Süddeutsche Zeitung

1. FC Nürnberg:Der Junge mit dem Autogramm

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Am Sonntag startet der Klub in die neue Saison. Dann soll der stille Künstler Mats Möller Daehli der Anführer des Zweitligisten sein

Von Sebastian Leisgang

Vor ein paar Monaten hat Mats Möller Daehli eine Geschichte erzählt. Wie er mit seiner Mutter am Stadion in Manchester auf David Beckham gewartet hat, um sich nach einem Spiel ein Autogramm zu holen. Wie Beckham dann mit dem Auto an den Journalisten vorbeigefahren ist und auf einmal angehalten hat. Wie Beckham dann ausgerechnet ihn, den kleinen Jungen aus Oslo, aus der Menge ausgewählt und ihn für ein Autogramm und ein Foto zu seinem Auto gebeten hat. Eine ziemlich verrückte Geschichte sei das gewesen, sagte Möller Daehli.

Gut zwanzig Jahre ist das mittlerweile her. Inzwischen wird auch der Spielmacher des 1. FC Nürnberg nach Autogrammen und Fotos gefragt. Möller Daehli, 26, spielt ja eine zentrale Rolle beim Club. In der Mittelfeldraute von Trainer Robert Klauß ist der Norweger in der Offensivzentrale vorgesehen, im Herzen des Nürnberger Spiels, dort, wo sich entscheidet, ob in der Offensive was geht oder ob der Ball nur von links nach rechts geschoben wird.

"Mats ist richtig, richtig gut drauf", hat Klauß vor dem Saisonauftakt an diesem Sonntag gegen Erzgebirge Aue gesagt. Möller Daehli ist fleißig, er spielt kluge Pässe, und er weiß besser mit dem Ball umzugehen als jeder andere im Nürnberger Kader. Möller Daehli ist ein Unterschiedsspieler, wenn er denn richtig gut drauf ist, kann er darüber entscheiden, ob seine Mannschaft nach 90 Minuten mit hängenden Köpfen vom Rasen schleicht oder in der Kurve mit den Fans feiert. "Er ist kein Lautsprecher", weiß Klauß, "aber er ist mit seiner Art trotzdem wichtig für die ganze Mannschaft." Weil Möller Daehli einerseits ein Feinfuß ist, wie es sie in der zweiten Liga nicht allzu oft gibt, aber eben auch ein Anführer. "Er reißt die Mannschaft mit seiner Art von Fußball mit", betont Klauß.

Seine Hobbys sind Spazierengehen, Schach und Angeln. Nur auf dem Fußballplatz legt er seine Zurückhaltung ab

Als Beleg diente das letzte Testspiel gegen den TSV 1860 München. Beim 3:2 trieb Möller Daehli die Mannschaft derart an, dass sie nach einer sehr dürftigen ersten Hälfte auf einmal auftrumpfte. Möller Daehli war omnipräsent, obwohl es für ihn das erste Spiel über 90 Minuten seit Ende April war. Mit einem Muskelfaserriss im Oberschenkel war er lange ausgefallen, nun ist er zurück und soll schon gegen Aue wieder vorangehen. Nur: Was ist das für eine Mannschaft, die da dem ersten Spiel der neuen Saison entgegengeht? So genau lässt sich das noch nicht sagen, der Ernstfall tritt ja erst am Sonntag ein. Gegen Sechzig hat der Club gleichermaßen enttäuscht wie überzeugt, doch verheißungsvoll ist diese Mannschaft alleine deshalb, weil in Erik Shuranov, 19, Robin Hack, 22, und Dennis Borkowski, 19, drei talentierte Offensivspieler auflaufen, um die der Klub von dem ein oder anderen Konkurrenten beneidet wird. Nun muss die Nürnberger Mannschaft aber zeigen, wie es um ihre Wettbewerbshärte bestellt ist, wenn der Gegner besser ins Spiel findet und in Führung geht, wenn Möller Daehli vielleicht mal nicht richtig gut drauf ist und die anderen mit seiner Art mitreißt.

Das ist die spannende Frage, zumal die Nürnberger ja beinahe in die dritte Liga abgestürzt wären. Trainer Klauß hat es aber geschafft, seine Mannschaft in einem bemerkenswerten Schlussspurt wieder auf Kurs zu bringen. Dass sie erst am Anfang ihres Schaffens steht, hat auch mit Möller Daehli zu tun. Der Norweger ist ja erst zu Jahresbeginn aus Genk gekommen, in der Rückrunde sind ihm in 14 Spielen ein Tor und zwei Vorlagen gelungen. Das zeigt, dass er im letzten Drittel noch zielstrebiger werden muss, spiegelt aber nicht den tatsächlichen Wert des Mittelfeldmannes für das Nürnberger Spiel. In seiner Freizeit geht Möller Daehli gerne spazieren, er spielt Schach und angelt. Hobbys, die zu einem wie ihm passen. Nur auf dem Fußballplatz legt er seine Zurückhaltung ab, dann drängt der Stille in den Vordergrund.

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