Süddeutsche Zeitung

Kolumne "Ende der Reise":Hitze am Matterhorn

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Der Klimawandel setzt auch dem berühmten Gipfel zu: Zermatter Bergführer raten derzeit ab von seiner Besteigung. Und im Skigebiet darunter wurde der Betrieb eingestellt. Wo soll das enden?

Glosse von Hans Gasser

Vom Klimawandel heißt es, er werde von den Menschen in der westlichen Welt gemacht und ausbaden können ihn jene, die in Entwicklungsländern leben. Überschwemmungen in Bangladesch, Dürre in Somalia, Gletscherschmelze in Nepal. Stimmt alles.

Doch jetzt erreicht uns eine Nachricht, wonach der Klimawandel auch dort zuschlägt, wo sich nicht Fuchs und Hase, sondern Rolex und Porsche Gute Nacht sagen: in der Schweiz. Genauer: am Toblerone-Berg, auch bekannt als Matterhorn, von den Einheimischen liebevoll Hörnli genannt.

Das Hörnli ist nicht nur einer der bekanntesten Berge der Welt, er ist auch statistisch gesehen der gefährlichste. Seit der Erstbesteigung 1865 sind an dem 4478 Meter hohen Berg schon etwa 600 Menschen ums Leben gekommen. Pro Jahr etwa acht bis zehn.

Damit in diesem Sommer nicht noch weitere dazukommen, raten die Bergführer von Zermatt jetzt von einer Besteigung des Berges ab; führen niemanden hinauf, obwohl ihnen dadurch mehr als 1000 Franken pro Person entgehen. Der Grund: Wegen der Hitze, (zuletzt lag die Null-Grad-Grenze bei 5100 Meter!) gibt es im Gipfelbereich derzeit keinen gefrorenen Schnee mehr, der das lose Gestein zusammenhält. Die Steinschlaggefahr sei deshalb zu groß: "Wenn da viele Leute herumturnen, die keine Erfahrung mit der Seilführung haben", sagte Anjan Truffer, Chef der Bergrettung Zermatt, "kann das für die Seilschaften weiter unten sehr gefährlich werden."

Tja, 30 Seilschaften turnen da herum an guten Tagen, das sind bis zu 100 Leute, von denen viele keine Ahnung haben, aber halt unbedingt mal auf dem Toblerone-Berg stehen möchten. Die haben nun Pech gehabt oder eher Glück, denn sie können zwar kein Gipfelbild auf Instagram posten, aber sie laufen auch nicht Gefahr, ums Leben kommen.

Zum Trost können sie nicht einmal im Sommerskigebiet von Zermatt ein paar Schwünge ziehen, denn vor ein paar Tagen wurde der Betrieb auf dem Gletscher eingestellt. Der Schnee ist geschmolzen, die Gletscherspalten liegen frei. Internationale Skirennfahrer, die hier trainieren wollten, müssen nun nach Chile fliegen, in La Parva herrschen gute Bedingungen. Hm. Das heizt natürlich den Klimawandel noch mehr an. Was sollen da die Matterhorn-Bergführer machen? Die haben schon eine Idee: Man prüfe jetzt, hieß es, "ob die Lage durch eine Felsräumung entschärft werden" könne. Wäre ja noch schöner.

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