Süddeutsche Zeitung

Kolumne: Hin und weg:Aus Schnee wird Strom

Lesezeit: 2 min

Hierzulande muss man ihn mit großem Aufwand produzieren. In Japan dagegen fällt so viel vom Himmel, dass man damit jetzt umweltfreundliche Energie erzeugen will.

Von Hans Gasser

Was wird derzeit geklagt über den Winter, der an der sonst verlässlich garstigen Alpennordseite seinen Pflichten nicht nachkommt: alles grün, zu warm, Skigebiete müssen schließen, weil auch die Temperaturen so frühlingshaft sind, dass ein Betrieb von Schneekanonen nicht möglich ist.

Gemach! Erstens ist der Winter noch lang, und in ein paar Wochen kann es ganz anders aussehen. Und selbst wenn es an manchen Orten nicht genug vom Himmel schneien sollte, so werden in den kalten Nächten die Schneekanonen auf Hochtouren laufen. Schließlich möchte man den Gästen ja noch bis Ostern befahrbare Pisten anbieten, und da eignet sich nun mal in puncto Langlebigkeit der dichte Maschinenschnee besser als der fluffige Naturschnee.

Aber was das kostet! Schneekanonen verbrauchen Unmengen Wasser und Strom, was gerade in diesem Energiesparwinter zu Empörung führt. Noch mehr, seit der bayerische Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger Kritiker der Subventionierung von Skigebieten als Klimaextremisten bezeichnet hat.

Der viele Schnee ist in Aomori etwas Lästiges. Er wird mit Lastwagen ins Meer gekippt

Andererseits ist das Skifahren natürlich eine Industrie, die wie jede Industrie erst einmal Energie aufwenden muss, um ihr Produkt herzustellen und damit Geld zu verdienen. Nur, dass es den Liftbetreibern besonders vorgehalten wird.

Wie dem auch sei, die Japaner machen es besser. Sie drehen den Spieß um. In der schneereichen Stadt Aomori, die ganz im Norden der Hauptinsel Honshu liegt, weiß man im Winter nicht wohin mit dem vielen Schnee. Man lud ihn bisher auf Lastwagen und kippte ihn ins Meer, was aber auch hohe Kosten verursacht.

Jetzt beginnt die Stadt, wie die Nachrichtenagentur Kyodo berichtet, aus Schnee Strom zu machen, also genau umgekehrt wie in den Alpen. Dazu wurde zusammen mit einem Start-up und einer Universität aus Tokio viel Schnee in ein vorher gut isoliertes leeres Schwimmbecken gekippt. Damit soll, sobald es Frühling wird, eine Turbine mit Dampf angetrieben werden, der entsteht, wenn durch den Schnee gekühlte Flüssigkeit auf die Wärme der Umgebungsluft trifft. Ein Schneekraftwerk sozusagen. "Schnee wurde bisher als etwas Lästiges behandelt, aber wir können ihn gut gebrauchen", wurde ein Vertreter der Stadt zitiert.

Lästiger Schnee, wenn das die bayerischen Liftbetreiber hören! Sie würden den Schnee aus Aomori derzeit schiffsladungsweise mit Kusshand nehmen, ja sogar dafür bezahlen. Aber der Schiffsdiesel ist ja auch zu teuer geworden. Also heißt es hierzulande weiter darauf vertrauen, dass der Winter schon noch seinen Pflichten nachkommt. Und wer weiß, vielleicht bleibt sogar etwas übrig, um damit im Frühling in einem ausgedienten Kommunalfreibad ein wenig umweltfreundlichen Strom zu erzeugen.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5730296
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.