 1860 zurückgekehrt."

Es kam bekanntlich anders. Zunächst verlor 1860 jene Relegation gegen Regensburg, die allerdings ohnehin bedeutungslos war, da der Investor Hasan Ismaik die Gelder für die Zweitliga-Lizenz garantiert ebenso wenig gestellt hätte wie jene für die dritte Liga. Andererseits: Hätte 1860 Gebhart, der beim Drittligisten Rostock spielte, überhaupt geladen in die zweite Liga?

Am Montagabend setzte Gebhart auf seiner Instagram-Seite eine leicht euphorische Nachricht ab, mit der er seine Heimkehr ankündigte. Die Botschaft war flankiert von einem Foto, das Gebhart in Trainingshosen und beim Wassertrinken zeigte, dazu schrieb er: "#training#fitness#morgen#ist#ein#großer#tag". Als der große Tag, der Dienstag, dann kam, hatte Gebhart noch keinen Vertrag unterschrieben beim Regionalligisten 1860.

Insolvenzverfahren noch immer eine Option

Es ist ja so: An der Grünwalder Straße können derzeit nicht so einfach Verträge unterzeichnet werden, weil ja niemand sagen kann, wie lang die Fußballfirma noch solvent ist. Die Nachrichten, die Ismaik am Dienstag an die SZ schickte, lasen sich alle nicht so, als sei in den Tagen vor der Mitgliederversammlung am 2. Juli - auf der es zu einer Art Kampfabstimmung über 50+1 kommen soll - mit Zahlungen aus Abu Dhabi zu rechnen. Sie lasen sich eher so, als würde der Jordanier alle weiteren strategischen Entscheidungen seinem Anwalt überlassen, dessen Kanzlei übrigens in Norddeutschland ansässig ist und der sich auf Fußballrecht spezialisiert hat. "I want to protect my investment and this time the lawyer is working", schrieb Ismaik. Um sein Investment 1860 zu schützen, soll also der Anwalt entscheiden, was das Beste ist. Möglicherweise schließt dieses Szenario sogar ein Insolvenzverfahren ein, das der vom Verein ins Amt gehievte Geschäftsführer Markus Fauser bald eröffnen müsste, um keinen Punktabzug in der Regionalliga zu riskieren.

Timo Gebhart muss das nicht weiter kümmern. Am Dienstag tagten die e.V.-Vertreter mit Sponsoren und Partnern, um eine Finanzierung notfalls auch ohne Ismaik zu stemmen. Am 13. Juli beginnt die Saison für 1860 mit einem Auswärtsspiel in Memmingen. Und in Memmingen, was soll man sagen, sowas lässt sich ja gar nicht besser erfinden, in Memmingen wurde Gebhart vor 28 Jahren geboren.

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Quelle:
SZ vom 21.06.2017
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